Die Außenministerin von Südafrika zum IGH-Urteil

Nach der Urteilsverkündung gab Ministerin Naledi Pandor eine Pressekonferenz:

P.: Well by the fact that the court says „Remember that today we’re not deciding about the allegation of genocide, what we’re dealing with other provisional measures“ it’s clear that the court does say circumstances exist where it is plausible that genocidal acts have been committed. This of course means, once the merit case is addressed, and if the finding is that there has been genocide, those states that have aided and abetted become a party to Commission of an Infringement in terms of the convention.

Q.: Do you think Israel will conform to the orders laid down by the court today?

P.: I’ve never really been hopeful about Israel, but Israel has very powerful friends who I hope will advise Israel that they should act.

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Zur Entscheidung des Internationalen Gerichtshof zu Gaza

Nach diesem Bescheid kommt keiner mehr um den Vorwurf des Genozids mehr drum herum. Man kann das nicht mehr einfach mit einer wegwerfenden Geste abtun. „Genocide Joe“, die Parole, die Biden in seinem Wahlkampf folgt, gerufen von seiner demokratischen Jugend, ist höchstgerichtlich bestätigt worden, auch von der US-amerikanischen Richterin. Den Vorwurf des Genozids hat das Gericht für plausibel gehalten, denn das war die Voraussetzung dafür, Israel dazu aufzufordern, genozidale Handlungen zu unterlassen. Dazu gehört auch, dass Israel angehalten ist, den Verlautbarungen genozidaler Absicht seines Führungspersonals, auch seines Präsidenten, juristisch entgegenzutreten.

Das Gericht lässt sich von Israel in einem Monat berichten, inwieweit Israel seinen Anordnungen, die unmittelbar geltendes Völkerrecht darstellen, nachgekommen ist.

Die Konvention zum Völkermord ächtet auch ausdrücklich die Beihilfe. Waffenlieferungen an einen Staat, der dabei ist, einen Völkermord zu begehen, ist vermutlich Beihilfe. US-Führungspersonal (und auch deutsches) läuft Gefahr, sich der (justiziablen!) Beihhilfe schuldig zu machen.

Alles in allem ein großer Erfolg der Südafrikaner und dabei ein großer Schritt in Richtung multipolare Welt. Aber das Gericht ist nicht den letzten eigentlich logischen Schritt gegangen, nämlich einen sofortigen Waffenstillstand anzuordnen.

Es stimmt natürlich, dass das den Menschen in Gaza nicht unmittelbar hilft. Aber das hätte vermutlich die Anordnung eines Waffenstillstands auch nicht getan. Die USA und Israel haben sich schon immer über Völkerrecht hinweggesetzt. Aber sie finden immer weniger Unterstützer, und das stimmt hoffnungsvoll.

Es war nicht zu erwarten, dass das Gericht einstimmig dem südafrikanischen Antrag folgt, mit sechs Richtern mehr oder weniger aus NATO-Ländern (wenn man Japan und Australien dazuzählt). Ich hätte zumindest knappere Entscheidungen erwartet. Aber die Entscheidungen sind weitgehend einhellig ausgefallen. Nur die Richterin aus Uganda und der Israeli haben überhaupt dagegen gestimmt, wenn ich das richtig mitgekriegt habe. Das heißt, (fast) alle sind der südafrikanischen Argumentation gefolgt, dass ein Genozid droht. Die Belege für die Absicht haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt (die Ansagen von Leuten aus Netanyahus Kabinett).

Notwendiger Krieg gegen den Terror oder Genozid?

Eine gekürzte Version dieses Artikels erschien diese Woche auf Makroskop.

Eine zivilisierte Debatte?

Wie Bundeskanzler Scholz vor kurzem bestätigte: Die Unterstützung der Sicherheit Israels ist in Deutschland Staatsräson. Konkret bedeutete dies, so ein bei DW veröffentlichter Artikel, dass Deutschland, wie andere Verbündete auch, Israels Recht auf Selbstverteidigung und die daraus folgenden Maßnahmen im Gazastreifen unterstütze. Das könne sich aber u.U. als problematisch herausstellen. Denn was auch immer Deutschland über sein intrinsisches Recht sagen möge, an der Seite Israels zu stehen, entbinde das Land jedoch nicht von seiner Verantwortung, das humanitäre Völkerrecht, das die Mittel der Kriegsführung regelt, zu beachten und dafür einzutreten.

Angesichts der großen Relevanz des Themas, nicht nur wegen der durch Terror und Krieg ausgelösten humanitären Katastrophe, sondern auch der großen Gefahr der regionalen Ausweitung des Konfliktes mit den zu erwartenden Opfern und Flüchtlingswellen, der Gefährdung der Sicherheit unserer Energieversorgung und der internationalen Transportkorridore, wünscht man sich dazu eine breite, kontroverse Debatte in Politik und Gesellschaft. Die aber ist schwierig, da die Kritik an der Politik Israels sehr schnell mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird, in Deutschland ein strafrechtlich zu verfolgendes Delikt. Weiterlesen

Frieden ist nur möglich, wenn Israel in den völkerrechtlich anerkannten Grenzen leben kannn

Piers Morgan, Gastgeber der Show Uncensored beim britischen Kanal TalkTV, sprach mit dem in Ungarn geborenen kanadischer Mediziner Gabor Maté, dessen jüdische Familie nur knapp der Deportation unter der deutschen Besatzung entging. Er hat sich auf die Themen Sucht und Abhängigkeit und die Zusammenhänge von Stress, Sucht, Immunsystem, chronischen Erkrankungen und Traumata in der Kindheit spezialisiert. Hier eine Zusammenfassung.

Der Gastgeber fragte zunächst, wie Maté als Arzt, der mit vielen schwerst traumatisierten Menschen gesprochen und ihnen über ihre Erlebnisse hinweg geholfen habe, die Entwicklungen in Israel und Gaza einschätze. Schließlich befänden sich die Menschen in Israel und Gaza in einer extrem traumatischen Situation. Das gälte für beide Seiten, für die Menschen, die am 7. Oktober Opfer des Hamas-Massakers waren sowie die Geiseln und ihre Familienangehörigen, aber auch für die Menschen in Gaza, wo als Folge der militärischen Antwort Israels Tausende von unschuldigen Menschen getötet würden, darunter Tausende von Kindern.

Man könne die Situation nur in ihrem historischen Kontext verstehen, erläutert Maté. Als Holocaust-Überlebender sei ihm früher der Zionismus als Weg zur Erlösung des jüdischen Volkes sehr wichtig gewesen. Dann aber habe er herausgefunden, dass die Gründung des Staates Israel mit der Vertreibung und mehrfachen Massakern an der lokalen Bevölkerung einherging, was historisch nicht bestreitbar sei. Aber auch heute lebten die Palästinenser unter israelischer Besatzung.

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Es ist, als ob die Geschichte am 7. Oktober 2023 begonnen hätte

You can’t understand this conflict if you at all if you adopt any kind of parity between the two sides. Because it’s very simple: there’s an occupier and an occupied population. (Aaron Maté)

Ausschnitt aus „Nobody is safe – The Grayzone live“

Aaron Maté:

If the terrorism that Israel experiences comes from the fact that it’s been occupying millions of people for more than 50 years, does Israel have the right to defend itself against that terrorism or does it have the obligation to end the occupation which is a form of terrorism in itself?

And in fact you can’t even compare the terrorism that Hamas was responsible for to the terrorism that Israel was responsible for, and again it’s not morally equivalent because hamas’s terrorism is a response to a criminal occupation and a siege whereas Israel is the inciting party by occupying and committing state terror not just in one day as we saw Hamas but over 50 years.

Unless you can have that unless you can recognize that there’s no parity between an occupied people and an occupier you shouldn’t be able to speak on this conflict it’s better just to say nothing.[..] You can’t understand this conflict if you at all if you adopt any kind of parity between the two sides. Because it’s very simple: there’s an occupier and an occupied population.

Max Blumenthal:

It’s as though history started on October 7th, 2023, it’s as though 750,000 Palestinians were not ethnically cleansed between 1947 and 1948 with over 200 villages already destroyed by the time Israel declared its „independence“ in May 1948.

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Die Brutalität der Sklaven und die Brutalität der Unterdrücker

Als sei es heute geschrieben worden. Norman Finkelstein wies auf diesen Text im Zusammenhang mit der Hamas-Operation am 7. Oktober hin. Das ganze Interview ist sehr hörenswert:

Der Liberator kommentiert den Aufstand von Nat Turner [bei dem viele weiße Leute grausam getötet wurden. – Übersetzung von mir]

Vorbemerkung:

Am 1. Januar 1831 gründete William Lloyd Garrison The Liberator, eine militante abolitionistische Zeitung, die als eine der ersten Publikationen des Landes ein sofortiges Ende der Sklaverei forderte. Auf der Titelseite der ersten Ausgabe erklärte er trotzig: „Ich werde keine Ausflüchte machen – ich werde mich nicht entschuldigen – ich werde keinen Zentimeter zurückweichen – und ich werde gehört werden.“ Aufgeschreckt durch Garrisons Proklamation setzte der Staat Georgia eine Belohnung von 5000 Dollar für denjenigen aus, der ihn in seinen Staat bringt, um ihm den Prozess zu machen.

Das Dokument:

Die Insurrektion

Was wir seit langem vorausgesagt haben – auf die Gefahr hin, als Panikmacher und Ausrufer gebrandmarkt zu werden -, hat begonnen, sich zu erfüllen. Der erste Schritt des Erdbebens, das schließlich das Gefüge der Unterdrückung zum Einsturz bringen und keinen Stein auf dem anderen lassen wird, ist getan. Die ersten Blutstropfen, die nur das Vorspiel zu einer Sintflut aus den heraufziehenden Wolken sind, sind gefallen….

Lest den Bericht über den Aufstand in Virginia, und sagt, ob unsere Prophezeiung nicht erfüllt ist….

Es stimmt, der Aufstand wird niedergeschlagen. Diejenigen Sklaven, die nicht im Kampf getötet wurden, sind festgenommen worden, und die Gefängnisse sind voll mit Opfern, die für den Galgen bestimmt sind… Ihr habt, wie zu befürchten ist, nur den Anfang des Leids gesehen. All das Blut, das vergossen wurde, wird von Euren Händen kommen.

 

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It’s been a dreadful week. Humanity must prevail

Statement by Martin Griffiths, Under-Secretary-General for Humanitarian Affairs and Emergency Relief Coordinator, about the latest in Israel, the Occupied Palestinian Territory and the region

 

Civilians in Israel and the Occupied Palestinian Territory are suffering from a week of utter anguish and devastation. I fear that the worst is yet to come.

In Israel, families are reeling from the horror of last Saturday’s attack. More than a thousand people have been killed and many more have been injured. Over 100 people are held captive.

In Gaza, families have been bombed while inching their way south along congested, damaged roads, following an evacuation order that left hundreds of thousands of people scrambling for safety but with nowhere to go.

Nearly 2,000 people have been killed and many more have been injured.

There is no power, no water and no fuel. Food supplies are running dangerously low.

Hospitals, overwhelmed with patients, are running out of medicine.

Morgues are overflowing.

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Finish Them! Über die kollektive Bestrafung eines Volkes

Katie Halper und Aaron Maté analysieren in ihrer Monday Mourning Show die Reaktionen der US-amerikanischen Medien auf die Ereignisse in Israel. Sehenswert.

Die Repulikanerin Nikki Haley (Donald Trumps UNO Gesandte) sagt wörtlich auf Fox News (und meint damit Hamas):

I’ll say this to Netanyahu: Finish them!!! They should have hell to pay for what they have done.

Der israelische Präsident Herzog:

“It is an entire nation out there that is responsible,” Herzog said at a press conference on Friday. “It is not true this rhetoric about civilians not being aware, not involved. It’s absolutely not true. They could have risen up. They could have fought against that evil regime which took over Gaza in a coup d’etat.”

But he then stated:

“When you have a missile in your goddamn kitchen and you want to shoot it at me, am I allowed to defend myself?”

At another point in the press conference, Herzog presented a different perspective, saying, “Of course there are many, many innocent Palestinians who don’t agree to this — but unfortunately in their homes, there are missiles shooting at us, at my children.”

14.10.2023: Zahl der Toten und Verwundeten seit dem 7. Oktober 2023:

Quelle:  United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, die die Situation täglich im Detail dokumentiert.