Brief an den russischen Botschafter anlässlich des 80. Jahrestag der Befreiung

Unser Leser Michael Vorwerk hat den folgenden Brief an den russischen Botschafter geschickt. Wir befürworten nachdrücklich sein Anliegen, dies angesichts der dreisten, in der Tendenz geschichtsrevisionistischen Versuche, russische Teilnehmer von den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung in den Ländern der EU auszuschließen.

Sehr geehrter Herr Botschafter,

in diesen Tagen jährt sich zum achtzigsten Male jener Tag, den Richard v. Weizsäcker, seinerzeit Präsident der Bundesrepublik Deutschland, in seiner mittlerweile von vielen als historisch bezeichneten Rede vom 08. Mai 1985 als Tag der Befreiung bezeichnet hatte.

Ich stimme ebenso wie viele meiner Landsleute dieser Bewertung mit allem Nachdruck zu. Mir, einem Bürger der Bundesrepublik Deutschland, geboren 1948 und aufgewachsen in der damals so genannten Westzone, blieb es damit erspart, unter den Bedingungen der mörderischen Nazi-Herrschaft aufzuwachsen und überleben zu müssen.

Eingedenk dessen, was im Namen der Deutschen Nation und unter der Führung der bösartigsten Verbrecher maßgeblich auch und gerade Ihrem Land, sehr geehrter Herr Botschafter, und seinen Menschen angetan wurde, ist es mir ein Herzensanliegen, Ihnen meinen tiefen Respekt und meine tiefe Dankbarkeit auszusprechen.

Einer Äußerung des französischen Essayisten und Philosophen Roger Garaudy, einem in mancher Hinsicht gewiß umstrittenen Mann, stimme ich uneingeschränkt zu; er sagte wörtlich:

„Es war die Rote Armee, die 1943 vor Stalingrad Europa gerettet hat vor dem Rückfall in die tausendjährige Barbarei.“

Und ohne mich einem bedeutenden Mann partout an die Seite stellen zu wollen, darf ich seiner Äußerung anfügen: Und es war die Rote Armee, die am 27. Januar 1945 die Insassen des Vernichtungslagers Auschwitz von der unfaßbaren Niedertracht und den Bestialitäten ihrer Peiniger befreite.

In Zeiten vordergründiger und längst nicht immer durchdachter Äußerungen und Stellungnahmen im Rahmen diverser politischer Auseinandersetzungen scheint es mir erst recht unverzichtbar, diese und so viele weitere unvergängliche Verdienste Ihres Landes und seiner Menschen in lebendiger Erinnerung zu bewahren.

Nehmen Sie, sehr geehrter Herr Botschafter, deshalb den Ausdruck meiner tief empfundenen Hochachtung und meiner Dankbarkeit entgegen, die ich Ihnen und Ihren Landsleuten entgegenbringe.

Ich verbleibe mit meinen besten Wünschen für Sie, für Ihre Familie, für die Mitarbeiter des Hauses, dem Sie vorstehen, und für die Menschen Ihres Heimatlandes.

Ihr
Michael Vorwerk

(vollständiger Brief als PDF)

Braucht Europa eine eigenständige nukleare Abschreckung?

Dazu hat Oberst a.D. Wolfgang Richter heute in Makroskop Stellung genommen.

Die Antwort ist: Europa wäre das Kampffeld für den Einsatz taktischer Atomwaffen durch die Großmächte, die damit die Glaubwürdigkeit ihrer „gegenseitig gesicherten Vernichtungsfähigkeit“ durch Atomwaffen demonstrieren würden, ohne sich selbst zu gefährden. (Jedenfalls ist das die Logik dahinter.) Das Gleiche gilt für Frankreich, wenn es Großmachtfunktionen für Europa gegenüber „dem Feind“ Russland übernähme: Die Atombomben müssen dann über Mittel- und Osteuropa niedergehen, um Frankreich zu „schützen“. Nun ja.

Genaueres dazu ist hier zu lesen: 250425_braucht-europa-eine-eigenstandige-nukleare-abschreckung

Der Ukraine-Krieg soll „Trump-sicher“ werden

Nach den US-Wahlen kam der Sinneswandel: Raketenangriffe auf russisches Staatsgebiet werden der Ukraine jetzt doch gestattet. Russland antwortete umgehend. Die Risiken der neuen Eskalation sind unkalkulierbar.

Hinter der beschleunigten Eskalation könnte die Absicht stehen, die NATO voll in den Konflikt hineinziehen, um so für den neuen US-Präsidenten Donald Trump vollendete Tatsachen zu schaffen. Es wäre dann sehr schwierig für ihn, den Krieg – wie eigentlich beabsichtigt schnell zu beenden. Am 17. September warnten Donald Trump jr. und Robert F. Kennedy jr. in einem in The Hill erschienen Artikel vor einer solchen Eskalation, die direkt in einen Nuklearkrieg führe. Sicher nicht ohne Donald Trumps Wissen und Einverständnis.

Die ukrainische Militärführung verschwendete jedenfalls keine Zeit. Am 19. November wurde das russische Gebiet Brjansk mit sechs ATACM-Raketen (Kostenpunkt 7,2 Millionen US-Dollar) beschossen. Ein zweiter Angriff, bei dem auch britische Storm Shadows eingesetzt wurden, folgte kurze Zeit später. Nach russischer Darstellung sollen fast alle Geschosse abgefangen worden und nur geringer Schaden entstanden sein.

Die russische Antwort ließ nicht auf sich warten. Hier geht es zum vollständigen Artikel, der heute bei Makroskop erschien.

Mehr Sicherheit durch die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Wiesbaden?

Der Artikel als pdf-Datei.

Der völkerechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Sicherheitslage in Europa erheblich verschlechtert, argumentiert die Bundesregierung. Das im Juli mit den USA geschlossene Abkommen Deutschlands zur Stationierung von landgestützten Raketen mit strategischen Reichweiten werde unsere Sicherheit verbessern. Es diene zur Abschreckung Russlands von einem Angriff auf Natomitglieder und trage so zur Verhinderung weiterer Kriege auf europäischem Boden bei. Oberst a.D. Wolfgang Richter widerspricht.

Geplant ist die temporäre und später dauerhafte Stationierung einer von fünf Multi-Domain-Task-Forces (MDTFs) in Deutschland. Diese Task Forces sind bewegliche Truppenverbände zur regionalen Kriegführung, die eine integrierte militärische Reaktion auf die unterschiedlichsten Bedrohungsszenarien erlauben. Schon 2017 begannen die USA mit dem Aufbau dieser Verbände, von denen zwei im indo-pazifischen Raum stationiert werden sollten, einer für die Arktis, einer für den Verbleib in den USA (und damit zur flexiblen Verwendung) und der fünfte, der nun nach Wiesbaden kommen soll, für Europa / Afrika vorgesehen war. Die Verbände sind mit verschiedenen landgestützten Raketensystemen ausgerüstet, die mit konventionellen Sprengköpfen ausgestattet werden (theoretisch könnten auch nukleare Sprengköpfe verwendet werden, was aber aktuell ausgeschlossen wurde.): Die sich noch im Entwicklungsstadium befindenden Dark Eagles sind Hyperschallraketen mit der – strategischen – Reichweite von bis zu 2.800 km. Die Tomahawk Marschflugkörper haben die – operative – Reichweite von 1700 – 2.500 km. Deren Abschussbatterien können auch SM-6-Luftabwehrraketen starten, die jedoch bei einer Reichweite von 370 – 460 km auch für Angriffe genutzt werden können. Schließlich gehören noch die HIMARs dazu, die die – taktischen – Reichweiten von 165 – 300 km abdecken, und häufig mit Cluster-Munition bestückt werden. Ein MDTF-Verband kann ohne Nachladen 40-48 Raketen gleichzeitig abschießen.

Die Stationierung solcher Raketen in Europa war bis 2019 nicht möglich, da das INF-Abkommen zwischen den USA und der UdSSR/Russland von 1987 über die Vernichtung aller boden-/landgestützten Nuklearraketen mit mittlerer und kürzerer Reichweite (zwischen 500 und 5500 Kilometer) das verbot. Präsident Trump kündigte das Abkommen im Februar 2019, einen Tag später folgte Russland, sodass das Abkommen im August 2019 auslief.
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Ukraine-Krieg: Was ist. [Mit update]

In aller Kürze formuliert es Larry Johnson so:

1. Dass Putin ein neues russisches Reich errichten und die Welt erobern will, ist schwachsinnige Propaganda.

2. Westliche Nachrichtendienste spielen die ukrainischen Verluste herunter und übertreiben bei den russischen Toten und Verwundeten gewaltig.

3. Drittens: Schon allein auf der Grundlage von offenem Quellenmaterial lässt sich klar sagen, dass die legitimen Aussichten für die Ukraine, ihr Militär neu zu formieren und Russland wirksam herauszufordern,  gleich NULL sind!

4. Die derzeitige US-Politik verprellt Verbündete und stärkt die multinationale Allianz unter der Führung Russlands und Chinas. Die strategischen Implikationen, die sich daraus ergeben, stellen die Sicherheit der Wirtschaft der Vereinigten Staaten und ihre derzeitige hegemoniale Position in der Welt infrage.

Zum gleichen Thema Alexander Mercouris(Übersetzung von mir):

(Wie er kann und will man eigentlich nicht glauben, was man da beobachten muss)

Vor allem seitens der NATO ist das Ausmaß der Leugnung über die militärische Lage, über die Produktionszahlen von Artilleriegeschossen, über die Wirksamkeit der Luftabwehrraketen, über die Wirksamkeit der Raketenangriffe erstaunlich. Weiterlesen

Liebesgrüße an Moskau

Sanktionen: Liebesgrüße an Moskau

James K. Galbraith ist Inhaber des „Lloyd M. Bentsen Jr. Lehrstuhls“ für Beziehungen zwischen Staat und Wirtschaft an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs und einer Professur für Staatswissenschaften an der University of Texas in Austin. In den frühen 1980er Jahren war er geschäftsführender Direktor des Gemeinsamen Wirtschaftsausschusses des US-Kongresses und davor als Ökonom im Bankenausschuss des Repräsentantenhauses. Von 1996 bis 2016 war er Vorsitzender des Vorstands von „Economists for Peace and Security“ und leitet heute das „University of Texas Inequality Project“. Er ist geschäftsführender Herausgeber von „Structural Change and Economic Dynamics“.

Welche Auswirkungen haben die Sanktionen auf die russische Wirtschaft? Mit dieser Fragestellung befasst sich eine Studie des Professors, deren Ergebnis er nun in einem Video des „Institute for New Economic Thinking“ zusammenfasste. Sein Fazit: Dem Land hätte in Bezug auf seine wirtschaftliche Entwicklung nichts Besseres passieren können. Hier eine Zusammenfassung.

Die wichtigsten erklärten Sanktionsziele waren a) die starke Reduzierung von Russlands Exporteinnahmen, um den Land die Finanzmittel zur Kriegführung zu entziehen, b) die Verhinderung seines Zugangs zu kritischen Militär-Technologien und c) Erzeugung von Druck der Zivilbevölkerung und Oligarchen auf das politische Regime. Wie deren von Anfang 2022 bis in die erste Hälfte des Jahres 2023 hinein geäußerten Erwartungen zeigen, glaubten die Sanktionsbefürworter, die Sanktionen würden die russische Wirtschaft zerstören oder in die dauerhafte Bedeutungslosigkeit verbannen.

Waren diese Erwartungen realistisch, und haben sie sich bewahrheitet? Weiterlesen

Neuer Kalter Krieg oder Neue Entspannungspolitik?

Warum ist die Entspannungspolitik, die vor 40 Jahren in Deutschland mehrheitsfähig war, heute nicht mehr „in“? Muss die heutige Entwicklung in einen neuen Kalten Krieg münden, komplett mit Eskalationsspirale, Militarisierung, Freund-Feind-Denken und deutschen Atomwaffen? Oder könnte eine neue Ära der Entspannung beginnen, weil die Angst vor dem „Imperialisten Putin“ keine realistische Grundlage hat?

Dazu habe ich einen Zweiteiler geschrieben, der in leicht veränderter Form bei bei Makroskop erschien.

Hier meine Originale:

231213 Zukunft Europas Teil 1 – Entspannungspolitik und Zeitenwende -1

231213 Zukunft Europas Teil 2 – neuer Kalter Krieg oder neue Entspannungspolitik-1

Der Ukraine-Krieg: für die USA nur eine „glückliche Fundsache“?

Die Sache mit dem russischen Angriffskrieg ist und bleibt eine hochemotionale Sache; sie bleibt aber auch hoch relevant, wenn daraus imperialistische Angriffsmotive Russlands konstruiert werden, wie das viele Linke tun, vermutlich die meisten. Und sie gehen dann noch weiter und interpretieren die neue Weltlage als inter-imperialistischen Konflikt, wobei die Gleichung Kapitalmus = Expansionsdrang = Imperialismus angewendet wird. Demzufolge sind alle Imperialisten unterschiedlicher Couleur: Der kollektive Westen, ebenso wie Russland, China, Indien oder sonst wer.  Mit Lenins Imperialismustheorie hat das nichts zu tun. Darauf soll aber hier nicht weiter eingegangen werden. Zurück zum Ukraine-Konflikt:

Ingar Solty schreibt z.B., es sei eine Verschwörungstheorie anzunehmen, die Russen seien zum Angriff provoziert worden (ISW Report Nr. 133/134: Die neue Blockkonfrontation, S. 9). Vielmehr sei der Ukraine-Krieg für die USA eine „glückliche Fundsache“ gewesen. Denn sie seien nun die Hauptprofiteure des Krieges. Letzteres stimmt natürlich. Aber ist die Sache mit der Provokation wirklich nur eine Behauptung des „verschwörungstheoretischen Rands“ (Solty)?

Kann man diesen Streit nicht einfach zurückstellen und sich auf die Notwendigkeit eines sofortigen Friedens einigen? Man sollte es sicherlich. Denn angesichts des Kriegshorrors ist notwendig, alle Vorbehalte zurückzustellen und Verhandlungslösungen zu finden.

Kann man aber in der wissenschaftlichen Diskussion darauf verzichten, empirische Befunde zu würdigen? Nein. Und da gibt es nun weitere Hinweise. (Neben dem, was Nato-Chef Stoltenberg selbst sagte.)

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Wir werden einen totalen wirtschaftlichen und finanziellen Krieg gegen Russland führen

Ein Kommentar von English Outsider by Moonofalabama, übersetzt von mir mithilfe von DeepL

Was hat die Regierungen des Westens dazu bewogen, sich auf dieses Unternehmen Ukraine einzulassen? Warum haben wir die „Shock and Awe“-Wirtschafts- und Finanzsanktionen, wie sie seinerzeit genannt wurden, eingesetzt?

Ich glaube, das war die Begründung für den Sanktionskrieg (maschinelle Übersetzung):

„Ich will Ihnen ganz klar sagen, Marc FAUVELLE, dass Russland die Leidtragenden sein werden, nicht Europa. Europa wird vielleicht tatsächlich ein wenig mehr Inflation haben, weil vielleicht die Gaspreise ein wenig steigen werden, aber es ist Russland, das leiden wird, es ist die russische Wirtschaft, die leiden wird. Und es ist das russische Finanzsystem, das vor unseren Augen zusammenbrechen wird. Die einzige Konsequenz, die Europa in den nächsten Wochen haben kann, ist ein kleiner Preisanstieg, der von der Erhöhung der Energiepreise abhängt.“

(Interview mit Bruno Le Maire, Minister für Wirtschaft, Finanzen und Konjunktur, mit France Info am 1. März 2022, über die Wirtschaftssanktionen gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Frankreich)

Aus derselben Quelle:

„Ja, die Sanktionen sind wirksam. Die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen sind sogar äußerst wirksam. Und ich möchte keine Zweifel an der Entschlossenheit Europas in dieser Frage aufkommen lassen. Wir werden einen totalen wirtschaftlichen und finanziellen Krieg gegen Russland führen…“

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US-amerikanische Strategiedebatten

In seinem täglichen Briefing vom 22.8.2023 spricht Alexander Mercouris das „Big Power Game“ des US-Imperiums an und wie die entsprechenden Strategien in den USA diskutiert werden.

Die drei großen Zeitschriften, in denen diese debattiert werden, sind: Foreign Policy, Foreign Affairs und National Interest.

Grundsätzlich sei man sich bei den Eliten einig, dass China die große Gefahr für die amerikanischen Interessen darstelle. Aber wie soll man inzwischen mit Russland umgehen?

2021 forderte das Strategiepapier des Atlantic CouncilToward A New American China Strategy“ Zugeständnisse an Russland.

„ Allowing Russia to drift fully into China’s strategic embrace over the last decade will go down as the single greatest geostrategic error of successive US administrations,“ schreiben die Autoren.

Dem wurde z.B. in dem am 14.3.2022 in National Interest erschienenen Artikel von Wess Mitchell „To Prevent China from Grabbing Taiwan, Stop Russia in Ukrainevehement widersprochen (der Originalartikel sei inzwischen mehrfach redigiert und entschärft worden, sagt Mercouris).

„The whole point should be to keep U.S. power applied as surgically as possible to the weaker of the two rivals, with a view to decisively draining it and being able at a later date to face China with greater strength as a result.“

Heute schienen mehr und mehr Strategen zu der Einsicht zu kommen, dass letztere Strategie dabei sei zu scheitern. Weiterlesen