Freie Marktwirtschaft? Der Ölpreis-Deckel

Ein Gastbeitrag von Christian:

Ein Käufer verlangt von einem Anbieter, zukünftig für 2/3 des Marktpreises kaufen zu können, verbunden mit der Androhung, jeden durch Ausschluss zu bestrafen, der mehr bezahlt, welch ein Irrsinn. Die G7 wollen tatsächlich einen Ölpreisdeckel für russisches Erdöl einführen (aber nicht für Pipeline-Öl, weil das die östlichen EU-Staaten nicht mitgemacht hätten).

Der Max-Preis für das russische Tanker-Öl soll ab 5.12.22 bei mittleren 60 USD pro Barrel liegen (genau wissen sie das selber noch nicht), bei einem aktuellen Marktpreis von mittleren 90 USD.

Davon darf aber keineswegs der Verbraucher/Bürger/Wähler einen Vorteil haben. Capitalism must go on! Der Preisdeckel gilt nur für den ersten Käufer an Land. Der darf dann hinterher zu jedem Preis weiterverkaufen 🙂 Weiterlesen

Die EU bläst zum Letzten Gefecht

Mit Dank an Christian
O-Ton Josep Borell:

 

Our prosperity has been based on cheap energy coming from Russia. Russian gas – cheap and supposedly affordable, secure, and stable. It has been proved not [to be] the case. And the access to the big China market, for exports and imports, for technological transfers, for investments, for having cheap goods. I think that the Chinese workers with their low salaries have done much better and much more to contain inflation than all the Central Banks together.
So, our prosperity was based on China and Russia – energy and market.

This is a perfect storm. First, the prices increasing. Second, the reaction of the Central Banks raising interest rates in the United States. Everybody has to follow, because otherwise their currency will be devaluated. Everybody is running to raise interest rates. This will bring us to a world recession.

everything is being weaponised. Everything is a weapon: energy, investments, information, migration flows, data, etc. There is a global fight about access to some strategic domains: cyber, maritime, or outer space.

This is a battle that we are not winning because we are not fighting enough. We do not understand that it is a fight. Apart from conquering a space, you have to conquer the minds. The Russians and the Chinese are very good in that.
It is a big battle: who is going to win the spirits and the souls of people?
When we say that China is our rival, systemic rival, systemic rival means that our systems are in rivalry. And the Chinese are trying to explain to the world that their system is much better. Because, well, maybe you are not going to choose your head of government, but you will have food, and heat, and social services, you will improve your living conditions. Many people in the world, yes, they go and vote and choose their government, but their material conditions are not being improved. And in the end, people want to live a better life.

Europa als westliche Halbinsel von Groß-Eurasien

Glenn Diesen veröffentlichte 2021 einen Artikel, der  sehr gut zeigt, dass die russische Politik keineswegs Ausdruck eines verrückten putinistischen Todeskultes ist, sondern auf einer rationalen und gut durchdachten Strategie beruht, die den westlichen Ambitionen gefährlich zu werden drohte. Diesen Entwicklungen wurde nun durch die Sanktionen in der Folge des Ukraine-Krieges zunächst radikal ein Riegel vorgeschoben.

Weltweit ist jedoch zu beobachten, wie sich diese Strategie mit Macht entfaltet, so z.B. beim letzten SOZ-Gipfeltreffen.

Der norwegische Professor Glenn Diesen hat zu diesen Themen mehrere Bücher veröffentlicht. Sein Wikipedia-Artikel charakterisiert ihn lediglich als Propagandist des Kreml. Sein Verständnis, wenn nicht sogar seine Sympathie, für Russlands Entwicklung beeinträchtigt die Wissenschaftlichkeit seiner Werke jedoch keineswegs, wovon sich jeder, der sich damit auseinandersetzt, gern selbst überzeugen kann.

Hier eine Übersetzung des Artikels als pdf-Datei. (Siehe dazu auch den anschaulichen Vortrag des Autors: „Russia’s Greater Eurasia Initiative„)

Abstract

Wird die zunehmende wirtschaftliche Vernetzung  auf dem eurasischen Superkontinent Europa in die westliche Halbinsel von Groß-Eurasien verwandeln? Die geoökonomische Vormachtstellung der USA beruht auf der Strukturierung der beiden anderen großen Wirtschaftsregionen der Welt, Europa und Asien, als jeweils von den USA geführte transatlantische bzw. indopazifische Region. Groß-Eurasien ist eine geoökonomische Initiative Russlands und Chinas zur Integration Europas und Asiens, um eine neue Region zu schaffen. Die Entwicklung erfolgt erstens durch den Aufbau einer von der Vormachtstellung der USA abgekoppelten russisch-chinesischen regionalen Partnerschaft und zweitens durch die Integration von Europa in die neue eurasische Region. Die geoökonomische Architektur für den Aufbau einer Region beruht, ähnlich wie die einer Nationalökonomie, auf der Entwicklung von Konnektivität und gegenseitigen Abhängigkeiten bezüglich der strategisch wichtigen Industrien, Transportkorridore und Finanzinstrumente.

Frühstück der Autokraten Teil 2

Mein Artikel „Frühstück der Autokraten“ über das jüngste Treffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) sollte ein Zweiteiler werden. Nachdem klar ist, dass er nur auf unserem Blog veröffentlicht wird, fehlt mir die Motivation, den zweiten Teil professionell auszuarbeiten. Aber die wesentlichen Inhalte sollen doch hier einmal festgehalten werden. Denn was sich dort tut, wird in den westlichen Medien kaum zur Kenntnis genommen. Wenn es zur Kenntnis genommen wurde, dann nur mit einem besonderen Framing, das zeigen sollte, wie isoliert Putin ist. Dem habe ich im ersten Teil einige O-Töne entgegengehalten, die zeigen sollten, dass es gute Gründe gibt, das zu bezweifeln.

Wer die Entwicklung ernst nimmt, ist der Neocon Robert Kagan, der darüber ein Buch geschrieben hat (The Return of History and the End of Dreams). Er beobachtet die Geschehnisse im asiatischen Raum mit Sorge. Denn es zeige sich, dass wirtschaftliche Entwicklung nicht automatisch zu liberal-demokratischen Systemen führe, wie man im Westen bisher angenommen habe. Seine These, dass wir uns in einem Zeitalter der Auseinandersetzung zwischen Autokratien und Demokratien befinden, ist ja inzwischen als offizielles Framing mainstream und auch Teil der NATO-Strategie 2022.

Aber was tut sich wirklich und wie sehen denn die Beteiligten selbst ihre Politik? Weiterlesen

Ist die Biden-Administration komplett verrückt geworden?

… fragt sich Alexander Mercouris in seinem letzten Video.

O-Ton Mercouris*:

„Ich glaube, dies ist die außenpolitisch gefährlichste Regierung, die die Vereinigten Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hervorgebracht haben. Ich habe noch nie erlebt, dass ein US-Präsident und seine Regierung sich in dieser Weise gegenüber Großmächten mit Atomwaffen und mit solch erstaunlicher Unbesonnenheit verhalten haben […] China wegen Taiwan zu provozieren und Russland gleichzeitig mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen, deutet für mich auf eine Regierung hin, die komplett verrückt geworden ist […has completely gone off the rails].“

Der Hintergrund: Weiterlesen

Der 21. September 2022 – Ein mehr als denkwürdiger Tag

Putin verkündete heute Morgen die Teilmobilmachung. Hier seine Rede. Die Lage ist ernst. Wer bis heute dachte, die antirussische Hetze unserer Politiker*innen und in unseren Medien sei nicht mehr steigerungsfähig, wird sich vermutlich leider noch wundern müssen.

Der Zeitpunkt ist mit Bedacht gewählt. Vermutlich hat sich Putin während des SOZ-Gipfeltreffens diesbezüglich bei allen wichtigen Partnern rückversichert. (Hier ein Vorabdruck des ersten Teil meines Artikels dazu: 220920 Frühstück der Autokraten)

In den pro-russischen Medien und in der russischen Gesellschaft brodelte es nach der ukrainischen Offensive ja schon lange. Dies besonders nach dem verstärkten Beschuss von Donezk, bei dem es viele zivile Opfer zu beklagen gab, darunter auch Kinder, und dem fortgesetzten Beschuss des Atomkraftwerks Saporischschja, bei dem zuletzt auch Teile der Kühlung beschädigt wurden. Die Kritik an Putins relativer Zurückhaltung wurde immer lauter.

Warum das Ganze ein Game Changer ist, erklärt Mercouris hier. Weiterlesen

Putin zu den Gaslieferungen

Hier ein Ausschnitt aus Putins Rede zum Thema (Übersetzung d. V. mit Hilfe von Deepl)

Frage: Herr Präsident, in Europa entwickelt sich eine ernste Energiekrise, in der die Möglichkeit diskutiert wird, dass Gazprom die Gaslieferungen einstellt. Angeblich hat das Unternehmen dies einem seiner deutschen Kunden offiziell mitgeteilt und sich dabei auf höhere Gewalt berufen. Gibt es Gründe, Russland für diese Energiekrise verantwortlich zu machen? Wird Gazprom weiterhin seinen Verpflichtungen nachkommen?

Wladimir Putin: Zunächst einmal hat Gazprom seine Verpflichtungen immer eingehalten und wird dies auch weiterhin tun.

Es gibt überhaupt keine Grundlage für die Versuche unserer Partner, die Schuld für ihre eigenen Fehler auf Russland und Gazprom zu schieben oder dies zu versuchen.

Wie sieht es mit den Energielieferungen aus? Im Jahr 2020, in der ersten Hälfte des Jahres 2020, kostete Gas in Europa 100 Euro pro 1.000 Kubikmeter. In der ersten Hälfte des Jahres 2021 stieg der Preis auf 250 Euro. Heute liegt er bei 1.700 Euro pro 1.000 Kubikmeter Gas. Weiterlesen

Was bedeutet die Rückgabe der Turbine? Und einige Prognosen

Christian sagt (per Mail) „Die Turbine aus Kanada kommt jetzt angeblich doch wieder (als große Ausnahme) zurück, und die Ukrainer stänkern!“, verweist auf diesen Artikel aus einer russischen Quelle und fragt, was da wohl hinter den Kulissen so alles passiert ist.

Ich nehme das als Anlass, etwas zu spekulieren und einige Vorhersagen zu machen.

Die Turbine kommt zurück aufgrund einer heftigen diplomatischen Aktivität Deutschlands, die dazu geführt hat, dass eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, die es Kanada ermöglicht, ganz legal die Turbine zurückzugeben.

Die deutsche Regierung hat das gemacht, weil ihnen der Arsch auf Grundeis geht. Bis heute hat man in der deutschen Öffentlichkeit noch gar nicht richtig begriffen, welche einschneidenden Folgen das Abklemmen des russischen Gas für die deutsche Wirtschaft und den deutschen Verbraucher hätte. Die politischen Folgen einer solchen Disruption wären völlig unkalkulierbar. Schon jetzt gehen die Zustimmungswerte für die bedingungslose Parteinahme für die Ukraine deutlich zurück. Man ist bereit sehr viel dafür zu tun, dass es nicht zu diesem Äußersten kommt, aber der Schein der Solidarität mit der Ukraine soll unbedingt gewahrt werden. Der Bürger soll letztendlich weder aus seiner wurschtigen Haltung, dass alles wohl nicht so schlimm kommen wird, aufgeschreckt werden, noch aus dem Gefühl, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen.

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Wenn der Westen nicht so bösartig gewesen wäre …

Stellen wir uns vor, wie es hätte sein können, wenn der Westen nicht so bösartig gewesen wäre, sondern so gut, wie viele das damals Anfang der 90er geglaubt haben.

Nehmen wir mal an, Russland wäre so gewesen, wie es war, und hätte sich mit Putin so entwickelt, wie es auch passiert ist, nur ohne die immer schärfere Konfrontation durch die noch zu beschreibenden Bösartigkeiten des Westens.

Was hätte der weniger böse Westen anders gemacht?

  • Die NATO hätte sich nicht nach Osten erweitert, sondern wäre dageblieben, wo sie war, wie es auch damals mündlich versprochen wurde.
  • Der Westen hätte darauf gedrungen, dass in den ehemals sowjetischen Ländern die russischsprachigen und ethnisch russischen Bevölkerungsteile das auch in Westeuropa übliche Recht auf ihre eigenen Sprache als Amtssprache und Unterrichtsprache erhalten, dass sie selbstverständlich gleichberechtigte Staatsbürger sind, und dass sie über die notwendige Autonomie verfügen, bestehende kulturelle und wirtschaftliche Bindungen mit Russland aufgrund der sowjetischen Vergangenheit aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.
  • Der Westen hätte darauf gedrungen, dass in allen osteuropäischen Ländern neonazistische Parteien, Organisationen, Aktivitäten und Symbole verboten werden, ganz ähnlich wie das auch in anderen westeuropäischen Ländern üblich ist.

Eins ist klar: Den Krieg, den wir heute haben, hätte es nicht gegeben.

Putintrolle allenthalben – jetzt auch in der FAZ

Die Ukraine hat den Gastransfer durch die Region Luhansk in die EU eingestellt. Nikolas Busse schreibt in der FAZ unter der Überschrift Die Ukraine dreht am Gashahn:

Man fragt sich … , ob es für die Führung in Kiew nicht eine andere Art gab, mit diesen Problemen fertigzuwerden. Sie riskiert einen Schaden für die Volkswirtschaften ihrer wichtigsten Verbündeten in Europa.

Die EU ist schon vor Jahren zum Opfer von ukrainisch-russischen Gaskriegen geworden. Das hat auch die Ukraine damals Vertrauen im Westen gekostet (eine Folge war der Bau von Nord Stream 2), das sollte man in Kiew nicht vergessen. Dass Russland nun wieder auf seine Vertragstreue verweisen kann, ist ein Propagandageschenk für Putin.

Es ist nicht zu fassen! Die FAZ will uns weismachen, dass uns Nord Stream 2 nicht durch die naiven russophilen Sozen eingebrockt wurde? Dass das mit ukrainischem Fehlverhalten zu tun habe?  Unvorstellbar. Wikipedia wird für Aufklärung sorgen.

Deutschland sichert sich dank Nord-Stream-1-Pipeline einen vertraglichen Zugang zu russischen Gasvorkommen und somit mehrere strategische Vorteile. Ohne Transitländer besteht eine Unabhängigkeit von potenziellen politischen Einflussnahmen, die sich negativ auf Lieferungen nach Deutschland auswirken könnten.

Russland als Lieferant als auch Abnehmer in Mittel- und Westeuropa sind damit von Erpressungsversuchen durch Transitländer unabhängig, beispielsweise wenn diese Preisangleichungen an das europäische Niveau nicht akzeptieren wollen. Bisher konnten Transitländer das Passieren ihres Territoriums als Druckmittel nutzen, um exklusive Lieferbedingungen für sich selbst durchzusetzen, und so die Versorgungssicherheit Westeuropas gefährden.

Unglaublich – Putintrolle auch bei Wikipedia!

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