Alice im Wirtschaftswunderland – 2

Erscheinen am 26. Januar bei Makroskop

Von einer, die auszog, das Thema Inflation zu verstehen, und dabei in einem Kaninchenbau landete.

„Keynesianischer Dampf!“ Alice schreckt auf. Wo ist sie? Ach so, sie ist ja durch ein Kaninchenloch ins Wirtschaftswunderland gerutscht. Beim Vortrag von Hans-Werner Sinn muss sie doch tatsächlich eingenickt sein. Jetzt aber ist sie wieder hellwach.

Staatsausgaben wirken grundsätzlich inflationär, erklärt Sinn, weil sie zusätzlichen Dampf in die Wirtschaft blasen. Schon jetzt sei nach den Corona-Hilfen, bei denen Geld in Umlauf kam, ohne dass etwas produziert wurde, unsere Wirtschaft überhitzt. Da sei jeder zusätzliche Euro fatal, weil inflationstreibend. Die neue Regierung zeige jedoch keine Einsicht, offiziell halte man an der schwarzen Null fest, inoffiziell nutze man alle Tricks, um sie zu umgehen, etwa über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). So würden jetzt auch für Corona-Hilfen vorgesehene EU-Gelder umgewidmet zur Unterstützung der Energiewende.

Alice hat so ihre Zweifel. Die deutschen Unternehmen scheinen seinen Optimismus nicht zu teilen. Das Ifo-Institut zum Beispiel korrigierte gerade seine Wachstumsprognosen für Deutschland nach unten. Weiterlesen

Alice im Wirtschaftswunderland – 1

Von einer, die auszog, das Thema Inflation zu verstehen, und dabei in einem Kaninchenbau landete.
Erschienen am 19. Januar bei Makroskop

Nach der Theorie der rationalen Erwartungen ist staatliche Wirtschaftspolitik überflüssig, wenn nicht sogar schädlich, da sich am Markt das optimale Gleichgewicht über das rationale Handeln der Wirtschaftssubjekte einpendelt. Dabei kann das Handeln eines Subjekts als repräsentativ für alle anderen angesehen werden. Der Anspruch an uns Subjekte ist somit hoch:

„[…] alle Individuen in einer Volkswirtschaft (Arbeitnehmer, Unternehmer, Konsumenten, Anleger) [nutzen] die gesamten verfügbaren Informationen, die ihnen von Wirtschaftsforschungsinstituten, Fachzeitschriften, Zentralbanken, Regierungen usw. bereitgestellt werden, und verarbeiten diese. Sie – Professoren ebenso wie ökonomische Laien – sind damit in der Lage, qualifizierte Vorhersagen darüber zu treffen, wie sich wichtige ökonomische Größen wie Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit, Inflation, Löhne, Zinsen, Aktien- und Güterpreise etc. in der Zukunft entwickeln werden, und auf dieser Grundlage Kauf-, Anlage- oder Arbeitsentscheidungen vorzunehmen. Das verfügbare, umfassende Informationsmaterial allein reicht dabei nicht aus; es muss auf Basis eines ökonomischen Modells korrekt interpretiert werden. Angenommen wird von der Theorie der rationalen Erwartungen deshalb, dass alle Wirtschaftssubjekte bei ihrer Erwartungsbildung das eine ‚richtige‘ ökonomische Modell wählen.“

Als ‚repräsentatives Wirtschaftssubjekt‘ wähnte sich Alice bei der Einschätzung der gegenwärtigen, deutlich spürbaren Preiserhöhungen zunächst als gut aufgestellt, hatte sie doch bei MAKROSKOP in Günther Grunerts Artikel gelesen, dass mittel- und langfristig keine Inflationsspirale zu erwarten sei, dass wir es mit einem temporärem Phänomen zu tun hätten, das vor allem auf die Verwerfungen der Corona-Krise zurückzuführen wäre, und Zinserhöhungen durch die Zentralbank zur Inflationsbekämpfung aktuell weder hilfreich noch wirksam seien.

Damit konnte sie in der Diskussion jedoch nicht so richtig punkten, und wurde unter anderem auf Vorträge von Hans-Werner Sinn und Sahra Wagenknecht verwiesen. Weiterlesen

Marx, MMT und linke Strategie

Ab heute erscheinen auf Makroskop in loser Folge Artikel von mir zum Thema der Überschrift (So ist jedenfalls der Plan, zwei Artikel sind fertig, weitere von den Umrissen her angedacht). Jeweils eine Woche nach Veröffentlichung sind sie dann hier zu lesen.

Die Idee zu meiner Artikelreihe entstand beim Lesen und Übersetzen zweier Blogbeiträge von William Mitchell mit den Titeln „(Modern) Marx and MMT part 1 and part 2“. Und nach seinem Blogtext „Marx‘ Traum rechtfertigt es nicht, das alltägliche menschliche Leid zu ignorieren“ (hier meine Übersetzung).

Für Makroskopen selbstverständlich ist, dass erfolgreiche politische Praxis und Strategie im Interesse der Bevölkerungsmehrheit (und auch eine gegen die Erderhitzung) eine tragfähige ökonomische Theorie als Grundlage braucht, und diese verständlich kommuniziert werden muss. Weiterlesen

Wirtschaft für das eine Prozent?

Für alle, denen vielleicht das Transkript etwas zu lang ist, hier meine Zusammenfassung der Debatte Piketty-Hudson, die am 23-10-2021 bei Makroskop erschienen ist. In der Beschreibung sind sich die beiden einig, nicht unbedingt aber darüber wie das zu erklären und was zu tun ist.

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Die große Schuldendebatte – ein Gespräch zwischen Michael Hudson und Thomas Piketty

Die Debatte wurde anlässlich des 1. Todestages von David Graeber organisiert, als erster Kampf im Fight Club im Rahmen des Museums of Care, einem Projekt, das von ihm und seiner Frau Nika Dubrovsky  auf die Beine gestellt wurde. Sie wurde hier und bei der RSA (royal society for arts, manufactures and commerce) veröffentlicht, von Lynn Parramore moderiert und von David Graeber’s Witwe Nika eingeleitet. Bei The Vinyard of the Saker sind Debatte und das hier übersetzte und mit Nikas Erlaubnis veröffentlichte Transkript  ebenfalls  zu finden.

Viel Spass beim Lesen! Es lohnt sich, trotz der relativen Länge des Texts. Weiterlesen

Grenzen der Währungssouveränität in Entwicklungsländern

Verstrickt in unsere eigenen Covid- und Post-Covid-Debatten wagen wir Europäer vielleicht zu selten den Blick über den Tellerrand in andere Gegenden der Welt. Über die Proteste in Kuba wird ausführlich berichtet. Dass das Land seit 60 Jahren unter harten Wirtschaftssanktionen leidet, und es den Kubanern trotzdem gelang, zwei funktionierende Covid-Impfstoffe zu entwickeln, scheint weniger interessant; ebenso wenig wie das Leiden der Bevölkerungen in Staaten der ‘Achse des Bösen‘, wie z.B. Syrien, Iran und Venezuela. Es fehlt an allem: Strom, Medikamenten, Spritzen, was in der Regel als Versagen der Regierungen, nicht aber als Folge der Sanktionen dargestellt wird.

Aber auch in den vielen Entwicklungsländern, die nicht unter Sanktionen stehen, führt die Epidemie zu hohen Krankheits- und Todesfällen und großen Wirtschaftseinbrüchen, und im Gegensatz zu den Industriestaaten ist eine Entspannung der Lage durch hohe Impfzahlen nicht in Sicht. Die Impfstofflieferungen lassen auf sich warten, sind kostspielig, die Produktion im eigenen Land ist wegen des Patentschutzes nicht möglich, und seitens des Westens wird Druck gegen den Import alternativer Impfstoffe aus Russland und China ausgeübt, Länder denen Impfstoffdiplomatie mit Hintergedanken vorgeworfen wird. Weiterlesen

Anatol Lieven zu Kapitalismus, Nationalstaat, Klimawandel

Ich habe gelesen:
Lieven, Anatol. Climate Change and the Nation State. Penguin Books Ltd. Kindle-Version, erschienen im März 2020

Wie es der Titel sagt, begründet der ‚politische Realist‘ Lieven, warum Nationalstaaten und der nationale Zusammenhalt der jeweiligen Bevölkerungen nötig sind, um den Klimawandel und dessen Folgen zu bekämpfen. Er hält es für einen fatalen Fehler, dass viele Klimaaktivisten Nationalstaaten als reaktionär und Bedrohung für den Frieden ansehen. Auf der anderen Seite seien viele rechtspopulistische Nationalisten ‚Klima-Leugner‘, obwohl sie eigentlich erkennen müssten, dass die Folgen des Klimawandels, die Millionen Menschen zur Migration zwingen werden, die Realisierung ihres Wunsches, in dem jeweiligen Nationalstaat unter sich bleiben zu können, massiv bedroht.

Aber auch die Verknüpfung von Klimaaktivismus und grundsätzlichem Antikapitalismus hält er für blauäugig. Weiterlesen

China und Russland starten eine ‚globale Widerstandsökonomie‘

von Alastair Crook, 5. April 2021, iübersetzt von Ulrike Simon

Beginn der Übersetzung:

Sun Tzu’s ‚Die Kunst des Krieges‘ (ca. 500 v. Chr.) rät:

„Uns gegen eine Niederlage zu sichern, liegt in unserer eigenen Hand; doch die Möglichkeit, den Feind zu besiegen, bietet der Feind selbst … Deshalb setzt der kluge Kämpfer seinen Willen durch und lässt sich nicht den Willen des Feindes aufzwingen“.

Dies ist die Essenz der chinesischen Widerstandsökonomie – eine Strategie, die im Gefolge der Anchorage-Gespräche vollständig enthüllt wurde;

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