Die ukrainische Tragödie

Heute erschien bei Makroskop mein Artikel auf Basis des gleichnamigen Buchs von Nikolai N. Petro. (Hier eine pdf-Version)

Der Autor weist nach, dass der Ukraine-Krieg ein „internationalisierte Bürgerkrieg“ ist, in den weder Russland, noch der Westen aus rein moralischen Erwägungen involviert sind.

Im Westen herrscht die Meinung vor, dass Putin in seinen Reden die gemeinsame slawische Vergangenheit mit den ukrainischen Bürgern beschwöre, um seine imperialen Interessen an der Krim und dem Donbass, und womöglich gar der gesamten Ukraine zu rechtfertigen.

Putin selbst hingegen bezeichnet die von Petro dargestellte „Auslöschung der russischen Kultur“ als „Genozid“ und leitet daraus sein Kriegsziel der „Denazifizierung“ ab. Das fand Bundeskanzler Scholz „lächerlich“. Aber, unabhängig von den Begriffen und davon, ob Putin die Situation nur als Vorwand nutzt – das westliche Narrativ blendet eine große Gruppe ukrainischer Bürger und deren Kultur vollkommen aus, wie Petro verdeutlicht.

Seit dem Maidan basiere, so Petro,

„die Kulturpolitik der ukrainischen Regierung […] auf der Annahme, dass die kulturelle Einheit nur durch die Auslöschung der russischen Kultur, Sprache und Identität innerhalb der Ukraine erreicht werden kann. Diese Annahme steht im Mittelpunkt der staatlichen Politik in den Bereichen Sprache, Religion und historische Bildung …“ (Übers. d. V.)

Dass die Ukraine zum Spielball geopolitischen Auseinandersetzung werden konnte, ist Petros Einschätzung zufolge hauptsächlich auf die tiefe Spaltung zwischen den galizischen und ost-ukrainischen Bevölkerungsgruppen zurückzuführen. Und so toben in der Ukraine zwei Konflikte – der nationale und der geopolitische.

Paradigmenwechsel

Hier ein weiteres Kapitel aus meinem geplanten Opus:

Als 68er waren wir nicht die erste Generation, die der Faszination des Marxismus erlagen. Das Versprechen war, im Gesamtzusammenhang verstehen zu können, was die Welt im Innersten zusammenhält: Die Menschwerdung durch Arbeit, die Entwicklung der Mensch-Natur-Beziehungen, der Beziehungen der Menschen zueinander und der kulturellen und politischen Verhältnisse im Zusammenhang mit den Produktionsverhältnissen im Laufe der Geschichte, die Ungleichheit, die Ungerechtigkeiten und die Kämpfe. Die konkrete Utopie. Und was zu tun ist, um dorthin zu gelangen.

Gräber/Wengrow1 zeigen an archäologischen Funden, wie viel komplexer das alles im Vergleich dazu ist, wie wir es beim Marx/Engels Studium gelernt bzw. verstanden haben. Denn vermutlich hätten die beiden – konfrontiert mit der Faktenlage – alles viel differenzierter gesehen. Weiterlesen

Kann man mit Putin verhandeln?

Gestern erschien bei Makroskop mein Artikel über das Interview mit dem ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten.

(Hier eine pdf-Version)

Jürgen Habermas plädiert für Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs, es gäbe aber „bisher keine Anzeichen dafür, dass Putin sich darauf einlassen würde.“1 Zumindest bei Kriegsbeginn war das anders. In die damaligen Friedensverhandlungen gibt das ausführliche Interview mit Naftali Bennett einen wichtigen Einblick.

Gegen den völkerrechtswidrigen Überfall auf einen souveränen Staat hilft nur Gegengewalt. Aus diesem Grund ist die westliche Allianz nicht nur berechtigt, sondern sogar politisch dazu verpflichtet, der Ukraine mit allen ihr möglichen Mitteln beizustehen. Verhandlungen mit dem Aggressor sind nicht zu rechtfertigen. Russland darf nicht siegen.

Diese Auffassung bestimmt die aktuelle politische Diskussion in den westlichen Ländern. Gespräche über einen Waffenstillstand oder gar eine Friedensregelung seien zudem nicht möglich, da es auf keiner Seite die Bereitschaft dazu gäbe.

Derlei Erwägungen hielten den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett nicht davon ab, sich als Vermittler einzuschalten. Weiterlesen

Sozialismus oder Barbarei?

Das ist das zweite Kapitel meines Buchprojekts.

Inhaltsverzeichnis
2 Sozialismus oder Barbarei?…………………………………………………………………………………………………1
2.1 Ohne Sozialismus geht es nicht…………………………………………………………………………………….1
2.2 Keine Emanzipation im Zentrum ohne die der Peripherie………………………………………………..3
2.3 Parasitäre Vergesellschaftung……………………………………………………………………………………….5
2.4 Rentiers sind so alt wie die menschliche Zivilisation……………………………………………………….8
2.5 Eingehegter Kapitalismus?…………………………………………………………………………………………11

Ein Ausschnitt daraus:

Es ist nicht schwer, die Aufgabenstellung für sozialistische Politik zu formulieren.

Es muss lokal und weltweit konkret gelingen und dauerhaft gesichert werden, dass

  • Arbeit so gestaltet wird, dass sie gesellschaftlich nützlich ist,

  • Wirtschaft und Gesellschaft so strukturiert sind, dass ein Maximum an gesellschaftlich nützlicher Arbeit geleistet werden kann,

  • Arbeit gerecht verteilt und entlohnt wird,

  • die Ergebnisse dieser Arbeit so verteilt werden, dass sie der Bevölkerungsmehrheit und nicht einigen wenigen zugute kommt, und

  • die Reproduktion der Gemeinschaft und die natürlichen Voraussetzungen menschlichen Wirtschaftens, insbesondere ihre Energiebasis, auf einer zukunftsfähigen Grundlage stehen.

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Thesen zur Zeitenwende

Das sind unsere Überlegungen dazu

Ist die Menschheit wieder dort angelangt, wo sie vor gut 100 Jahren war, als große kapitalistisch-imperialistische Mächte gegen einander antraten, und Rosa Luxemburg fassungslos auf den (aus ihrer Sicht) Verrat der deutschen Sozialdemokraten reagierte, die im Reichstag den Kriegskrediten zustimmten? Weiterlesen

Das Ende der Diplomatie?

Die ukrainische Tragödie

Lesen Sie dazu auch: Michael von der Schulenburg: Der Ukraine-Krieg und unsere Verpflichtung zum Frieden

Diplomatie statt Krieg?

Vor einigen Tagen sprach der Musiker und Begründer der Band Pink Floyd Roger Waters vor dem Weltsicherheitsrat und forderte den sofortigen Stopp der Kriegshandlungen in der Ukraine. Das gleiche fordert das von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht verfasste „Manifest für Frieden“, das bereits breite Unterstützung gefunden hat. Diplomatie statt Krieg. Wer wie Roger Waters, der seinen Vater im Krieg verlor, weiß, was Krieg bedeutet und die Leoparden-Witze unserer „feministischen“ Außenministerin für abgrundlos zynisch hält, konnte bisher noch ein wenig stolz darauf sein, dass es schließlich die Europäer Angela Merkel und Francois Hollande waren, die in den Jahren 2014/15 mit den Minsker-Abkommen maßgeblich an der Aushandlung einer diplomatischen Lösung für den Ukraine-Konflikt beteiligt waren, und darin auch einen winzigen Hoffnungsschimmer für entsprechende künftige eigenständige europäische Initiativen sehen. Weiterlesen

Chris Hedges: Es gibt keine dauerhaften Verbündeten, nur dauerhafte Macht

Hier einige Ausschnitte aus dem Text von Chis Hedges in deutscher Übersetzung:

Am Sonntag, den 19. Februar, werde ich mittags am Lincoln Memorial in Washington sein, um auf der Antikriegskundgebung  Rage Against the War Machine zu sprechen . Dort werde ich von  Jimmy Dore ,  Dennis Kucinich ,  Ann Wright ,  Jill Stein ,  Max Blumenthal ,  Cynthia McKinney ,  Anya Parampil ,  David Swanson  und anderen linken Antikriegsaktivisten begleitet, mit denen ich seit vielen Jahren Plattformen teile. Zu mir gesellen sich auch  Ron Paul und  Scott Horton und rechtslibertäre Antikriegskämpfer, deren politische und kulturelle Meinung ich oft nicht zustimme. Die Einbeziehung des rechten Flügels hat dazu geführt, dass Antikriegsgruppen, die ich respektiere, wie Veterans for Peace (VFP), sich weigern, an der Kundgebung teilzunehmen. VFP gab eine Erklärung heraus, die mir am Freitag zugesandt wurde, in der es heißt, dass „die Unterstützung dieser Veranstaltung große Unruhe bei VFP verursacht und nur geringe Auswirkungen auf das Ergebnis der Demonstration gehabt hätte“. Der Vorstand von Code Pink  bat  seine Mitbegründerin  Medea Benjamin , eine der wichtigsten und effektivsten linken und Antikriegsaktivistinnen des Landes, ihre geplante Rede bei der Kundgebung abzusagen.

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22.2.2023, 20 Uhr: 600.000 Unterschriften für das „Manifest für Frieden“

Die Petition wurde am 10.2.2023 gestartet. Und immer noch kann man zusehen, wie die Unterschriftszahlen wachsen.

Laut Statista war die erfolgreichste Petition bis zum 31.1.2022 eine Petition für die Verbesserung der Pflegeversicherung mit ca. 206.600 Unterschriften. Ob das Manifest für Frieden 1 Mio. Unterschriften erreicht, wie die Initiatorinnen hoffen?

 

Und das leider wieder aktuelle Lied: Remember my forgotten man.

 

 

Der Dollar als Leitwährung

Der folgende Text ist aus meinem dritten Kapitel. Ich würde mich über kritisches Feedback freuen, weil ich selber nicht ganz zufrieden mit dem Text bin, vor allem scheint die Sache mit dem Petrodollar ja nicht zu stimmen – us

Textanfang:

Nirgendwo wird die Verquickung von Staatsmacht und Kapitalinteressen – auch heute noch – so deutlich wie am Status des Dollar als Leitwährung. Bei den Diskussionen um die Neuordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen nach dem 2. Weltkrieg hatte John Maynard Keynes die Einführung einer internationalen Verrechnungsunion (ICU) mit einer Bancor genannten, an die Währungen der Teilnehmer gekoppelten Leitwährung vorgeschlagen, deren Wert an Gold gebunden sein sollte. Damit zusammenhängend sollte es Mechanismen geben, die eine zu starke Verschuldung und zu starke Gläubigerstellung einzelner Länder verhinderten.1

Mit diesen Vorstellungen konnte er sich nicht durchsetzen. Leitwährung wurde der, zunächst an den Goldstandard gekoppelte, Dollar. Das verlieh den USA direkte finanzielle Vorteile und große Macht. Aktuelles Beispiel ist die Leitzinserhöhung der US-Zentralbank, was der Europäischen Zentralbank aus verschiedenen Gründen nicht in dem Maße möglich ist. Das Ergebnis ist ein Run der Anleger auf den Dollar und ein Kursverfall des Euro und anderer Währungen.2 Weiterlesen

Sozialistische Politik heute – die antiimperialistisch-realistische Sicht

Es sollte ein Aufsatz werden, doch es wird ein Buch. Zwei Kapitel muss ich noch schreiben. Aber „as“ meinte, ich solle es schon mal unvollständig zur Diskussion stellen, was ich hiermit mit der Veröffentlichung des ersten Kapitels tue. Der Rest folgt nach und nach.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 als pdf

1 Sozialismus: Notwendig aber bedeutungslos?

Die Menschen machen“, wie Marx einmal sagte, „ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“(MEW 8: 115) und innerhalb ihrer Grenzen. Falls jedoch die sozialistische Arbeiterbewegung wieder ihre Seele, ihre Dynamik und ihre historische Initiative zurückgewinnen sollte, dann müssen wir als Marxisten das tun, was Marx ebenfalls getan hätte: die neue Situation anzuerkennen, in der wir uns befinden, diese realistisch und konkret (und auch historisch spezifisch) analysieren, dabei auch die Gründe für das Scheitern wie für die Erfolge der Arbeiterbewegung erkunden – und nicht zu formulieren, was wir gerne getan hätten, sondern was unter diesen Umständen getan werden kann.“1

1.1 Sieg des Kapitalismus?

Wir leben in verwirrenden Zeiten.

Marxisten sind davon überzeugt, dass der Kapitalismus eine vorübergehende Wirtschafts- und Gesellschaftsform ist, die gekennzeichnet ist durch den antagonistischen Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit. Daraus ergibt sich der historische Auftrag der Arbeiterklasse, durch organisiertes politisches Handeln die Macht zu ergreifen und sozialistische Gesellschaften zu schaffen, die den Kapitalismus überwinden. In diesen Gesellschaften können sich die Grundlagen für eine neue Gesellschaftsordnung entwickeln, einer Gemeinschaft, in der die Früchte der Arbeit allen Menschen in gleicher Weise zugute kommen, und die Entfremdung der Menschen von ihrer Arbeit, der Gesellschaft, sich selbst und der Natur aufgehoben werden kann. Marxisten sind davon überzeugt, dass die Vorstellung einer solchen – kommunistischen – Gesellschaft keine unerreichbare Utopie, sondern wissenschaftlich abzuleiten ist aus der Analyse der Geschichte und Gegenwart menschlicher Entwicklung, auf der Grundlage der Produktivkraftentwicklung. Im kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem reift das neue – sozialistische – heran.2

Wer als Sozialist diese Auffassung teilt und vielleicht zeitlebens zur Überwindung des Kapitalismus beizutragen strebte, ist heute enttäuscht.

Der Kapitalismus hat weltweit gesiegt. Alle wollen Kapitalismus, Globalisierung und Auslandsinvestitionen. In vielen Gegenden der Welt sind beeindruckende Wachstumszahlen zu verzeichnen, und der Lebensstandard vieler Menschen verbesserte sich stark. Sozialismus schien lange Zeit out zu sein. Weiterlesen