Gibt es in den USA eine Alternative zur Wahl des „kleineren Übels“?

Warum etliche Wähler in den USA sich wahrscheinlich nicht für die Wahl einer der „Unipartys“ entscheiden können, habe ich in dem Artikel dargestellt, der heute auf Makroskop erschien.

Soll man den „weltbesten Bandenchef“ oder lieber die in den demokratischen Vorwahlen von 2020 unbeliebteste demokratische Kandidatin wählen? Jill Stein und ihr running mate Butch Ware stehen für eine alternative Politik – innen- und außenpolitisch. Hier findet man die grundsätzlichen Vorstellungen  der Ökonomen Radhika Desai und Michael Hudson – Mitglieder des Berater-Teams um die Präsidentschaftskandidatin – zur Finanz- und Fiskalpolitik.

Und hier der Artikel als pdf-Datei.

 

US-Außenpolitik: Liegt ein Wandel in der Luft?

Wie soll es angesichts der veränderten Weltlage außenpolitisch weitergehen? Damit beschäftigen sich in der neuesten Ausgabe von Foreign Affairs rechtzeitig zum Präsidentschaftswahlkampf gleich drei Artikel aus drei verschiedenen Richtungen.

Für die größte Überraschung sorgte dabei Ben Rhodes, der von 2009 bis 2017 stellvertretender
Nationaler Sicherheitsberater für strategische Kommunikation und Redenschreiben in der Obama-Regierung war. Dass er mit dem jetzigen Sicherheitsberater Bidens Jake Sullivan einen Think Tank gegründet hat, spricht dafür, dass er auch heute noch eine wichtige politische Figur ist. In einer gewaltigen Abkehr von der bisherigen US-Politik plädiert er unter der Überschrift „A Foreign Policy for the World as It Is – Biden and the Search for a New American Strategy“ dafür, dass die USA

„die Denkweise des amerikanischen Primats aufgeben“ und „sich von den politischen Erwägungen, dem Maximalismus und der westlich-zentriertenSichtweise abwenden, die dazu geführt haben, dass die  Regierung [Biden] einige der gleichen Fehler wie ihre Vorgänger gemacht hat“. [Übersetzung d. V.]

Bevor wir uns damit beschäftigen, wie Rhodes zu dieser Schlussfolgerung kommt, zunächst ein Blick auf die anderen Konzepte:

Trumps Konzept: Frieden durch Stärke

Die „progressive“ Antwort: Eine Kraft des Guten in einer Welt der Zielkonflikte

240705 Quo Vadis Amerikanische Außenpolitik 2-Teiler

Der vollständige Artikel erschien in leicht veränderter Form auf Makroskop.

Ficos Wahlsieg in der Slowakei

Ich habe dazu einen Teil von Alexander Mercouris‘ (sehr viel ausführlicheren Ausführungen dazu) übersetzt. Er sagt:

Ficos Wahlsieg in der Slowakei ist

ein Sieg für einen in der Europäischen Union sehr unbeliebten politischen Führer, der damit geworben hat, sein Land aus dem Krieg in der Ukraine herauszuholen. Er hat seit der Wahl wiederholt, dass seine Politik die gleiche bleibt wie die, mit der er in den Wahlkampf gezogen ist. Es werden keine weiteren Waffen aus der Slowakei in die Ukraine geliefert, und da die Slowakei eine eigene Rüstungsindustrie hat, ist das also nicht nur eine prinzipielle, sondern eine reale Position. Fico wird dafür sorgen, dass keine weiteren Waffen geliefert werden.

Zweitens hat er angekündigt, dass er sich rund um die Uhr dafür einsetzen wird, dass eine Art von Verhandlungen, eine Art von Frieden ausgehandelt wird.

Fico klingt also zunehmend wie der Staatschef des slowakischen Nachbarlandes Ungarn. Und es sieht tatsächlich so aus, als ob diese beiden Regierungschefs – der eine führt im Wesentlichen eine Partei, die sich selbst als links positioniert (Fico), und der andere eine Partei, die sich selbst als christlich rechts positioniert (Urban), als ob sie sich in dieser Frage und in der Tat in mehreren anderen darauf vorbereiten, gemeinsame Sache zu machen. Das bedeutet, dass Ungarn in seiner Opposition gegen die westliche Politik zur Unterstützung des Krieges und zur Unterstützung der Ukraine in Europa nicht mehr so isoliert ist wie zuvor.

Und das alles wird überschattet von den Wahlen in Polen. Es hat einen großen Bruch zwischen der Führung der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ und der ukrainischen Regierung gegeben, mit anderen Worten, zwischen der polnischen Regierung und der Regierung der Ukraine, und es scheint wahrscheinlich, dass „Recht und Gerechtigkeit“, um an der Macht zu bleiben, künftig eine Koalition mit einer anderen Partei eingehen muss, die erst vor kurzem in Polen entstanden ist, die sich aber viel offener gegen eine weitere Beteiligung Polens an diesem Konflikt in der Ukraine ausspricht.

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3. MMT-Konferenz: Navigieren in der Polykrise

Zum vollständigen Konferenzbericht, der heute in ähnlicher Form bei Makroskop erschien.

Wie und was kann eine Geldtheorie zur Bewältigung der heutigen Krisensituation beitragen? Eine Antwort prangte an einem Montagvormittag an den Fassaden des Bundesfinanzministeriums auf einem riesigen Plakat: „Mit Geld und Verstand. Schulden bremsen, Chancen schaffen. Unser Bundeshaushalt.“ Besser kann die Mentalität der schwäbischen Hausfrau nicht eingefangen werden.

Eine andere Sichtweise wurde vom 9. bis 11. September in einem Saal der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin präsentiert. Auf der dritten europäischen MMT-Konferenz Navigating the Polycrisis trafen unter Leitung des bekanntesten Gesicht der Modern Money Theory in Deutschland, Dirk Ehnts, sechszehn hochkarätige Redner zusammen.

Die durchaus heterogene Teilnehmerschaft der Konferenz war sich einig, dass eine solche Haushaltspolitik, die mit dem Mythos vom knappen Geld des Staates steht und fällt, nicht dazu geeignet ist, bessere Zukunftsaussichten zu schaffen. Denn die Herausforderungen sind riesig: es muss gelingen, die „grüne“ Transformation der Gesellschaft mit einer gerechteren Verteilung von Einkommen und Wohlstand zu verbinden.
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Thesen zur Zeitenwende

Das sind unsere Überlegungen dazu

Ist die Menschheit wieder dort angelangt, wo sie vor gut 100 Jahren war, als große kapitalistisch-imperialistische Mächte gegen einander antraten, und Rosa Luxemburg fassungslos auf den (aus ihrer Sicht) Verrat der deutschen Sozialdemokraten reagierte, die im Reichstag den Kriegskrediten zustimmten? Weiterlesen

Sozialistische Politik heute – die antiimperialistisch-realistische Sicht

Es sollte ein Aufsatz werden, doch es wird ein Buch. Zwei Kapitel muss ich noch schreiben. Aber „as“ meinte, ich solle es schon mal unvollständig zur Diskussion stellen, was ich hiermit mit der Veröffentlichung des ersten Kapitels tue. Der Rest folgt nach und nach.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 als pdf

1 Sozialismus: Notwendig aber bedeutungslos?

Die Menschen machen“, wie Marx einmal sagte, „ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“(MEW 8: 115) und innerhalb ihrer Grenzen. Falls jedoch die sozialistische Arbeiterbewegung wieder ihre Seele, ihre Dynamik und ihre historische Initiative zurückgewinnen sollte, dann müssen wir als Marxisten das tun, was Marx ebenfalls getan hätte: die neue Situation anzuerkennen, in der wir uns befinden, diese realistisch und konkret (und auch historisch spezifisch) analysieren, dabei auch die Gründe für das Scheitern wie für die Erfolge der Arbeiterbewegung erkunden – und nicht zu formulieren, was wir gerne getan hätten, sondern was unter diesen Umständen getan werden kann.“1

1.1 Sieg des Kapitalismus?

Wir leben in verwirrenden Zeiten.

Marxisten sind davon überzeugt, dass der Kapitalismus eine vorübergehende Wirtschafts- und Gesellschaftsform ist, die gekennzeichnet ist durch den antagonistischen Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit. Daraus ergibt sich der historische Auftrag der Arbeiterklasse, durch organisiertes politisches Handeln die Macht zu ergreifen und sozialistische Gesellschaften zu schaffen, die den Kapitalismus überwinden. In diesen Gesellschaften können sich die Grundlagen für eine neue Gesellschaftsordnung entwickeln, einer Gemeinschaft, in der die Früchte der Arbeit allen Menschen in gleicher Weise zugute kommen, und die Entfremdung der Menschen von ihrer Arbeit, der Gesellschaft, sich selbst und der Natur aufgehoben werden kann. Marxisten sind davon überzeugt, dass die Vorstellung einer solchen – kommunistischen – Gesellschaft keine unerreichbare Utopie, sondern wissenschaftlich abzuleiten ist aus der Analyse der Geschichte und Gegenwart menschlicher Entwicklung, auf der Grundlage der Produktivkraftentwicklung. Im kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem reift das neue – sozialistische – heran.2

Wer als Sozialist diese Auffassung teilt und vielleicht zeitlebens zur Überwindung des Kapitalismus beizutragen strebte, ist heute enttäuscht.

Der Kapitalismus hat weltweit gesiegt. Alle wollen Kapitalismus, Globalisierung und Auslandsinvestitionen. In vielen Gegenden der Welt sind beeindruckende Wachstumszahlen zu verzeichnen, und der Lebensstandard vieler Menschen verbesserte sich stark. Sozialismus schien lange Zeit out zu sein. Weiterlesen

Jacques Baud zur Nato

Am 1. Juli erschien im Postil-Magazin ein neues Interview von Thomas Kaiser mit Jacques Baud: The West’s Debacle in Ukraine. Das gesamte Gespräch ist lesenswert. Den Teil zur Nato habe ich mit Hilfe von DeepL übersetzt.

[…]

K: Dass die Realität missverstanden wird, zeigt sich auch im Fall der NATO. Die Verantwortlichen erklären nur zu gerne, dass die NATO den Frieden bewahrt und Freiheit und Sicherheit in Europa garantiert.

JB: Diese Aussagen müssen relativiert werden. Zunächst einmal ist die NATO keine Friedensorganisation. Die NATO ist im Grunde eine Atommacht-Organisation, wie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte. Das ist der Zweck der NATO – Verbündete unter den nuklearen Schirm zu stellen. Die NATO wurde 1949 gegründet, als es nur zwei Atommächte gab – die USA und die UdSSR. Zu dieser Zeit war eine Organisation wie die NATO gerechtfertigt. Auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gab es Menschen, die den Krieg wollten. Das war der Fall unter Stalin, aber auch in den Vereinigten Staaten.

TK: Einige westliche Politiker wollten den Krieg fortsetzen? Weiterlesen

Wenn der Westen nicht so bösartig gewesen wäre …

Stellen wir uns vor, wie es hätte sein können, wenn der Westen nicht so bösartig gewesen wäre, sondern so gut, wie viele das damals Anfang der 90er geglaubt haben.

Nehmen wir mal an, Russland wäre so gewesen, wie es war, und hätte sich mit Putin so entwickelt, wie es auch passiert ist, nur ohne die immer schärfere Konfrontation durch die noch zu beschreibenden Bösartigkeiten des Westens.

Was hätte der weniger böse Westen anders gemacht?

  • Die NATO hätte sich nicht nach Osten erweitert, sondern wäre dageblieben, wo sie war, wie es auch damals mündlich versprochen wurde.
  • Der Westen hätte darauf gedrungen, dass in den ehemals sowjetischen Ländern die russischsprachigen und ethnisch russischen Bevölkerungsteile das auch in Westeuropa übliche Recht auf ihre eigenen Sprache als Amtssprache und Unterrichtsprache erhalten, dass sie selbstverständlich gleichberechtigte Staatsbürger sind, und dass sie über die notwendige Autonomie verfügen, bestehende kulturelle und wirtschaftliche Bindungen mit Russland aufgrund der sowjetischen Vergangenheit aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.
  • Der Westen hätte darauf gedrungen, dass in allen osteuropäischen Ländern neonazistische Parteien, Organisationen, Aktivitäten und Symbole verboten werden, ganz ähnlich wie das auch in anderen westeuropäischen Ländern üblich ist.

Eins ist klar: Den Krieg, den wir heute haben, hätte es nicht gegeben.

Am Samstag wird demonstriert

Die Friedensbewegung verurteilt gemeinsam mit einem Großteil der Staaten der Welt den russischen Angriff auf die Ukraine.

Wer vorbehaltlos den russischen Angriff ablehnt, die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen fordert und dabei jede Vorgeschichte ausblendet, weil wir jetzt ‚vorbehaltlos zur Ukraine stehen müssen‘, verbaut jede Möglichkeit auf eine friedliche Lösung, die nur möglich ist, wenn die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden, und verbündet sich u.U. auch mit den starken faschistischen Gruppierungen in der Ukraine, die unter dem Slogan ‚Slava Ukraini‘ mitdemonstrieren. (Das wäre freilich „nur“ die Duldung und nicht die aktive Unterstützung, nun ja. Das Facebook jetzt hate-speech Ausnahmen zulässt, wenn es um Russen geht, ist da schon eine andere Nummer.)

Natürlich ist es ein großer Unterschied, ob man vorbehaltlos politisch zur Ukraine steht oder vorbehaltlos Anteil am Leid der betroffenen Menschen nimmt, letzteres sollte für jeden Menschen selbstverständlich sein. Meine diesbezüglichen Vorbehalte haben nichts mit den betroffenen Menschen sondern mit der extrem selektiven Wahrnehmung des menschlichen Leids zu tun: zunächst dem in der Ukraine selbst, sehr deutlich bei Scholz‘ Bemerkungen zur Lächerlichkeit der Genozid-Vorwürfe im Donbass (siehe dazu 220223 Dagmar Henn über Genozid im Donbass). Die Indifferenz gegenüber dem Leid anderswo auf der Welt ist mir aber ebenso unerträglich und läuft m.E. auf Rassismus hinaus, wenn man auch entschuldigend anführen könnte, dass unsere Wahrnehmung stark propagandistisch beeinflusst wird.

Wer jedoch den russischen Angriff vorbehaltlos als Angriffskrieg verurteilt und die Vorgeschichte kennt, muss die Frage stellen, welche nicht-militärischen Alternativen Russland gehabt hätte, nachdem 8, streng genommen 15 Jahre lang alle diplomatischen Bemühungen gescheitert sind, während die Ukraine immer weiter aufgerüstet, die Armee durch westliche Militärberater geschult und alle Flughäfen und auch der ukrainische Flottenstützpunkt auf Nato-Standards gebracht sowie der Natobeitritt zum Verfassungsziel gemacht wurden. Weiterlesen

Capital and Imperialism

Kapitalismus und Globalisierung gehören zusammen. Nur die imperialistischen Arrangements haben sich im Verlauf der Geschichte geändert.

Der Kapitalismus ging nicht nur historisch aus einem vorkapitalistischen Umfeld hervor, mit dem er interagierte und das er für seine eigenen Zwecke modifizierte, sondern seine Existenz und Expansion hängt bis heute von der Interaktion mit einem vor- bzw. nicht-kapitalistischem Umfeld ab.

So lautet die Grundthese des Buches Capital and Imperialism von Utsa und Prabhat Patnaik1. Die indischen marxistischen Ökonomen, Kollegen und Eheleute lehrten bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2010 am Centre for Economic Studies and Planning der School of Social Sciences der Jawaharlal Nehru University in Neu Delhi.

Ulrike Simon hat das Buch gelesen und schreibt:

Wer den Kapitalismus, wie die meisten Ökonomen, auf die Elemente Kapital – Arbeit – Markt mit dem Staat als Schiedsrichter reduziert, so die Autoren, kann ihn nicht wirklich verstehen. Vielmehr hat dieses Wirtschaftssystem, wie besonders Rosa Luxemburg erkannte und Michal Kalecki später theoretisch untermauerte, schon immer ein ‚außen‘ gebraucht und braucht es noch: den Staat, nicht-kapitalistisch organisierte gesellschaftliche Sektoren und vor allem die „Peripherie“, die Länder des Südens und deren noch nicht vollständig der Kapitallogik unterworfene Bevölkerungen und Wirtschaftsbereiche. Weiterlesen