Hyperimperialismus – ein gefährliches, dekadentes Stadium des Kapitalismus
Das Tricontinental: Institute for Social Research hat eine sehr interessante Studie herausgegeben: Hyper-Imperialism: A Dangerous Decadent New Stage. Besonders beachtenswert sind die differenzierten datenuntermauerten Analysen des unter US-Führung konsolidierten imperialistischen Blocks und des Globalen Südens, wie ich sie bisher nirgendwo sonst gesehen habe.
Dem imperialistischen Block werden 49 Staaten zugeordnet, die je nach dem Grad ihrer Einbindung ins imperialistische Zentrum in 4 Kreise unterteilt werden. Sie alle haben eine mehr oder weniger brutale Vergangenheit als Kolonialmächte. Der „Rest der Welt“ wird pauschal als „Globaler Süden“ bezeichnet, auch wenn Russland und Belarus dazu gerechnet werden, und wird in 6 Gruppen eingeteilt. Trotz ihrer großen Verschiedenheit haben alle dort eingeordneten Staaten gemeinsame Interessen, die in der Studie identifiziert werden.
Schwindelig kann einem werden beim Vergleich der Militärausgaben und -stützpunkte. Weiterlesen
Und wo bleibt die Transformation?
Frank Deppe hat ein lesenswertes neues Buch geschrieben: Zeitenwenden? Der „neue“ und der „alte“ Kalte Krieg
In drei Kapiteln (1. Vom Geist der Zeit: Polykrise, Epochenbruch, Zeitenwende, 2. Der alte Kalte Krieg, 3. Der neue Kalte Krieg) umreißt er differenziert die heutige Weltlage und vergleicht sie mit der Situation im „alten“ Kalten Krieg.
Auch wenn sich an manchen Stellen Diskussionsbedarf und Widerspruch regt, z.B. in seinen Ausführungen zu Russland als relativ schwachem Land und zur Einschätzung des American Empire als immer noch im Vergleich sehr starkem Akteur, ist das Buch doch ein sehr guter Ausgangspunkt, um „verzweifelte, vorsichtig tastende Versuche zur Formulierung linker Politik“ zu unternehmen, wie er in einem mündlichen Vortrag zu seinem Buch sagte. Weiterlesen
Und wieder einmal: Meinungsfreiheit.
Tucker Carlsons Interview mit Putin wurde in den westlichen Medien als äußerst problematisch behandelt, und er muss sogar Sanktionen befürchten.
Die Frankfurter Rundschau schrieb z.B.:
„Propaganda statt Pressefreiheit: Carlsons Interview spielt Wladimir Putin in die Karten
Seine Entscheidung, Putin ein Forum zu bieten, wird von vielen als problematisch angesehen, insbesondere angesichts der zunehmenden Repressionen gegen Journalistinnen und Journalisten in Russland. Carlson hat sich gegen die Vorwürfe verteidigt, indem das Gespräch als Beitrag zur Pressefreiheit bezeichnete.“ Und
„Carlson wurde mehrfach beschuldigt, Putins Führung und den Einmarsch in die Ukraine zu verteidigen, wofür er von Kreml-Propagandisten gelobt wurde. Kritikerinnen und Kritiker warfen ihm vor, Putin und anderen autoritären Führern Unterstützung zu bieten und seine Positionen in russischen Staatsmedien zu verbreiten.“
Die Idee, dass es falsch sei, Menschen mit „gefährlichen“ Ideen, ein Forum zu bieten, ist auch hierzulande weit verbreitet. Das führt dazu, dass viele Stimmen in den öffentlichen Medien nicht zu Wort kommen, und sich die Meinungskorridore immer stärker verengen. Und auch „Liberale“ fordern und begrüßen zunehmend direkte Repression: Auftrittsverbote, Sendeverbote, wie z.B. von RT, aber vor allem auch die Kontrolle der sozialen Medien.
Einem, der so „tickt“, schrieb Scott Ritter auf Twitter*: Weiterlesen
Die Außenministerin von Südafrika zum IGH-Urteil
Nach der Urteilsverkündung gab Ministerin Naledi Pandor eine Pressekonferenz:
P.: Well by the fact that the court says „Remember that today we’re not deciding about the allegation of genocide, what we’re dealing with other provisional measures“ it’s clear that the court does say circumstances exist where it is plausible that genocidal acts have been committed. This of course means, once the merit case is addressed, and if the finding is that there has been genocide, those states that have aided and abetted become a party to Commission of an Infringement in terms of the convention.
Q.: Do you think Israel will conform to the orders laid down by the court today?
P.: I’ve never really been hopeful about Israel, but Israel has very powerful friends who I hope will advise Israel that they should act.
Zur Entscheidung des Internationalen Gerichtshof zu Gaza
Nach diesem Bescheid kommt keiner mehr um den Vorwurf des Genozids mehr drum herum. Man kann das nicht mehr einfach mit einer wegwerfenden Geste abtun. „Genocide Joe“, die Parole, die Biden in seinem Wahlkampf folgt, gerufen von seiner demokratischen Jugend, ist höchstgerichtlich bestätigt worden, auch von der US-amerikanischen Richterin. Den Vorwurf des Genozids hat das Gericht für plausibel gehalten, denn das war die Voraussetzung dafür, Israel dazu aufzufordern, genozidale Handlungen zu unterlassen. Dazu gehört auch, dass Israel angehalten ist, den Verlautbarungen genozidaler Absicht seines Führungspersonals, auch seines Präsidenten, juristisch entgegenzutreten.
Das Gericht lässt sich von Israel in einem Monat berichten, inwieweit Israel seinen Anordnungen, die unmittelbar geltendes Völkerrecht darstellen, nachgekommen ist.
Die Konvention zum Völkermord ächtet auch ausdrücklich die Beihilfe. Waffenlieferungen an einen Staat, der dabei ist, einen Völkermord zu begehen, ist vermutlich Beihilfe. US-Führungspersonal (und auch deutsches) läuft Gefahr, sich der (justiziablen!) Beihhilfe schuldig zu machen.
Alles in allem ein großer Erfolg der Südafrikaner und dabei ein großer Schritt in Richtung multipolare Welt. Aber das Gericht ist nicht den letzten eigentlich logischen Schritt gegangen, nämlich einen sofortigen Waffenstillstand anzuordnen.
Es stimmt natürlich, dass das den Menschen in Gaza nicht unmittelbar hilft. Aber das hätte vermutlich die Anordnung eines Waffenstillstands auch nicht getan. Die USA und Israel haben sich schon immer über Völkerrecht hinweggesetzt. Aber sie finden immer weniger Unterstützer, und das stimmt hoffnungsvoll.
Es war nicht zu erwarten, dass das Gericht einstimmig dem südafrikanischen Antrag folgt, mit sechs Richtern mehr oder weniger aus NATO-Ländern (wenn man Japan und Australien dazuzählt). Ich hätte zumindest knappere Entscheidungen erwartet. Aber die Entscheidungen sind weitgehend einhellig ausgefallen. Nur die Richterin aus Uganda und der Israeli haben überhaupt dagegen gestimmt, wenn ich das richtig mitgekriegt habe. Das heißt, (fast) alle sind der südafrikanischen Argumentation gefolgt, dass ein Genozid droht. Die Belege für die Absicht haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt (die Ansagen von Leuten aus Netanyahus Kabinett).
Notwendiger Krieg gegen den Terror oder Genozid?
Eine gekürzte Version dieses Artikels erschien diese Woche auf Makroskop.
Eine zivilisierte Debatte?
Wie Bundeskanzler Scholz vor kurzem bestätigte: Die Unterstützung der Sicherheit Israels ist in Deutschland Staatsräson. Konkret bedeutete dies, so ein bei DW veröffentlichter Artikel, dass Deutschland, wie andere Verbündete auch, Israels Recht auf Selbstverteidigung und die daraus folgenden Maßnahmen im Gazastreifen unterstütze. Das könne sich aber u.U. als problematisch herausstellen. Denn was auch immer Deutschland über sein intrinsisches Recht sagen möge, an der Seite Israels zu stehen, entbinde das Land jedoch nicht von seiner Verantwortung, das humanitäre Völkerrecht, das die Mittel der Kriegsführung regelt, zu beachten und dafür einzutreten.
Angesichts der großen Relevanz des Themas, nicht nur wegen der durch Terror und Krieg ausgelösten humanitären Katastrophe, sondern auch der großen Gefahr der regionalen Ausweitung des Konfliktes mit den zu erwartenden Opfern und Flüchtlingswellen, der Gefährdung der Sicherheit unserer Energieversorgung und der internationalen Transportkorridore, wünscht man sich dazu eine breite, kontroverse Debatte in Politik und Gesellschaft. Die aber ist schwierig, da die Kritik an der Politik Israels sehr schnell mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird, in Deutschland ein strafrechtlich zu verfolgendes Delikt. Weiterlesen
Wider die Alternativlosigkeit
Im Folgenden eine – nicht von Fabio De Masi autorisierte – Zusammenfassung seines Vortrages bei einer Veranstaltung von Martin Sonneborn.
Ich betone die Nichtautorisierung, weil ich den Artikel aus der Rolle einer Ghostwriterin geschrieben habe.
Ich würde ihn zusätzlich gerne fragen, welches Interesse aus seiner Sicht die Finanzmärkte an der staatlichen Sparpolitik haben. Im Text kommt das nur im Zusammenhang mit dem geplatzten Deal zur Transaktionssteuer zur Sprache.
Demokratie versus Finanzmärkte
Nach der Finanzkrise 2008 gab es die Hoffnung, dass die – aufgrund politischer Entscheidungen – seit Mitte der 70er und Anfang der 80er Jahre immer mehr entfesselte Macht der Finanzmärkte zurückgedrängt werden würde. Das geschah aber nicht, und das wiederum hat ernste Folgen für die Demokratie und die sozialen Verhältnisse in Deutschland und Europa.
Im Jahre 2012 wurde z.B. im Bundestag unter der Regierung Merkel der Fiskalpakt verabschiedet, die europäische Schuldenbremse, die die EU-Mitglieder dazu verpflichtet, bestimmte Obergrenzen für die Staatsverschuldung einzuhalten. Dazu war eine Änderung des Grundgesetzes notwendig, die die Zustimmung von SPD und Grünen erforderte. Der Pakt beinhaltete den Deal, dass die Staaten einen Teil ihrer Haushaltskontrolle abgeben, im Gegenzug jedoch die Finanztransaktionssteuer eingeführt wird. Der Fiskalpakt wurde verabschiedet, die Finanztransaktionssteuer jedoch – noch immer – nicht; und, trotz der Versprechungen von Olaf Scholz, wurde sie auch nicht Bestandteil des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition. Weiterlesen
Let it be a tale
Let it be a tale
If I must die,
you must live
to tell my story
to sell my things
to buy a piece of cloth
and some strings,
(make it white with a long tail)
so that a child, somewhere in Gaza
while looking heaven in the eye
awaiting his dad who left in a blaze—
and bid no one farewell
not even to his flesh
not even to himself—
sees the kite, my kite you made, flying up
above
and thinks for a moment an angel is there
bringing back love
If I must die
let it bring hope
let it be a tale
R.I.P. Refaat Alreer
Frieden ist nur möglich, wenn Israel in den völkerrechtlich anerkannten Grenzen leben kannn
Piers Morgan, Gastgeber der Show Uncensored beim britischen Kanal TalkTV, sprach mit dem in Ungarn geborenen kanadischer Mediziner Gabor Maté, dessen jüdische Familie nur knapp der Deportation unter der deutschen Besatzung entging. Er hat sich auf die Themen Sucht und Abhängigkeit und die Zusammenhänge von Stress, Sucht, Immunsystem, chronischen Erkrankungen und Traumata in der Kindheit spezialisiert. Hier eine Zusammenfassung.
Der Gastgeber fragte zunächst, wie Maté als Arzt, der mit vielen schwerst traumatisierten Menschen gesprochen und ihnen über ihre Erlebnisse hinweg geholfen habe, die Entwicklungen in Israel und Gaza einschätze. Schließlich befänden sich die Menschen in Israel und Gaza in einer extrem traumatischen Situation. Das gälte für beide Seiten, für die Menschen, die am 7. Oktober Opfer des Hamas-Massakers waren sowie die Geiseln und ihre Familienangehörigen, aber auch für die Menschen in Gaza, wo als Folge der militärischen Antwort Israels Tausende von unschuldigen Menschen getötet würden, darunter Tausende von Kindern.
Man könne die Situation nur in ihrem historischen Kontext verstehen, erläutert Maté. Als Holocaust-Überlebender sei ihm früher der Zionismus als Weg zur Erlösung des jüdischen Volkes sehr wichtig gewesen. Dann aber habe er herausgefunden, dass die Gründung des Staates Israel mit der Vertreibung und mehrfachen Massakern an der lokalen Bevölkerung einherging, was historisch nicht bestreitbar sei. Aber auch heute lebten die Palästinenser unter israelischer Besatzung.