CO2-freie Fabrik: Die Herren meinen es ernst

Heute erschien bei Makroskop mein Artikel über die Fachtagung CO2-frei Fabrik, an der ich als Pressevertreterin teilnahm. Ausschnitte:

„Kann Kapitalismus Klimaschutz? Die auf der Fachkonferenz „Die CO2-freie Fabrik“ vorgestellten Strategien und technischen Optionen beeindrucken – und erwecken den Eindruck, dass eine Klimaneutralität bis 2050 möglich ist.

„Achtung, Klimakleber: Der Kapitalismus rettet die Welt.“ Mit diesen provokanten Worten begann die Fachkonferenz „Die CO2-freie Fabrik“, die vom 20. bis 21. Juni in Wetzlar tagte. Wie diese umzusetzen sei, darüber sinnierten die Großen und die Kleinen gemeinsam: multinationale Konzerne, kleine Startups und mittelständische, vorwiegend familiengeführte Unternehmen. 21 Vorträge, eine Betriebsbesichtigung und etliche Gespräche später war klar: die versammelten (fast ausschließlich männlichen) Vertreter meinen es ernst; um im Konferenz-Jargon zu bleiben, they mean business …“

So einfach ist es natürlich nicht, es gibt jede Menge …

„Widersprüche und Zielkonflikte

Trotzdem verträgt sich das Motiv der Gewinnerzielung nicht so einfach mit der „Rettung der Welt“, die Transformation erfolgt im Spannungsfeld vielfacher Widersprüche, wie Marxisten es ausdrücken würden. In der Sprache der Betriebswirte: Zielkonflikte. Auch davon wissen die bei der Konferenz anwesenden Fachleute ein Lied zu singen.

Nicht nur, dass Wachstum CO2- Einsparungen neutralisieren kann …“

Hier der gesamte Artikel: 230705 Die Herren meinen es ernst

Antwort auf Jörg Goldberg

Jörg Goldberg hat in der Zeitschrift Z vom Juni 2023 einen Artikel mit dem Titel „Weltordnung zwischen Globalisierung und Nationalstaaten“ geschrieben. Meine Antwort darauf ist relativ ausführlich ausgefallen.

Antwort auf Jörg Goldberg (Fassung vom 2.7.2023)

Jörg Goldbergs Analyse 1

Fragen 2

Superimperialismus 4

Der Staat als eigenständiger Akteur im Kapitalismus 5

Bipolare Welt und „goldenes Zeitalter des Kapitalismus“;
neoliberale Globalisierung und unipolarer Moment 6

Modernisierung des „Rests der Welt“ 7

Multipolarität 10

Perspektiven 11

Fazit  13

Quellenverzeichnis 15

Welche Umstände führten zum russischen Einmarsch in die Ukraine? Update 18.6.2023

Es passiert öfter, dass bei Moonofalabama hochinteressante Diskussionen stattfinden, es aber sehr mühsam ist, sie durch die Kommentarspalte zu  verfolgen. So auch diesmal.

Dankenswerterweise hat ein Kommentator die Kommentare  zu einer Datei zusammengefasst. Ich denke, so ist eine gute Stoff- und Linksammlung entstanden.

Moonofalabama – Enquiry into Origins and Early Days of SMO (June 2023)

Posted by: Sushi | Jun 1 2023 18:51 utc | 279
„What I now propose is to draft a series on the Past of the SMO, at least the first week, and then post it on MoA, obtain the benefit of the raucous intelligence that inhabits the bar and see if it is possible for us to thrash out a rough history. History is open to alternate interpretations and it should be possible to state alternate interpretations/explanations and the evidence to support each such alternate interpretation.“

Sushi, I was directed to your comment by English Outsider over on AM’s site. As you’ll see from my conversation with him, I think your proposed series on the „Past of the SMO“ is an excellent idea. As a small contribution I’ve gathered what are hopefully all the relevant posts in the threads pointed to by EO into a Word doc. If it’s of any interest, you can find it at this link. Look forward to seeing what comes out of the project. Posted by: Ingolf Eide | Jun 4 2023 5:08 utc | 291

Update:

English Outsider hat nun seine Version, wie ich finde, sehr überzeugende Einschätzung zusammengefasst:

I believe that the Russians were coping adequately with that Western pressure and would have continued to do so, but that they were forced against their will to military action by the immediate and urgent threat to the Donbass. This was, therefore, no „unprovoked“ war. It was provoked by the West …

Hier der vollständige Kommentar:

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Viktor Urban zum Ukraine Krieg

Question: The last couple of seconds you made a great deal about 1956 and fighting for Freedom. You have a neighbor who is invaded by Russia, the very country you know you grew up, with pictures of tanks going into Budapest. Why are you opposing the European Aid?

Urban: No, no it‘s emotionally, it’s tragic, so all of our heart is with the ukrainians, we understand how much they suffer. But I‘m speaking here as a politician who should save lives. So the most important thing for the international political communities is to save lives, especially when you are convinced, as I do, that there is no chance to win this war. So therefore what we should do far more energy invest into to convince everybody that the only solution is ceasefire and then after the ceasefire peace talks to start and then we could go back to your point.

Question: Yeah, but do you really think there is no chance of Ukraine winning, that‘s surely the main thing, surely they stand very little chance of winning without the aid which you are currently blocking.

Urban: No, no. My position is that looking at the reality, looking at the figures, looking at the surroundings, looking at the fact that NATO is not ready to send troops, it‘s obvious that there is no victory for uh poor Ukrainians on the battlefield, it is obvious that there is no chance of victory for Ukrainians on the battlefield.

Quelle: IS RUSSIA PRE-EMPTING THE UKRAINIAN OFFENSIVE? Larry Johnson fmr CIA (ab 21:07)

Das ganze Interview ist sehenswert und extrem scary. Larry Johnson hält es nicht für ausgeschlossen, dass die schon in Europa stationierten Truppen den Einsatzbefehl bekommen könnten, in den Krieg einzugreifen.

Antiimperialismus im Ukraine-Krieg

Der australische Journalist Renfrey Clarke lebte in den 1990er Jahren in Moskau und schrieb darüber für „Green Left Weekly“ in Sydney. Letztes Jahr veröffentlichte er das Buch The Catastrophe of Ukrainian Capitalism: How Privatisation Dispossessed & Impoverished the Ukrainian People.

Die Journalistin Natylie Baldwin führte mit ihm ein Email-Interview über den tiefen Fall der Ukraine von einem weit entwickelten Industriestaat zu Sowjet-Zeiten zu einem rückständigen tief verschuldeten Land. Das Interview und – sicher auch – das Buch sind sehr zu empfehlen.

Im Interview fragt Baldwin auch, warum die Linke, die in der Anti-Globalisierungsbewegung solche Entwicklungen erkannte und mit Recht vehement kritisierte, in Bezug auf die Ukraine-Frage voll im Einklang mit dem liberalen Mainstream zu sein scheint. Darauf gibt der Autor die folgende Antwort (Übersetzung von mir und DeepL):

Meiner Ansicht nach ist es den meisten Teilen der westlichen Linken nicht gelungen, eine angemessene Antwort auf den Krieg in der Ukraine zu finden. Grundsätzlich sehe ich die Wurzeln des Problems in der Anpassung an liberale Haltungen und Denkgewohnheiten und in dem Versäumnis, eine ganze Generation von Aktivisten in den unverwechselbaren Traditionen, einschließlich der intellektuellen Traditionen, der Klassenkampfbewegung zu schulen.
Vielen Mitgliedern der Linken fehlt heute einfach das methodische Rüstzeug, um die Ukraine-Frage zu verstehen – die, um ehrlich zu sein, teuflisch komplex ist. Hier möchte ich zwei Punkte anführen. Erstens ist es für die Linke von entscheidender Bedeutung, eine klare Vorstellung davon zu bekommen, ob das heutige Russland eine imperialistische Macht ist oder nicht. Zweitens sollte sich die Linke bei der Beantwortung dieser Frage auf keinen Fall auf die Denkweise von The Guardian und The Washington Post verlassen. Unsere Methodik muss aus der Tradition linker Denker wie Luxemburg, Lenin, Bucharin und Lukács kommen. Weiterlesen

Imperialismus, Kapitalismus, Sozialismus und der ganze Rest

Zum ersten Mal hatte ich die Gelegenheit dazu, meine Thesen in einem größeren Kreis zu diskutieren. Das war eine sehr interessante und anregende Erfahrung. Ich erhielt anfangs fast durchweg positives Feedback.

In der vertiefenden Diskussion wurden aber sehr schnell unterschiedliche Sichtweisen deutlich. Deswegen habe ich nun versucht zusammenzufassen, worin sich meine Position eigentlich von anderen anti-kapitalistischen Einschätzungen unterscheidet. Wenn ich diese richtig wiedergegeben habe, gibt es da doch enorme Differenzen, wie die unten folgende Tabelle zeigt.

Dabei würde mich vor allem sehr interessieren, welche Alternativen zum Organisationssystem Nationalstaat und zu einer sozial-ökologischen Transformation in nationalen Rahmen es aus links-anti-kapitalistischer Sicht gibt.

Die grundsätzlich positive Aufnahme meiner Gedanken führe ich darauf zurück, dass sich aus meinem Ansatz eine sehr viel praktischere und weniger depressive Handlungsperspektive ergibt als aus den gängigen linken Analysen, die einen zudem immer wieder in das Bündnis mit dem keineswegs wohlwollenden Hegemon treiben.

Meine Suche nach Alternativen begann ja gerade, weil ich zunehmend eine Diskrepanz zwischen der beobachteten Realität und den Einschätzungen und politischen Haltungen des „linken Spektrums“ wahrnahm, und ich mich dort überhaupt nicht mehr aufgehoben fühlte.

Bei den heterodoxen Ökonomen, von denen die meisten nicht in erster Linie den Sozialismus, sondern eine ausgewogene erfolgreiche Volkswirtschaft im Sinn haben, bei Michael Hudson, für den eine solche Volkswirtschaft sozialistisch ist bzw. sein muss, bei geopolitischen Analysten, die sich nicht eindeutig traditionell rechts oder links einordnen lassen, beim Vergleich der Verlautbarungen der unterschiedlichen weltpolitischen Akteure, der konkreten Beschäftigung mit der Tagespolitik und deren  Vorgeschichte, bei marxistischen Ökologen u.v.m. wurde ich fündig und entdeckte eine für mich ganz neue Welt. Aber nun zum Positionenvergleich:
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Der metabolische Bruch

Schon im September erschien der folgende Beitrag bei Makroskop. Der Vollständigkeit halber soll er auch hier veröffentlicht werden.

In meinem Artikel zu Steve Keens BuchNew Economics – A Manifesto“ zitiere ich ihn folgendermaßen:

Anstatt dass Kapitalisten die Arbeiter ausbeuten, wie Marx behauptete, oder dass Kapital und Arbeit gemeinsam einen Anstieg des Nutzens im Laufe der Zeit bewirken, wie die Neoklassiker annehmen, konkurrieren die sozialen Klassen der Menschheit um einen Anteil an der nützlichen Arbeit, die durch die Ausbeutung der bereits vorhandenen Energie – in erster Linie der fossilen Brennstoffreserven des Planeten – geschaffen wird.“

Ein Leser schrieb mir daraufhin freundlicherweise (und freundlich):

Das Buch von Keen scheint mir, folgt man Deiner Darstellung, auch einige Missverständnisse zur Marxschen Werttheorie und der Rolle der Natur in der Ökonomie zu enthalten, die aber auch unter Marxisten weit verbreitet sind.“

Dem ging ich nach. Fündig wurde ich u.a. bei John Bellamy Foster, Professor für Soziologie an der University of Oregon in Eugene und Herausgeber des marxistischen Magazins Monthly Review.

Bei der Lektüre seines neuesten BuchesCapitalism in the Anthropocene“ konnte ich feststellen, dass Marx (und Engels) keineswegs den Beitrag der Natur zur menschlichen Produktion außer Acht ließen. Ganz im Gegenteil: Mit seiner „Theorie des metabolischen Bruchs“ lieferte Marx entscheidende Grundlagen zum Verständnis der heutigen Zivilisationskrise als Folge der kapitalistischen Produktionsweise. Darauf aufbauend gab und gibt es eine reiche marxistische Tradition der Untersuchung des Mensch-Naturverhältnisses, die heute wieder sehr aktuell ist und zunehmend wiederentdeckt wird. Nur wenig bekannt dürfte z.B. sein, dass E. Ray Lancester, der 1873 den Begriff „Ökologie“ prägte, ein Freund von Marx und ein Bewunderer von „Das Kapital“ war. Weiterlesen

Die ukrainische Tragödie

Heute erschien bei Makroskop mein Artikel auf Basis des gleichnamigen Buchs von Nikolai N. Petro. (Hier eine pdf-Version)

Der Autor weist nach, dass der Ukraine-Krieg ein „internationalisierte Bürgerkrieg“ ist, in den weder Russland, noch der Westen aus rein moralischen Erwägungen involviert sind.

Im Westen herrscht die Meinung vor, dass Putin in seinen Reden die gemeinsame slawische Vergangenheit mit den ukrainischen Bürgern beschwöre, um seine imperialen Interessen an der Krim und dem Donbass, und womöglich gar der gesamten Ukraine zu rechtfertigen.

Putin selbst hingegen bezeichnet die von Petro dargestellte „Auslöschung der russischen Kultur“ als „Genozid“ und leitet daraus sein Kriegsziel der „Denazifizierung“ ab. Das fand Bundeskanzler Scholz „lächerlich“. Aber, unabhängig von den Begriffen und davon, ob Putin die Situation nur als Vorwand nutzt – das westliche Narrativ blendet eine große Gruppe ukrainischer Bürger und deren Kultur vollkommen aus, wie Petro verdeutlicht.

Seit dem Maidan basiere, so Petro,

„die Kulturpolitik der ukrainischen Regierung […] auf der Annahme, dass die kulturelle Einheit nur durch die Auslöschung der russischen Kultur, Sprache und Identität innerhalb der Ukraine erreicht werden kann. Diese Annahme steht im Mittelpunkt der staatlichen Politik in den Bereichen Sprache, Religion und historische Bildung …“ (Übers. d. V.)

Dass die Ukraine zum Spielball geopolitischen Auseinandersetzung werden konnte, ist Petros Einschätzung zufolge hauptsächlich auf die tiefe Spaltung zwischen den galizischen und ost-ukrainischen Bevölkerungsgruppen zurückzuführen. Und so toben in der Ukraine zwei Konflikte – der nationale und der geopolitische.

Paradigmenwechsel

Hier ein weiteres Kapitel aus meinem geplanten Opus:

Als 68er waren wir nicht die erste Generation, die der Faszination des Marxismus erlagen. Das Versprechen war, im Gesamtzusammenhang verstehen zu können, was die Welt im Innersten zusammenhält: Die Menschwerdung durch Arbeit, die Entwicklung der Mensch-Natur-Beziehungen, der Beziehungen der Menschen zueinander und der kulturellen und politischen Verhältnisse im Zusammenhang mit den Produktionsverhältnissen im Laufe der Geschichte, die Ungleichheit, die Ungerechtigkeiten und die Kämpfe. Die konkrete Utopie. Und was zu tun ist, um dorthin zu gelangen.

Gräber/Wengrow1 zeigen an archäologischen Funden, wie viel komplexer das alles im Vergleich dazu ist, wie wir es beim Marx/Engels Studium gelernt bzw. verstanden haben. Denn vermutlich hätten die beiden – konfrontiert mit der Faktenlage – alles viel differenzierter gesehen. Weiterlesen