Stoltenberg: Die Erweiterung der NATO ist einer der Hauptgründe für den Ukraine-Krieg

Die tatsächliche Abfolge der Ereignisse im Jahr 2021, über die die Medien zeitnah berichteten, wurde letzte Woche vom NATO-Generalsekretär wie folgt zusammengefasst:

Dann zum Schluss zu Schweden. Zunächst einmal ist es historisch bedeutsam, dass Finnland jetzt Mitglied des Bündnisses ist. Und wir müssen uns an den Hintergrund erinnern. Der Hintergrund war, dass Präsident Putin im Herbst 2021 erklärte, dass es keine weitere NATO-Erweiterung geben wird, und er hat sogar einen Vertragsentwurf geschickt, den die NATO unterzeichnen sollte. Das war es, was er uns geschickt hat. Und das war eine Vorbedingung dafür, nicht in die Ukraine einzumarschieren. Natürlich haben wir das nicht unterschrieben.

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Das Ende des Krieges und das Ende des US-Exzeptionalismus

Gefunden bei Naked Capitalism: End of the War, End of US Exceptionalism

Unter dieser Überschrift wurde mit einer Einleitung von Yves Smith John Helmers Besprechung des Buches „Overreach“ von Owen Matthews veröffentlicht, in der er dieses nach allen Regeln der Kunst auseinander nimmt.

Durchzogen werden Einleitung, Artikel und die anschließenden Kommentare mal wieder von der beunruhigenden Frage, wie anhaltendes dysfunktionales Verhalten unserer Eliten und die weitverbreitete Zustimmung, die sie nach wie vor dafür erhalten, zu erklären sind. Jeder kennt die Situationen, in denen uns vertraute Menschen bei einem Thema, bei dem sich Beweise angehäuft haben, die ihrem Glauben widersprechen, völlig aus der Spur geraten, sich weigern, sich mit diesen Beweisen auseinanderzusetzen, sie einfach nicht akzeptieren können und stattdessen um sich schlagen.

Unter anderen fand ich dazu einen Kommentar von Aurelien (mal wieder), den ich übersetzt habe

Ich bin schon seit langem der Meinung und habe in einigen meiner Beiträge die Auffassung vertreten, dass die wirklichen Probleme hier eher psychologischer (und gruppenpsychologischer) als politischer Natur sind. Es gibt Dinge, die wir sowohl auf persönlicher als auch auf institutioneller Ebene einfach nicht glauben können, weil sie außerhalb unseres Bezugsrahmens liegen und deren Konsequenzen, wenn sie wahr wären, zu beängstigend sind.

Noch wichtiger ist, dass, wenn wir Mitglieder von Gruppen sind, die alle dasselbe glauben, und wir uns ständig gegenseitig in unseren Ansichten bestärken, und die weitere Zugehörigkeit zu dieser Gruppe mit Vernunft und dem Wert der in die bisherige Politik investieren versunkenen psychologischen Kosten assoziiert wird.

Wie ich bereits dargelegt habe, denke ich, dass wir eine Art fortschreitenden Nervenzusammenbruch der PMC-Eliten erleben werden, zusammen mit einer Verzögerungsaktion, die darauf hinausläuft, dass (1) wir das nie gesagt haben, (2) OK, wir haben das gesagt, aber es wurde falsch interpretiert, (3) OK, wir haben das gesagt, aber wenn man genau liest, was wir gesagt haben, wurde das schlimmste vorstellbare Ergebnis vermieden, und deshalb haben wir gewonnen und hatten die ganze Zeit recht.

Inwieweit diese Strategie der brutalen Realität der Ereignisse standhalten wird, ist fraglich, denn jedes  heute absehbare Ergebnis des Krieges wird die teleologische Vorstellung torpedieren, dass die Ausbreitung des Liberalismus immer weiter gen Osten unaufhaltsam ist, und ich weiß nicht, ob die Eliten (insbesondere die europäischen, deren Hauptgrund für die Führung des Krieges diese Vorstellung ist) ein solches Ergebnis tatsächlich überleben können.

 

US-amerikanische Strategiedebatten

In seinem täglichen Briefing vom 22.8.2023 spricht Alexander Mercouris das „Big Power Game“ des US-Imperiums an und wie die entsprechenden Strategien in den USA diskutiert werden.

Die drei großen Zeitschriften, in denen diese debattiert werden, sind: Foreign Policy, Foreign Affairs und National Interest.

Grundsätzlich sei man sich bei den Eliten einig, dass China die große Gefahr für die amerikanischen Interessen darstelle. Aber wie soll man inzwischen mit Russland umgehen?

2021 forderte das Strategiepapier des Atlantic CouncilToward A New American China Strategy“ Zugeständnisse an Russland.

„ Allowing Russia to drift fully into China’s strategic embrace over the last decade will go down as the single greatest geostrategic error of successive US administrations,“ schreiben die Autoren.

Dem wurde z.B. in dem am 14.3.2022 in National Interest erschienenen Artikel von Wess Mitchell „To Prevent China from Grabbing Taiwan, Stop Russia in Ukrainevehement widersprochen (der Originalartikel sei inzwischen mehrfach redigiert und entschärft worden, sagt Mercouris).

„The whole point should be to keep U.S. power applied as surgically as possible to the weaker of the two rivals, with a view to decisively draining it and being able at a later date to face China with greater strength as a result.“

Heute schienen mehr und mehr Strategen zu der Einsicht zu kommen, dass letztere Strategie dabei sei zu scheitern. Weiterlesen

Die Kunst des (Sich-)Unterwerfens

Herausgegeben vom „European Council of Foreign Relations (ECFR) erschien im April 2023 in der Kategorie „Strategische Kurz-Empfehlungen“ (policy brief) das Papier „The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations“. Ob der Titel besser mit „Die Kunst der Unterwerfung“ oder mit „Die Kunst des Sich-Unterwerfens“ zu übersetzen ist, mögen am Ende dieses Artikels die Leserinnen und Leser selbst entscheiden.

Die Quintessenz des Papiers heißt: Aufrüstung – Aufrüstung – Aufrüstung.

Geht es nach den Autoren sind ein neuer Eiserner Vorhang im Osten zu erwarten sowie die vermutlich notwendige Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Erhöhung des Militärhaushaltes auf Kosten von Bildungsausgaben und Entlastung von Unternehmen und unteren Einkommensgruppen bei den Energiekosten (nicht von ungefähr erreicht Deutschland das 2% Nato-Ziel nicht), Fluglärm und Gefahr von Kampffliegern, die hundert Meter über unseren Köpfen trainieren, endlose Bauarbeiten beim Bau neuer Kasernen (die alten sind ja verkauft und in schicke Wohnungen verwandelt worden), Gefahren und Umwelt-Verschmutzung durch Munitionsfabriken (die der größten Munitionsfabrik Europas im 2. Weltkrieg in unserer Nachbarschaft beschätigt uns noch heute) u.v.m.

Heute erschien bei Makroskop in redigierter Form mein Artikel darüber.

Nochmals Jörg Goldberg

Zu dem in der Zeitschrift Z erschienenen Artikel „Weltordnung zwischen Globalisierung und
Nationalstaaten“ von Jörg Goldberg habe ich nun einen 800-Wort Kommentar geschrieben, den ich zur Veröffentlichung an die Zeitschrift Z sende.
Hier eine Zusammenfassung des Goldberg-Artikels mit meinem nachfolgenden ausführlichen Text dazu.

Die Lektüre des Textes regte mich zu Widerspruch an: Geht es um Dissens oder Akzentverschiebungen? Das könnte nur eine weitere Diskussion klären.

In meinem Kommentar geht es um 4 Punkte:

1. Die Rolle des Staates im Kapitalismus
2. Den aggressiven Charakter des „wohlwollenden Hegemons“
3. Die Krise des US-dominierten internationalen Systems
4. Den Charakter der künftigen Weltordnung

Verzweiflung. Realismus. Fürsorglichkeit.

Heute erschien bei Makroskop mein neuer Artikel.

Wer meinen Text „CO2-freie Fabrik: Die Herren meinen es ernst“ als Loblied auf den Kapitalismus als Klimaretter gelesen hat, ist zu Recht skeptisch. Sieht die Realität nicht eher so aus wie Rainer Land sie in seinem Artikel vom November 2022 beschreibt? Seit 2020, stellt er fest, sei der Zug zur Erreichung des 2-Grad Ziels abgefahren. Tiefster Pessimismus scheint angebracht: Trotz aller Rhetorik und vieler Taten werden die Klimaziele weltweit regelmäßig nicht erreicht. In Deutschland kann eine Partei, die den menschengemachten Klimawandel bestreitet, auf mehr als 20 % der Wählerstimmen hoffen. Und global ist im Gefolge des Ukraine-Krieges die Dynamik des Wettbewerbs zwischen den Großmächten immer deutlicher zu spüren und torpediert die für eine rechtzeitige Energiewende erforderliche intensive internationale Zusammenarbeit.

Das Apfelbäumchen
Dennoch, schreibt Land, bleibe zu bedenken, wie wir mit dem zu erwartenden Szenario umgingen, und ob man humane Bedingungen für die Überlebenden und das letzte Jahrhundert erhalten könne, denn nur so könnten wir weiter leben im Angesicht einer Welt, die sich selbst zerstört. Wie kann ein denkender und tatkräftiger Mensch dem Gefangensein zwischen tiefster Verzweiflung und idealistischer Traumtänzerei, selbstüberschätzender Hyperaktivität und depressiver Lähmung entkommen?
Hier geht es weiter: Verzweiflung-Realismus-Fürsorglichkeit

CO2-freie Fabrik: Die Herren meinen es ernst

Heute erschien bei Makroskop mein Artikel über die Fachtagung CO2-frei Fabrik, an der ich als Pressevertreterin teilnahm. Ausschnitte:

„Kann Kapitalismus Klimaschutz? Die auf der Fachkonferenz „Die CO2-freie Fabrik“ vorgestellten Strategien und technischen Optionen beeindrucken – und erwecken den Eindruck, dass eine Klimaneutralität bis 2050 möglich ist.

„Achtung, Klimakleber: Der Kapitalismus rettet die Welt.“ Mit diesen provokanten Worten begann die Fachkonferenz „Die CO2-freie Fabrik“, die vom 20. bis 21. Juni in Wetzlar tagte. Wie diese umzusetzen sei, darüber sinnierten die Großen und die Kleinen gemeinsam: multinationale Konzerne, kleine Startups und mittelständische, vorwiegend familiengeführte Unternehmen. 21 Vorträge, eine Betriebsbesichtigung und etliche Gespräche später war klar: die versammelten (fast ausschließlich männlichen) Vertreter meinen es ernst; um im Konferenz-Jargon zu bleiben, they mean business …“

So einfach ist es natürlich nicht, es gibt jede Menge …

„Widersprüche und Zielkonflikte

Trotzdem verträgt sich das Motiv der Gewinnerzielung nicht so einfach mit der „Rettung der Welt“, die Transformation erfolgt im Spannungsfeld vielfacher Widersprüche, wie Marxisten es ausdrücken würden. In der Sprache der Betriebswirte: Zielkonflikte. Auch davon wissen die bei der Konferenz anwesenden Fachleute ein Lied zu singen.

Nicht nur, dass Wachstum CO2- Einsparungen neutralisieren kann …“

Hier der gesamte Artikel: 230705 Die Herren meinen es ernst

Antwort auf Jörg Goldberg

Jörg Goldberg hat in der Zeitschrift Z vom Juni 2023 einen Artikel mit dem Titel „Weltordnung zwischen Globalisierung und Nationalstaaten“ geschrieben. Meine Antwort darauf ist relativ ausführlich ausgefallen.

Antwort auf Jörg Goldberg (Fassung vom 2.7.2023)

Jörg Goldbergs Analyse 1

Fragen 2

Superimperialismus 4

Der Staat als eigenständiger Akteur im Kapitalismus 5

Bipolare Welt und „goldenes Zeitalter des Kapitalismus“;
neoliberale Globalisierung und unipolarer Moment 6

Modernisierung des „Rests der Welt“ 7

Multipolarität 10

Perspektiven 11

Fazit  13

Quellenverzeichnis 15

Welche Umstände führten zum russischen Einmarsch in die Ukraine? Update 18.6.2023

Es passiert öfter, dass bei Moonofalabama hochinteressante Diskussionen stattfinden, es aber sehr mühsam ist, sie durch die Kommentarspalte zu  verfolgen. So auch diesmal.

Dankenswerterweise hat ein Kommentator die Kommentare  zu einer Datei zusammengefasst. Ich denke, so ist eine gute Stoff- und Linksammlung entstanden.

Moonofalabama – Enquiry into Origins and Early Days of SMO (June 2023)

Posted by: Sushi | Jun 1 2023 18:51 utc | 279
„What I now propose is to draft a series on the Past of the SMO, at least the first week, and then post it on MoA, obtain the benefit of the raucous intelligence that inhabits the bar and see if it is possible for us to thrash out a rough history. History is open to alternate interpretations and it should be possible to state alternate interpretations/explanations and the evidence to support each such alternate interpretation.“

Sushi, I was directed to your comment by English Outsider over on AM’s site. As you’ll see from my conversation with him, I think your proposed series on the „Past of the SMO“ is an excellent idea. As a small contribution I’ve gathered what are hopefully all the relevant posts in the threads pointed to by EO into a Word doc. If it’s of any interest, you can find it at this link. Look forward to seeing what comes out of the project. Posted by: Ingolf Eide | Jun 4 2023 5:08 utc | 291

Update:

English Outsider hat nun seine Version, wie ich finde, sehr überzeugende Einschätzung zusammengefasst:

I believe that the Russians were coping adequately with that Western pressure and would have continued to do so, but that they were forced against their will to military action by the immediate and urgent threat to the Donbass. This was, therefore, no „unprovoked“ war. It was provoked by the West …

Hier der vollständige Kommentar:

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Viktor Urban zum Ukraine Krieg

Question: The last couple of seconds you made a great deal about 1956 and fighting for Freedom. You have a neighbor who is invaded by Russia, the very country you know you grew up, with pictures of tanks going into Budapest. Why are you opposing the European Aid?

Urban: No, no it‘s emotionally, it’s tragic, so all of our heart is with the ukrainians, we understand how much they suffer. But I‘m speaking here as a politician who should save lives. So the most important thing for the international political communities is to save lives, especially when you are convinced, as I do, that there is no chance to win this war. So therefore what we should do far more energy invest into to convince everybody that the only solution is ceasefire and then after the ceasefire peace talks to start and then we could go back to your point.

Question: Yeah, but do you really think there is no chance of Ukraine winning, that‘s surely the main thing, surely they stand very little chance of winning without the aid which you are currently blocking.

Urban: No, no. My position is that looking at the reality, looking at the figures, looking at the surroundings, looking at the fact that NATO is not ready to send troops, it‘s obvious that there is no victory for uh poor Ukrainians on the battlefield, it is obvious that there is no chance of victory for Ukrainians on the battlefield.

Quelle: IS RUSSIA PRE-EMPTING THE UKRAINIAN OFFENSIVE? Larry Johnson fmr CIA (ab 21:07)

Das ganze Interview ist sehenswert und extrem scary. Larry Johnson hält es nicht für ausgeschlossen, dass die schon in Europa stationierten Truppen den Einsatzbefehl bekommen könnten, in den Krieg einzugreifen.