Verzweiflung. Realismus. Fürsorglichkeit.

Heute erschien bei Makroskop mein neuer Artikel.

Wer meinen Text „CO2-freie Fabrik: Die Herren meinen es ernst“ als Loblied auf den Kapitalismus als Klimaretter gelesen hat, ist zu Recht skeptisch. Sieht die Realität nicht eher so aus wie Rainer Land sie in seinem Artikel vom November 2022 beschreibt? Seit 2020, stellt er fest, sei der Zug zur Erreichung des 2-Grad Ziels abgefahren. Tiefster Pessimismus scheint angebracht: Trotz aller Rhetorik und vieler Taten werden die Klimaziele weltweit regelmäßig nicht erreicht. In Deutschland kann eine Partei, die den menschengemachten Klimawandel bestreitet, auf mehr als 20 % der Wählerstimmen hoffen. Und global ist im Gefolge des Ukraine-Krieges die Dynamik des Wettbewerbs zwischen den Großmächten immer deutlicher zu spüren und torpediert die für eine rechtzeitige Energiewende erforderliche intensive internationale Zusammenarbeit.

Das Apfelbäumchen
Dennoch, schreibt Land, bleibe zu bedenken, wie wir mit dem zu erwartenden Szenario umgingen, und ob man humane Bedingungen für die Überlebenden und das letzte Jahrhundert erhalten könne, denn nur so könnten wir weiter leben im Angesicht einer Welt, die sich selbst zerstört. Wie kann ein denkender und tatkräftiger Mensch dem Gefangensein zwischen tiefster Verzweiflung und idealistischer Traumtänzerei, selbstüberschätzender Hyperaktivität und depressiver Lähmung entkommen?
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Nordstream 2 revisited

Warum Klimapolitik ohne Frieden nicht gelingen kann

Heute sind die wichtigsten Schritte zur Klimarettung die Aufgabe des Konfrontationskurses mit Russland und China und die Entlastung der Energiemärkte durch Aufgabe der Sanktionen und die Öffnung von Nordstream 2.

Wenn ich heute die Inbetriebnahme von Nordstream 2 befürworte, bekomme ich Beifall von der „falschen“ Seite und die Mehrheit meines Bekanntenkreises ist entsetzt.

Nicht wenige Deutsche sehen in der Verteuerung der Energie und dem Druck auf Russland eine große Chance für die sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft. Die Geschichte geht so:

  • Mit dem Aus für Nordstream 2 ist die Macht der Gaslobby gebrochen, die bisher die Energiewende entscheidend hintertrieben hat. Unter dem Vorwand, Gas sei unverzichtbarer Übergangsenergieträger, hat sie bisher unsere Energieversorgung langfristig von billigem russischem Gas abhängig gemacht und dabei glänzend verdient.
  • Die Sanktionspolitik weist nicht nur einen Aggressor in seine Schranken, sondern dessen Schwächung ist auch gut für den Klimaschutz. Putin und sein „Machtzirkel“ sahen ihre, vornehmlich auf dem Verkauf fossiler Rohstoffe beruhende, autokratische Machtstellung durch die weltweite Nachhaltigkeitswende bedroht, wie z.B. Klaus Dörre1 schreibt. Unfähig zu Strukturreformen habe der „Putinismus“ auf Militarismus und Chauvinismus gesetzt; dies sei eine der Ursachen für den Überfall Russlands auf die Ukraine gewesen.

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Konfrontation mit Russland und China ist unvereinbar mit der Rettung des Klimas

Ich denke, bei vielen ist heute Klimapolitik in erster Linie „virtue-signalling“. Was wundersam zusammenfällt mit der moralisch korrekten Haltung zum Ukraine-Krieg. Wir schaden Putin, indem wir Gas sparen und retten zugleich das Klima. Ein moralisches Win-win.

Inhaltlich ist das aber leider total falsch. Denn die Erderhitzung ist tatsächlich ein reales Problem. Wir gehen in wahrsten Sinn des Wortes dem Weltuntergang entgegen. Das ist kein leeres Gerede und auch kein religiöser Wahn, sondern das ist der Stand der Wissenschaft (IPCC-Bericht). [Natürlich bezieht sich „Weltuntergang“ immer auf den Untergang der Menschheit, wie wir sie heute kennen, nicht auf den Untergang des Planeten in irgendeiner Form.] Heute sind zwar die Auswirkungen der bisherigen Erwärmung eindeutig nachweisbar, aber es gibt nicht im entferntesten wirklich katastrophale Folgen. Nahrungsmittel werden weltweit im Überfluss produziert. Wenn jemand hungert, dann wegen Geldmangel, nicht wegen Nahrungsmangel. Wenn man den Fleischkonsum reduziert, ergeben sich noch viel größere Spielräumen. Fast nirgendwo geht die Bevölkerung zurück wegen Nahrungsmangel oder anderen Umweltproblemen. Das wird sich radikal ändern in einer drei, vier, fünf Grad wärmeren Welt. Das dauert nur noch wenige Jahrzehnte, wenn nicht wirklich radikale Änderungen weltweit erfolgen. Und damit bin ich beim Thema. Weiterlesen

New Economics – A Manifesto von Steve Keen

Steve Keen ist ein bekannter Vertreter der Modern Monetary Theory (MMT) (Anmerkung am 31.8.: Das hatte ich gedacht, es stimmt aber nicht, was die genauen Unterschiede sind, weiß ich noch nicht; es gibt jedoch eine kritische Auseinandersetzung). Dass er sich auch intensiv mit dem Klimawandel beschäftigt hat, war (mir zumindest) nicht so bekannt.

Ich habe für Makroskop einen Artikel über sein neuestes Buch geschrieben.

Um funktional und wissenschaftlich zu sein, so Steve Keen, müsse ein neues Paradigma der Wirtschaftswissenschaften folgende Bedingungen erfüllen, die er in seinem Buch erläutert:

  • Modellierung des Kapitalismus als komplexes, dynamisches und chaotisches System (Kapitel 3),
  • Verwendung systemanalytischer mathematischer Methoden (Kapitel 6),
  • Arbeit mit realistischen Grundannahmen (Kapitel 5),
  • Berücksichtigung der zentralen Rolle des Geldes (Kapitel 2) und
  • der physikalischen Gesetze der Thermodynamik (Kapitel 4).

Zum Artikel

Schocktherapie gegen aggressiven ‚Putinismus‘ und Klimawandel?

Mit kapitalistischer Dynamik und Klimabewegung ins sozial-ökologische Utopistan?
Oder werden wir alle exterminiert?

 

Einer der Gründe für die „Aggressivität des Putinismus“ und den Ukraine-Krieg ist nach Klaus Dörres Auffassung die Bedrohung seines Geschäfts- und Herrschaftsmodells durch die globale Energiewende. Schließlich beruhen bis zu 43% der Einnahmen auf den Exporten fossiler Energien. In der Zeitschrift ‚Sozialismus‘ (Heft 4-22) schreibt er:

„ … die Russische Föderation [würde] ohne radikalen wirtschaftlichen Strukturwandel unweigerlich zu den Verlierern einer Nachhaltigkeitswende in den Abnehmerstaaten gehören […]. Je rascher dort [z.B. in Europa] die Abkehr von fossiler Energie gelingt, desto wertloser werden russische Öl- und Gasvorkommen. Das dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, dass die Zukunftsszenarien jenes Machtzirkels, mit dem sich der Autokrat Putin umgibt, ausgesprochen düster ausfallen.“

Jetzt sei aus russischer Sicht für die Umsetzung einer „aggressiven Hochrisikostrategie“ ein guter Zeitpunkt, um den „Würgegriff“ um den Hals des Westens legen. Die Nato sei durch die Niederlage in Afghanistan geschwächt, die EU zerstritten und in „ihrem Inneren mit den Praktiken sogenannter illiberaler Demokratien etwa Polens und Ungarns konfrontiert“. Gleichzeitig dulde, wenn nicht gar unterstütze China die Vorgehensweise Russlands als Verbündeter. Weiterlesen

Michael Hudson und Bill Mitchell zu Biden’s Klimapolitik

„Der Kunst eines US-amerikanischen Politikers ist es, die Wähler dazu zu bringen, ihn zu wählen, damit er sie anschließend den Interessen seiner Geldgeber ausliefern kann.“

Das sagte der Ökonom Michael Hudson, Autor des Buches Superimperialism, im Interview mit George Galloway und dessen Frau Gaytari. Das Thema wird ab ca. Minute 7 besprochen, aber das ganze Interview ist nicht uninteressant (Hudson ist übrigens Trotskys Patensohn).

Für die USA bedeute dies mehr Genehmigungen für off-shore Öl-Bohrungen, Fracking und Kohleabbau, für Europa solle es nach Wunsch der USA bedeuten, weniger Gas aus Russland, mit vergleichsweise niedrigerem CO2 Gehalt, statt dessen mehr Fracking Flüssig-Gas und Öl aus den USA mit höherem CO2 Gehalt. Die Umweltschützer bekämen nichts.

Und Bill Mitchell schrieb heute in seinem Blogbeitrag The financial markets should be kept away from the climate crisis solution, dass klar geworden sei, wie sehr die Welt in Schwierigkeiten stecke, als die US-amerikanische Finanzministerin Janet Yellen auf der COP26 folgendes sagte: Weiterlesen

Macht das Sinn?

Laut dem Ökonomen und Historiker Michael Hudson befinden wir uns nicht an einem Punkt einer langen Reihe von Entwicklungsstufen des Kapitalismus, sondern dieser ist selbst unter die Räuber gefallen: vereinnahmt durch die militärische US-amerikanische Staatsmaschine, in die ein Großteil der amerikanischen Gesellschaft bis hin zur Arbeiterin in der Rüstungsindustrie verstrickt ist, und den mit dem Staatsapparat verwobenen Finanz-/Immobilien-/Versicherungssektor, der die Welt finanziell unterwirft. Weiterlesen

10 Thesen zur Klimapolitik

Nachdem wir schon einen Corona-Diskussions-Thread haben, möchte ich hier nun einen Klima-Diskussions-Thread starten und würde mich über Diskussionsbeiträge und Quellenhinweise freuen. Man könnte an unserem Beitrag sicherlich die Politik der Parteien messen.

1. Die anthropogene globale Erderhitzung ist real und bedrohlich.

Sie verändert dramatisch das Leben aller Menschen auf der Welt wirtschaftlich, ökologisch, politisch und militärisch, unabhängig von dem politischen oder wirtschaftlichen System, in dem sie leben. Sie verursacht eine Zivilisationskrise.

2. Klimapolitik muss Gerechtigkeitspolitik sein.

Die UN hat mit den 17 Nachhaltigkeitszielen formuliert, wie ein gutes Leben für alle Menschen im Einklang mit den natürlichen Lebensgrundlagen auf der Erde aussehen kann. Versuche den Planeten zu retten, ohne den auf ihm lebenden Menschen eine Perspektive zu bieten und ohne Berücksichtigung der ökologischen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur führt zu chaotischen Verhältnissen, die der Planet sicher überleben wird, aber nur ein kleiner Teil der Menschen auf ihm. Weiterlesen

Russland und der Klimaschutz

Ausschnitt aus Putins Rede auf dem 24. Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg am 4. Juni 2021:

Wie ich bereits gesagt habe, muss die internationale Zusammenarbeit bei der Bewältigung der sozioökonomischen Folgen der Pandemie eine entscheidende Rolle spielen. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Kräfte bündeln angesichts gemeinsamer, systemischer, langfristiger Herausforderungen, die nicht von der Marktlage oder politischen Auseinandersetzungen und Konstellationen abhängen, sondern die Zukunft ganzer Gesellschaften entscheidend bestimmen.

Wovon spreche ich jetzt? Worauf beziehe ich mich? In erster Linie geht es um den Klimaschutz. Wissenschaftler schätzen, dass sich durch menschliches Wirtschaften über 2 Billionen Tonnen an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre angesammelt haben. Jedes Jahr steigt die Menge um 50 Milliarden Tonnen, wodurch sich der Planet allmählich aufheizt.

Ich höre oft, dass Russland nicht so sehr an der Lösung der globalen Umweltprobleme interessiert ist. Ich kann sagen, dass dies Unsinn, ein Mythos und manchmal sogar eine völlige Verzerrung ist.

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