Le Pen und unser Weltbild – Vorschlag für eine Debatte

Wer debattiert mit?

Diana Johnstone schrieb:

„In einem imaginären anderen Kontext hätte ein Mélenchon einen Kompromiss mit Le Pen vorschlagen können, um Macron zu besiegen und ein etwas sozialeres Programm zu verwirklichen. Da sich die beiden in der entscheidenden Frage der Außenpolitik – insbesondere der Vermeidung eines Krieges mit Russland – weitgehend einig waren, wäre es vielleicht möglich gewesen, gemeinsam eine Art „gaullistische“ Politik auszuarbeiten, die den Einfluss der extremen Mitte mit ihrer unerschütterlichen Loyalität zum Atlantischen Bündnis brechen würde. Dies würde nicht zu einer „Enteignung der Macht“ führen, sondern lediglich die Dinge aufrütteln. Es wäre die Wiedereinführung von Alternativen ins politischen Leben. Aber in Wirklichkeit hat Mélenchon die Wahl an Macron abgegeben. Und jetzt will er die Opposition gegen Macron anführen. Aber das tun auch Marine Le Pen und Eric Zemmour.“ (Übers. d. V.)

 

Zu einem evtl. Bündnis zwischen Mélanchon und Le Pen folgen nun Statements*

des linksliberalen,             des sozialistischen und          des anti-imperialistischen Lagers:

                  

*Die Statements sind aus meiner Kenntnis der aktuellen Debatten zusammengestellt. Vermutlich werden sie nirgends in dieser Reinkultur vertreten. Und insofern wird fast jede/r irgendeine Mischung dieser Thesen vertreten. Deswegen muss man ja darüber diskutieren. Über die Plausibilität der jeweiligen Aussagen genauso über die Stimmigkeit des Gesamtbildes.Die Bilder sind einfach nur zum Aufpeppen da.

 

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Wer sind die Kriegstreiber?

… und was passiert, wenn, wie es derzeit aussieht, keinerlei Aussicht auf Friedensverhandlungen besteht, und seitens des Westens darauf bestanden wird, dass der Krieg militärisch gewonnen werden muss, jede Menge Waffen geliefert werden (zu den entsprechenden Kriegstreibern hier ein aufschlussreiches Video) und die Schwächung Russlands durch einen lang ausgedehten Krieg ausdrücklich als Ziel genannt wird?

Dazu hat Alexander Mercouris mal wieder gute Worte gefunden, die ich vom Tapeskript übersetzt habe:

Beginn der Übersetzung (Hervorhebungen von mir):

Wenn die Europäer auf ihrem derzeitigen Ansatz beharren …
… wird es, ja, ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Not in Russland geben, obwohl Russland an wirtschaftliche Not gewöhnt ist und einen Plan hat, das durchzustehen, was übrigens mehr ist als die Europäer haben. Und natürlich hat Russland alle Ressourcen, die es in Bezug auf Energie, Nahrungsmittel und Rohstoffe braucht.

Also werden die Russen Not leiden. Aber die Ukraine wird zerstört werden, die europäische Wirtschaft wird verkrüppelt sein und mit langfristigen strukturellen Problemen zu kämpfen haben. Es ist schwer zu sehen, wie wir das überwinden können. Und viele junge Männer und vielleicht auch nicht mehr so junge Männer werden sterben. Ich kann die Logik davon überhaupt nicht verstehen. Aber die Entscheidung hängt von den europäischen Regierungen ab. Und ich muss sagen sie haben bisher keine guten Entscheidungen getroffen. Weiterlesen

Was sind die Wurzeln des ukrainischen Nationalbewusstseins?

as schrieb in einer Mail:

Ein Punkt über den man gern mehr wüsste: wie weit ist das nation building in der Ukraine schon fortgeschritten? Gibt es ein „Nationalbewusstsein“, das nicht von Hass gespeist ist? Also nation building unabhängig von den Nazielementen, etwas was alle Ukrainer in Ost und West gemeinsam haben? Es könnte ja auch sein, dass es in den Kreisen, russisch- und ukrainischsprachig, die nicht von Naziideologie angefressen sind, ein ukrainisches Nationalbewusstsein gibt, das nicht russophob ist. Auch im Donbass, aber kaum oder gar nicht auf der Krim, weil die wirklich russisch ist.

Heute las ich einen Abschnitt aus einem Artikel, der mich das für sehr unwahrscheinlich halten lässt. Womit ich keineswegs sagen möchte, dass alle Ukrainer so denken wie der geistige Vater der heutigen Ultranationalisten Dmytro Ivanovych Dontsov (1883 -1973). Nur, dass seit 1991 der ukrainische Nationalismus sich genau auf diese Wurzeln beruft, und die offizielle Ukraine einem Stepan Bandera Denkmäler setzt, Selensky diesen ausdrücklich als Nationalhelden würdigt, während alle anti-nazistischen Traditionen abgeschafft und verboten wurden, wie z.B. die Siegesparaden am 9. Mai. Weiterlesen

Europäischer Nabelschau-Pessimismus vs. asiatischer Optimismus

Ausschnitt aus einem Interview mit Kishore Mahbubani

Beginn der Übersetzung:

Kishore Mahbubani, Distinguished Fellow am Asia Research Institute der National University of Singapore, spricht über sein neuestes Buch The Asian 21st Century, [freier download] in dem er den Niedergang der USA mit dem Aufstieg der Plutokratie und den erneuten Aufstieg Asiens – nachdem es in den letzten 200 Jahren zurückgefallen war – mit seiner wachsenden Dynamik, seinem Optimismus und seiner Vielfalt in Verbindung bringt. Dies ist die 200. Folge des Podcasts Economics and Beyond mit Rob Johnson.

Der Armut entkommen

Kishore: Wissen Sie, ich bin in Singapur geboren und aufgewachsen und wissen Sie, als ich geboren wurde, war das Pro-Kopf-Einkommen in Singapur etwa so hoch wie das von Ghana, etwa 500 $, und Singapur war ein armes Dritte-Welt-Land. Und ich lebte in einer armen Familie in einem armen Dritte-Welt-Land, so dass ich im Alter von sechs Jahren in ein spezielles Ernährungsprogramm gesteckt wurde, weil ich technisch gesehen unterernährt war. Ich kann Ihnen sagen, dass der größte Wendepunkt in meinem Leben kam, als wir im Alter von 13 Jahren eine Toilette mit Wasserspülung bekamen, denn das Gefühl der Würde in Ihrem Leben verbesserte sich dramatisch, als Sie es einfach wegspülen konnten, anstatt zusehen zu müssen, wie dieser Berg im Laufe eines Tages in einem Kübel wuchs, der sich nie bewegte. Weiterlesen

… und der Nobelpreis Soziologie geht an …

… Klaus Dörre für die Entdeckung eines faschistischen Todeskults namens ‚Putinismus.

O-Ton (Zeitschrift ‚Sozialismus‘ 22-4):

Der Exterminismus Putins mischt Versatzstücke zaristischenGroßmachtstrebens mit panslawistisch-völkischem Nationalismus, Sowjetnostalgie und einem Weltbild, das dem Freund-Feind-Schema eines Carl Schmitt entspricht. Diese zusammen-gebastelte Ideologie soll expansive Absichten legitimieren, doch sie besitzt nichts Attraktives und verfügt über keinen Gesellschaftsentwurf, der positiv ausstrahlen könnte. Ihre Massentauglichkeit beruht auf nationalistischer Mobilisierung, orthodox-religiösem Fundamentalismus und Repression, kombiniert mit Führerverehrung, Gefolgschaft qua Unwissen und verbreiteter Leidensfähigkeit der russischen Bevölkerung. Als nackter Kern des Putinismus bleibt sein Streben nach Ausweitung von Einflusssphären, gepaart mit dem Wunsch nach Totalisierung politischer Macht. Es ist dieses Streben, das Madeleine Albright, wie im Buch zitiert, als Hauptmerkmal eines neuen Faschismus bezeichnet. Eines Faschismus, der, das sei hinzugefügt, die Bereitschaft zum eigenen Untergang als Option in seine machtpolitischen Kalkulationen stets einbezieht.

Reinhard Kühnl würde sich im Grab umdrehen! (Aber der has sich ja nicht einwandfrei korrekt verhalten und verdient es deswegen nicht, auf der Tafel besonders verdienter verstorbener Marburger Bürger verewigt zu werden.)

Meint er die Madeleine Albright, die fand, 500.000 tote Kinder wegen der Irak-Sanktionen (aufgrund der Lüge, Saddam hätte chemische Waffen)  seien es wert gewesen?

Und wegen der „verbreiteten Leidensfähigkeit“ des Russen kann er sich ja mit dieser – „Russen sehen aus wie Europäer, sind aber keine“ –  Dame zusammen tun.

Wahrlich ich sage Euch: The female of the species is deadlier than the male. (Charles Darwin)

Und hier ein Beispiel für die  „Führerverehrung, Gefolgschaft qua Unwissen und verbreitete Leidensfähigkeit“ der russischen Bevölkerung in der Person einer ethnisch-russischen Ukrainerin, die in Russland inzwischen Kultstatus hat und sogar auf einer Weltraum-Rakete verewigt werden wird.

Und auch das noch: Weiterlesen

Neulich im Pazifik …

Der Guardian berichtet:

US warns Solomon Islands against China military base …

  • The US government has warned Solomon Islands it will “respond accordingly” if its security agreement with China leads to a Chinese military presence in the Pacific island nation.

A visiting US delegation including Indo-Pacific security adviser Kurt Campbell delivered the message to the Solomon Islands prime minister, Manasseh Sogavare, directly, the White House said, …

War da nicht was mit dem Nato-Beitritt der Ukraine?

Und das sagt man in China dazu: Weiterlesen

Linke Bellizisten

Wir‘ haben uns nur allzu gerne Illusionen über Putins prinzipielle Friedfertigkeit hingegeben und den Putinverstehern von Gabriele Krone-Schmalz bis Wagenknecht glauben wollen. Nach dem Angriff auf die Ukraine müssten ‚wir‘ nun einsehen, dass diese sich in Putin getäuscht hätten, schreibt Albrecht von der Lucke sinngemäß.

In Wirklichkeit sei Russlands Wirtschaft immer noch unentwickelt, das Land sei vollkommen abhängig von Rohstoffexporten, eine positive Ausstrahlung für die Welt könne von Russland nicht ausgehen. Putins „Währung“ sei deswegen militärische Gewalt, wie sich in Tschetschenien, Syrien und jetzt auch der Ukraine gezeigt hätte; denn die Alternative dazu – Freiheit und Wohlstand – seien die eigentliche Bedrohung für seine Diktatur. Die Bürger des Westens müssten für die Schäden aufkommen und überall den Wiederaufbau bezahlen. Wäre Putin mit seinen Blitzkriegsplänen nicht am heldenhaften Widerstand der Ukrainer gescheitert, wäre er schon jetzt direkt nach Westen weitermarschiert. Ein wehrhaftes Europa sei deswegen das dringende Gebot der Stunde.

Mit Recht merken die Autor*innen1 des Appells Demokratie und Sozialstaat bewahren – keine Hochrüstung ins Grundgesetz“ an, dass die geplante Aufrüstung eine 180-Grad-Wende der deutschen Außenpolitik „mit entsprechend dramatischen Folgen auch für die Innenpolitik – für den Sozialstaat, für Liberalität und Mitmenschlichkeit“ darstellen würde, und –„ganz ohne breite gesellschaftliche Debatte, ohne parlamentarische, ja sogar ganz ohne innerparteiliche Debatte“ beschlossen „ein demokratiepolitischer Skandal“ wäre. Nicht Hochrüstung, sondern Sicherheit und soziale Gerechtigkeit seien der Auftrag des Grundgesetzes. Bei gleichzeitigem Festhalten an der „Schuldenbremse“ entstünde die Gefahr massiver Kürzungen im sozialen, im kulturellen, und im öffentlichen Bereich.

Aber ist ihre Botschaft wirklich so friedfertig wie es scheint? Welche Perspektiven ergeben sich aus beiden Positionen für die friedliche Beilegung des Konflikts, wenn der aggressive Putinismus als Haupt-Ursache ausgemacht wird, dem es Einhalt zu gebieten gilt?

1 Jan Dieren (SPD MdB), Ingar Szolty (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Andrea Ypsilanti (SPD, Institut solidarische Moderne), Klaus Dörre (Soziologe) und Julia Schramm (Bundesvorstand Die Linke)

Dazu habe ich was geschrieben:

Linke Bellizisten Teil 1

Linke Bellizisten Teil 2

Schocktherapie gegen aggressiven ‚Putinismus‘ und Klimawandel?

Mit kapitalistischer Dynamik und Klimabewegung ins sozial-ökologische Utopistan?
Oder werden wir alle exterminiert?

 

Einer der Gründe für die „Aggressivität des Putinismus“ und den Ukraine-Krieg ist nach Klaus Dörres Auffassung die Bedrohung seines Geschäfts- und Herrschaftsmodells durch die globale Energiewende. Schließlich beruhen bis zu 43% der Einnahmen auf den Exporten fossiler Energien. In der Zeitschrift ‚Sozialismus‘ (Heft 4-22) schreibt er:

„ … die Russische Föderation [würde] ohne radikalen wirtschaftlichen Strukturwandel unweigerlich zu den Verlierern einer Nachhaltigkeitswende in den Abnehmerstaaten gehören […]. Je rascher dort [z.B. in Europa] die Abkehr von fossiler Energie gelingt, desto wertloser werden russische Öl- und Gasvorkommen. Das dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, dass die Zukunftsszenarien jenes Machtzirkels, mit dem sich der Autokrat Putin umgibt, ausgesprochen düster ausfallen.“

Jetzt sei aus russischer Sicht für die Umsetzung einer „aggressiven Hochrisikostrategie“ ein guter Zeitpunkt, um den „Würgegriff“ um den Hals des Westens legen. Die Nato sei durch die Niederlage in Afghanistan geschwächt, die EU zerstritten und in „ihrem Inneren mit den Praktiken sogenannter illiberaler Demokratien etwa Polens und Ungarns konfrontiert“. Gleichzeitig dulde, wenn nicht gar unterstütze China die Vorgehensweise Russlands als Verbündeter. Weiterlesen

Offensiver Realismus

Dieser Artikel erschien am 6.4. auf Makroskop.

Wer es sich in dieser Zeit anzumerken getraut, dass es seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion viele ‒ von den USA und ihren Verbündeten begonnene ‒ völkerrechtswidrige Sanktionen und Kriege gegeben hat und noch gibt, macht sich des Whataboutism schuldig.

In der westlichen Berichterstattung beginnt der Ukraine-Krieg am 24. Februar 2022. Grundlos und völlig unvermittelt überfiel Putin die Ukraine. Selbst jene, die den Kontext und die Vorgeschichte dieses schon lange schwelenden Konflikts kennen, sehen sich vor jeder anderen Äußerung dazu genötigt, den Angriff als „durch nichts zu rechtfertigenden völkerrechtswidrigen Akt“ zu verurteilen.

Am Ende scheiden sich die Geister nur noch daran, wie scharf die Sanktionen gegen Russland sein sollen, und ob auch Waffenlieferungen an die Ukraine gerechtfertigt sind oder nicht. Und der Botschafter von China, eines der Länder, die sich weigern, einseitig Russland zu verurteilen, wird im Interview von einer jungen Journalistin ständig rüde unterbrochen, die von ihm nur eins hören will:

„Will you tell your President to tell Putin that he has to stop now? Zelensky is sitting in a bunker!“

Sind mit der Verurteilung des Angriffskriegs Russlands alle Fragen beantwortet und alle Zweifel zerstreut? Ganz sicher nicht.
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