Das Ende der Diplomatie?

Die ukrainische Tragödie

Lesen Sie dazu auch: Michael von der Schulenburg: Der Ukraine-Krieg und unsere Verpflichtung zum Frieden

Diplomatie statt Krieg?

Vor einigen Tagen sprach der Musiker und Begründer der Band Pink Floyd Roger Waters vor dem Weltsicherheitsrat und forderte den sofortigen Stopp der Kriegshandlungen in der Ukraine. Das gleiche fordert das von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht verfasste „Manifest für Frieden“, das bereits breite Unterstützung gefunden hat. Diplomatie statt Krieg. Wer wie Roger Waters, der seinen Vater im Krieg verlor, weiß, was Krieg bedeutet und die Leoparden-Witze unserer „feministischen“ Außenministerin für abgrundlos zynisch hält, konnte bisher noch ein wenig stolz darauf sein, dass es schließlich die Europäer Angela Merkel und Francois Hollande waren, die in den Jahren 2014/15 mit den Minsker-Abkommen maßgeblich an der Aushandlung einer diplomatischen Lösung für den Ukraine-Konflikt beteiligt waren, und darin auch einen winzigen Hoffnungsschimmer für entsprechende künftige eigenständige europäische Initiativen sehen.

Mit Russland kann man nicht verhandeln?

Nun sagte Frau Merkel in einem „Die Zeit“-Interview, und Herr Hollande bestätigte dies, man habe mit Minsk wertvolle Zeit gewonnen, um die Ukraine für die künftige Auseinandersetzung mit Russland zu stärken, und diese Strategie habe sich ja im Nachhinein auch als richtig erwiesen.

Befremdung, wenn nicht sogar Empörung bei Friedensfreunden: Wurde da etwa gar nicht im guten Glauben verhandelt? Wollten Merkel, Hollande und Co. die Abkommen in Wirklichkeit überhaupt nicht umsetzen, die ja nicht nur laut dem bekannten amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs den Krieg und das Elend von vorneherein hätten verhindern können?1 Setzte man in Wirklichkeit auf Krieg, als man von Frieden sprach? Ist unter solchen Umständen überhaupt künftig eine diplomatische Lösung für die Ukraine denkbar, die – neben den nötigen Kontrollmechanismen – doch immer auch ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen voraussetzen würde?

Solches, so die Hauptaussage der westlichen Medien und Politiker, könne man jedoch Putin nicht entgegenbringen. Die Annexion der Krim, die andauernde militärische Einmischung Russlands im Donbass, die Nichteinhaltung der Minsk-Abkommen und schließlich der unprovozierte Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 mache dies mehr als deutlich. Und so ist Angela Merkels Äußerung im Zusammenhang mit dem Vorwurf an sie (und ihrem entsprechenden Eingeständnis) zu sehen, Putin falsch eingeschätzt zu haben und von Anfang an nicht hart genug gegen ihn vorgegangen zu sein. Mit Russland kann man nicht verhandeln, so lautet das Mantra. Russland müsse militärisch besiegt werden, man werde so lange Waffen liefern wie nötig, bestätigten Macron und Scholz auch aktuell wieder anlässlich des Selenskyi-Besuchs in Paris.

Der Ukraine-Konflikt – ein „internationalisierter Bürgerkrieg“?

Es gibt gute Gründe, an dieser Darstellungsweise zu zweifeln. Vieles spricht dafür, die „Tragödie der Ukraine“2 nicht als Folge eines russischen imperialen Chauvinismus, der sich nicht mit dem Verlust seines Großmachtstatus’ abfinden kann, sondern im Kern als inner-ukrainischen Identitäts- Konflikt zu bewerten, der mitten in eine geopolitische Auseinandersetzung geraten ist. Der amerikanische Professor Nicolai N. Petro bezeichnet die Auseinandersetzungen als „internationalisierten Bürgerkrieg“.3

Auseinandersetzung um die wahre ukrainische Identität

Die Auseinandersetzung um die ukrainische Identität zwischen der galizischen bzw. west-ukrainischen Bevölkerung und den Mala Rus bzw. der Ost- und Südukraine besteht laut Petro seit mindestens 150 Jahren. Dass beide Seiten nicht zur Formung einer nationalen bürgerlichen Identität hätten zusammenfinden können, sei der wesentliche Grund für die heutige Situation, in der die Ukraine zum Spielball anderer Mächte geworden sei.

Nach dem vergeblichen Versuch, nach dem ersten Weltkrieg die Unabhängigkeit zu erlangen, verbündete sich die Organisation der ukrainischen Nationalisten mit Nazideutschland. Dies wiederum führte zu einer zunehmenden Feindseligkeit gegenüber ihren östlichen Partnern. Nach der Erklärung der ukrainischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 bestanden die nationalistischen Strömungen auf einer einheitlichen ukrainischen Identität und wollten keine Autonomie der östlichen Regionen zulassen, in denen die Menschen, die sich auch nicht als Teil eines größeren Russlands sahen, ihre eigene unverwechselbare ost-ukrainische Identität hätten leben können.

Der daraus resultierende Konflikt kulminierte im Jahr 2014, als die EU die Ukraine vor die Wahl stellte, entweder die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten oder sich an die EU anzubinden. Das Zögern des damaligen Präsidenten Janukowitsch führte zu dessen nicht-verfassungskonformer Entmachtung und zur Machtübernahme der nationalistischen Kräfte im Rahmen der Maidan-Proteste, denen sich auch ein Großteil der ukrainischen Jugend angeschlossen hatte, die ihre Zukunft in Europa sah und den Muff der russischen Vergangenheit hinter sich lassen wollte.

In der Ostukraine betrachtete die Bevölkerungsmehrheit diese Entmachtung als Putsch. Dass die Proteste in einen bewaffneten Aufstand umschlugen und in einen Bürgerkrieg mündeten, lag laut Petro einerseits an der brutalen Reaktion der Regierung, die ohne zu verhandeln Anti-Terror-Operationen in den aufständischen Gebieten anordnete und sich zur Niederschlagung der Aufstände auch rechtsextremer Terrormilizen bediente4, und andererseits daran, dass die Aufständischen nach der Annektion der Krim auf die Unterstützung Russlands gehofft hätten. Diese kam nicht, jedenfalls nicht in Form des offiziellen Eingreifens der russischen Regierung in den Konflikt, vielmehr wurden die Volksabstimmungen zur Unabhängigkeit der beiden abtrünnigen Volksrepubliken gegen den Wunsch Putins durchgeführt. Damit widerspricht Petro der westlichen Berichterstattung, nach der die Aufständischen im Donbass fast durchgängig als Marionetten Moskaus bezeichnet werden.5

Trotzdem gelang es den Aufständischen zwei Mal, die desolate ukrainische Armee so in die Enge zu treiben, dass ihr eine vernichtende Niederlage bevorstand. In dieser Situation ließ sich der ukrainische Präsident Poroschenko auf die von Deutschland und Frankreich vermittelten beiden Minsk-Abkommen ein, die einen Waffenstillstand, das Monitoring der Demarkationslinie durch die OSZE und die weitgehende Autonomie der beiden sich als unabhängig erklärten neuen Volksrepubliken Donezk und Luhansk vorsahen. Unterschrieben wurden die Abkommen durch Vertreter der Volksrepubliken und den ukrainischen Präsidenten Poroschenko. Als Garanten zeichneten Russland, Deutschland und Frankreich. Später bekräftigte auch der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution das Abkommen. Die USA und Großbritannien waren nur auf dieser Ebene daran beteiligt und scheinen sich tatsächlich nicht wirklich daran gebunden gefühlt zu haben.

Die Minsker Abkommen wurden nie umgesetzt. Und – ebenfalls im Gegensatz zur westlichen Darstellungsweise – scheiterte die Umsetzung nicht an Russland, das u.a. deswegen mit Sanktionen belegt wurde, sondern an der fehlenden Bereitschaft der ukrainischen Regierungen, die vereinbarten Schritte einzuleiten. Aus deren Sicht war das Abkommen unfair und der Ukraine in einer Notlage aufgezwungen worden. Weder vom UN-Sicherheitsrat noch von Deutschland oder Frankreich wurde in der Folge nennenswerter Druck auf die ukrainische Regierung zur Umsetzung der Abkommen ausgeübt.

So bewirkte Minsk genau das, was Angela Merkel als „Zeit gewinnen“ bezeichnete. Der Konflikt wurde eingefroren, hörte aber niemals auf, und so waren zwischen 2014 und 2021 mehr als 14.000 Tote zu beklagen, darunter auch ca. 3.400 Zivilisten, überwiegend auf der Seite der Volksrepubliken. Mit NATO-Unterstützung baute die Ukraine inzwischen unter Einbindung der rechtsradikalen Milizen eine schlagkräftige Armee auf und befestigte die Demarkationslinie. Und im März 2021 verabschiedete der ukrainische Präsident Selenskyi ein Dekret zur Rückeroberung der Krim und der abtrünnigen Gebiete im Donbass.6

Internationalisierung des Konlikts: Der Westen

Warum jedoch musste sich die Ukraine nach ihrer militärischen Niederlage nicht fügen, wie es in einer anderen Realität sicher notwendig gewesen wäre? Der Grund war, dass sie sich einer größeren Macht im Rücken sicher sein konnte. Denn „die USA behandelten die Ukraine als Instrument zur Eindämmung Russlands“7 im Rahmen der geopolitischen Strategie, die spätestens 1993 mit der Präsidentschaft Bill Clintons wirksam wurde. Bis 2014 hatten die USA die Westorientierung der Ukraine mit ca. 5 Mrd. Dollar gefördert, z.B. über die Meinungsbildung beeinflussende Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Und die Absetzung Janukowytschs wurde mit amerikanischer Hilfe unter Missachtung europäischer Interessen geplant, wie aus einem geleakten Telefongespräch Viktoria Nulands mit dem damaligen US-Botschafter in der Ukraine hervorgeht.8 Erklärtes Ziel der USA ist seit langem die wirtschaftliche und militärische Schwächung Russlands, wenn nicht sogar die Zerschlagung des Landes in mehrere Teilstaaten (im linken Jargon: De-Kolonialisierung). Dazu strebte man einen US-amerikanischer Flottenstützpunkt am Schwarzen Meer und die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens an.

Internationalisierung des Konlikts: Russland

Für Russland waren das rote Linien, die im Westen durchaus bekannt waren, jedoch nicht ernst genommen wurden.9 Aus russischer Sicht war durch die NATO-Osterweiterung jedoch ein Sicherheitsdilemma entstanden: die erhöhte Sicherheit der Ukraine wurde durch die Bedrohung der Sicherheit des östlichen Nachbarlandes erkauft. So waren die erklärten Ziele Russlands in diesem Konflikt nicht die Eroberung der Ukraine sondern die Durchsetzung von deren Neutralität, um die Stationierung von Raketen zu verhindern, die in fünf Minuten Moskau erreichen könnten, und der Schutz der Krim gemäß dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung der Halbinsel zu Russland zu gehören (ganz bestimmt auch um die Sicherung des Schwarzmeerhafens dort) (Ziel: Demilitarisierung). Darüber hinaus ist Putin aus innenpolitischen Gründen gezwungen, die russisch-sprachigen Bevölkerungsgruppen der Ostukraine zu unterstützen, selbst wenn ihm deren Schicksal völlig gleichgültig wäre, und den großen politischen Einfluss der sich mit Nazisymbolen schmückenden rechtsradikalen Gruppierungen in der Ukraine zu unterbinden (Ziel: Entnazifizierung); denn die Erinnerung der russischen Bevölkerung an den zweiten Weltkrieg sind noch sehr lebendig.10 Erst im Jahre 2022, nachdem das endgültige Scheitern der Minsk-Abkommen nicht mehr zu leugnen war, wurde mit der formalen Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken von russischer Seite das Ziel des vollständigen Erhalts des ukrainischen Territoriums vorerst aufgegeben.11

Die USA verhinderten eine greifbare diplomatische Lösung des Konflikts

Der russische Angriff auf die Ukraine war völkerrechtlich illegal. Dass sich jedoch hier die schwache, kleine Ukraine alleine gegen den großen, bösen russischen Bären wehren muss, ist unrichtig. Zur Garantie der Sicherheit des Landes hätte es genügt, sich als neutral zu erklären, und die Minsk-Abkommen umzusetzen.

Noch im Dezember 2021 hatte Russland außerdem Vorschläge für eine gesamt-europäische Sicherheitsarchitektur vorgelegt, in deren Rahmen auch die Sicherheitsanliegen der Ukraine aufgehoben worden wären. Sie wurden vom Westen jedoch als irrelevant abgetan. Hingegen hielt der o.g. Ökonom Jeffrey Sachs z.B. diese Entwürfe für eine hervorragende Diskussionsbasis, was er dem Weißen Haus auch schriftlich mitgeteilt habe.

Für besonders tragisch hält er die Tatsache, dass auch nach dem Einmarsch ein schneller Frieden möglich gewesen wäre. Der erfolgversprechende Verhandlungsprozess im März sei aber plötzlich abgebrochen worden, sehr wahrscheinlich auf Betreiben der Biden-Administration.12 Seitdem eskaliere der Krieg immer weiter. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich das reale Kräfteverhältnis zuungunsten Russlands ändern werde. Vielmehr verlängere man durch Waffenlieferungen das Kriegselend von Toten, Verwundeten und Zerstörungen, und man riskiere einen Krieg zwischen der gesamten NATO und Russland, der auch in der nuklearen Vernichtung Europas enden könne.

Das Schicksal der Ukraine (und auch Europas) ist für die USA uninteressant. Die maßgeblichen Politiker sehen das Land als Teil ihrer Nuklearstrategie, der Strategie zur Zerschlagung und Schwächung Russlands und der Verhinderung der Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa, insbesondere Deutschland, v.a. im Energiesektor. Die Äußerung des Kongressabgeordneten Adam Schiff,We’re using Ukraine to fight Russia, so that we don’t have to fight Russia here.“ spricht für sich.

Plädoyer für die politische Vernunft der Diplomatie

Angesichts der sehr realen Gefahr, dass in dieser geopolitischen Auseinandersetzung am Ende nicht nur die Ukraine, sondern auch das Europa wie wir es heute kennen zerstört wird, verwundert und verstört die Vasallen-Haltung, die auch aus Angela Merkels Äußerungen spricht. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es eine starke Friedensbewegung und die Band „Geiersturzflug“ drückte in ihrem Song „Besuchen Sie Europa solange es noch steht“ die Angst vieler Menschen vor der Verwandlung Europas in ein nukleares Schlachtfeld aus. Heute fordern viele der ehemals Friedensbewegten Waffenlieferungen in die Ukraine.

Es mag sein, dass Merkel Minsk im wohlverstandenen europäisch-deutschem Interesse verhandelt hat, und dass sie angesichts des heutigen Klimas lediglich versuchte, ihren Ruf zu retten. Wie es wirklich war, können wir nicht wissen. Der weltweiten Reputation Deutschlands dürften ihre Äußerungen eher geschadet haben, besonders in Verbindung damit, dass Deutschland tatenlos zusieht, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein oder mehrere ihrer Verbündeten waren, die mit der Sprengung der Nordsee-Pipelines einen Kriegsakt gegen das Land ausführten13. So scheint Deutschland nun jede eigenständige Interessenpolitik aufgegeben zu haben, die man im Einsatz für die Minsk-Abkommen und Nordstream 2 noch erkennen konnte, und jeglicher Anschein deutscher Souveränität wurde endgültig zerstört.

Am Ende des Tages ist festzuhalten: Diplomatie ist keine moralische Frage, sondern eine der politischen Vernunft, des Realismus und der Machtverhältnisse. Wo Macht nicht mit entsprechender Gegenmacht beantwortet wird, haben es Werte, Recht und Diplomatie schwer. Ob eine unverhohlene might-makes-right Politik allerdings eine sinnvolle und sich langfristig auszahlende politische Strategie ist, darf bezweifelt werden. Wie sich das Kräfteverhältnis der Großmächte in dieser höchst gefährlichen Weltlage entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Wünschenswert wäre es, dass die Bevölkerungen des Westens der politischen Vernunft der Diplomatie eine stärkere Stimme geben würden.

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1 Jeffrey Sachs begleitete über viele Jahre die ökonomische Transformation Russlands und anderer osteuropäischer Staaten zur Marktwirtschaft und ist heute Direktor des Center for Sustainable Development (CSD).

2 Petro, Nicolai N.: The Tragedy of Ukraine, Berlin/Boston 2023

3 Petro, S, 219

4 Besonders traumatisch für Ostukrainer: Das Massaker im Gewerkschaftshaus in Odessa, das noch nicht aufgeklärt wurde. Siehe: Lauria, Joe: Curfew for Anniversary of Odessa Massacre That Sparked Rebellion, 30.4.2022, (Zugriff 11.2.2023)

5 Zum Thema russische Unterstützung siehe Petro, S. 218 f. Und Jacques Baud (Anmerkung 11)

6 Siehe Baud, Jacques und Thomas Kaiser: Die Politik der USA war es immer, zu verhindern, dass Deutschland und Russland enger zusammenarbeiten, 15.2.2022 und Baud, Jacques: Die militärische Lage in der Ukraine, 1.4.2022 (Beides Zugriff 11.2.2023)

7 Petro S. 232.

8 Heute sind Joe Biden, Jake Sullivan, Victoria Nuland und Anthony Blinken wieder das Team, das die US-Außenpolitik lenkt.

9 Biden machte sich schon 1997 über Russlands Proteste lustig. (Zugriff 11.2.2023). Der langjährige US-Botschafter in Moskau George F. Kennan warnte in seinem Artikel „A Fateful Error“ in der New York Times vom 5.2.1997 (Zugriff 11.2.2023) dringend vor der NATO-Osterweiterung.

10 Es ist deswegen von deutscher Seite aus wenig feinfühlig, nach Großkatzen benannte Panzer zum Kampf gegen Russland in die Ukraine zu schicken und darüber auch noch Witze zu machen. Im Interview mit Thomas Kaiser (Deutschland zahlt den Preis für den von den Amerikanern gegen Russland geführten Krieg vom 11.2.2021, Zugriff 11.2.2023) fasst Jacques Baud die Kriegsziele Moskaus prägnant zusammen.

11 Alles Lüge? Auch Petro und viele andere halten diese russische Haltung für völlig plausibel, so z.B. Colonel Douglas MacGregor, siehe Max Blumenthal und Aaron Maté: Former top Pentagon advisor Col. Doug Macgregor on Russia-Ukraine war, 15.2.2022 (Zugriff 11.2.2023). Etwa ab Minute 33 diskutiert MacGregor ausführlich die russische Sicherheitsposition.

12 Im Interview beruft sich der sehr gut vernetzte Sachs auf die Äußerungen des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett, die mit seinen Informationen aus eigenen Quellen übereinstimmten.

13 Jeffrey Sachs sagt im o.g. Interview, dass er den Bericht des investigativen Journalisten Seymore Hersh (How America Took Out The Nord Stream Pipeline, vom 8.2.2023, Zugriff 11.2.2023), der seit dem My-Lai Massaker im Vietnam Krieg und der Folter im Gefängnis Abu Graib im Zuge des Irak-Krieges, beispielsweise, schon viele unliebsame Wahrheiten ans Licht gebracht hat, für grundsätzlich glaubwürdig hält. Danach war es das o.g. Team Biden-Sullivan-Nuland-Blinken, das schon im Jahre 2021 die Sprengung der Nordstream Pipelines plante und dann auch durchführen ließ. Dazu Sachs: „Der Präsident plante in aller Öffentlichkeit, das Gesetz der Vereinigten Staaten zu brechen und einen Kriegsakt zu begehen, der einen Verbündeten der USA betraf, und er wird damit davonkommen.“ (Übersetzung d. V.)

5 Gedanken zu „Das Ende der Diplomatie?

  • Ich sprach gestern mit jemandem, der mir sagte, er habe sich nie für Politik interessiert, denn alles schien doch in Ordnung zu sein, jedenfalls so, dass jede/r eine einigermaßen gutes Leben führen konnte, wenn sie/er entsprechende Anstrengungen unternahm. (Ein schlechtes Leben sah er wohl dann als Folge individuellen Verhaltens, unterstelle ich mal). Jetzt sei alles völlig anders. Und dafür sei die Nordstream 2-Sprengung symbolisch: Wir haben unser Schicksal nicht in der eigenen Hand, und unsere Politikerklasse tut nichts oder will nichts tun, dass sich das ändert, weil sie entweder zu dumm, zu feige, zu korrupt oder was auch immer ist. Und das, obwohl es viele Optionen gäbe!

    Und in dieser Erfahrung ist mein Einsatz für die Friedensbewegung begründet, nicht in der Theorie, nicht bei den Honoratioren, nicht bei den unterschiedlichen Positionen, die da zurückgestellt werden, sondern bei den Opfern, nicht den

    „passiven, leidenden, fordernden Opfer[n] der modernen Belletristik“, sondern den „gewöhnliche[n] Menschen, die meist einigermaßen gut, meist einigermaßen ehrenhaft sind und versuchen, ihr Bestes zu geben in einer Welt, in der die Macht anderswo liegt und sie von Anarchie und Chaos umgeben sind,“

    wie der Blogger Aurelien sich in einer Buchbesprechung ausdrückt. Auch wenn uns in der Praxis vermutlich nichts anderes bleibt – diese Menschen – ich selbst eingeschlossen und egal auf welcher Seite der Front sie stehen – sind mein Ausgangspunkt für meinen Einsatz für Frieden und Diplomatie.

    • Denn wie mein Enkel gerade am Klavier Frank Sinatras Worte schmetterte:

      For what is a man, what has he got?
      If not himself, then he has naught
      To say the things he truly feels
      And not the words of one who kneels
      The record shows, I took the blows
      And did it my way

  • Die Gelehrten streiten sich darum, ob es den USA strategisch eher um Deutschland oder eher um Russland gehe. George Friedman (Begründer des Think Tanks Stratfor) sagt es geht um die Beziehung zwischen Deutschland und Russland (Schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts). Er sagte 2015:

    The primordial interest of the United States over which for a century we have fought wars, the first, second and Cold War, has been the relationship between Germany and Russia because united they are the only force that could threaten us, and to make sure that that doesn’t happen. […]
    For the United States the primordial fear is German technology and German capital and Russian resources as the only combination that has for centuries scared the hell out of the United States.

  • „Für Russland waren das rote Linien, die im Westen durchaus bekannt waren, jedoch nicht ernst genommen wurden.“

    Der frühere Aussenminister der USA Henry Kissinger schlug 2014 vor, dass erstens die Ukraine einen neutralen Status, d.h. keine NATO-Mitgliedschaft einnehmen solle und zweitens die kulturell unterschiedlichen Bevölkerungsteile unbedingt im politischen System berücksichtigen, repräsentieren und versöhnen müsse. Die Regierungen der NATO-Länder und der Ukraine folgten leider nicht den Ratschlägen dieses elder Statesman aus dem kalten Krieg.

    Seine damalige Analyse von 2014 widerspricht dem in Deutschland in der Propaganda vorherrschenden Narrativ, dass der Ukrainekrieg durch einen nationalistischen, Russen „Heim ins Reich“ holenden Diktator unprovoziert herbegeführt worden ist. https://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/henry-a-kissinger-eine-daemonisierung-putins-ist-keine-politik-298/

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