Klaus Dörre befasst sich in seinem Aufsatz ‚Kapitalismus, Natur und die Utopie eines nachhaltigen Sozialismus‘, erschienen in Sozialismus 5-2021, mit einer linken Strategie angesichts der aktuellen ökonomisch-ökologischen Zangenkrise.
Dass wir uns mit unserer Art des Wirtschaftens, der kapitalistischen Landnahme aller Bereiche des Lebens und der Natur, unsere Existenzgrundlagen vernichten, ist allgemein bekannt, und wird unter den Eliten ausführlichst diskutiert (siehe Klaus Schwabs neues Buch: Der große Umbruch – The great reset). Gefordert werden die Vollendung der technologischen Revolution und eine aktivere Rolle des Staates in diesem Zusammenhang; grundsätzlich setzt man jedoch weiterhin auf marktwirtschaftliche Lösungen.
Erfindet sich der Kapitalismus nun mal wieder neu, nach dem Motto ‚Alles muss sich ändern, damit es so bleiben kann wie es war‘?
Nein, antwortet Dörre. Denn die von den Eliten anvisierten Lösungen könnten die bestehenden Probleme nicht wirklich beseitigen, wir befänden uns in einer ökologisch-ökonomischen Zangenkrise; bei dieser handele es sich eben nicht um eine ‚normale‘ Krise des Kapitalismus, in sondern um einen Zivilisationsbruch, in der die Menschheit, um zu überleben, grundsätzlich ihr instrumentelles Verhältnis zu Naturresourcen und nicht-menschlichen Lebewesen überwinden müsse, welches seit Jahrhunderten die Grundlage unseres Wirtschaftens sei.
Die Antwort sei eine sozialistischen Marktwirtschaft, in der demokratisch koordinierte Preise und Anreize in einem sozialistischen Planungssystem neuen Typs sowohl negative (Naturzerstörung) als auch positive (Bildung, Gesundheit, Care-Arbeit) Externalitäten internalisierten. Das Prinzip kapitalistischer Landnahmen würde umgedreht und so das nicht-kapitalistische Andere geschützt. Soziale und Nachhaltigkeitsziele würden in die ökonomischen Funktionsmechanismen integriert.
Es entstehe eine Kreislaufwirtschaft mit langlebigen Gütern, nachhaltig produzierten Dienstleistungen, die sozial egalitär, kulturell jedoch vielfältig sei.
Strategisch sollte sozialistische Politik die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN zur normative Grundlage erklären, denn diese verbinden organische soziale, ökologische und gesundheitliche Ziele und gelten weltweit für alle Gesellschaften. Sie sind auch in dieser Formulierung in Deutschland politisch unumstritten, egal welche Parteienkonstellation künftig die Regierungsmacht erlangt. Die sozial-ökologische Transformation sei immer Thema, die Frage sei nur, ob es bei technokratischen Ansätzen bleibe, die die Krise nicht wirklich überwinden könnten und die soziale Ungerechtigkeit weiter verstärkten.
Reformen von oben, herbeigeführt durch Druck von unten könnten so ein Instrument im Arsenal sozialistischer Politik sein.
Dabei ginge es zunächst um die Begrenzung der Kapitalmacht; das langfristige Ziel sei die Überführung der Produktionsmittel in gesellschaftliche Hand, sodass die Zivilgesellschaft über die Allokation der Ressourcen entscheidet – nicht der Staat im engeren Sinne.
Dörre meint, dass es nun einer grundsätzlichen linken Strategiediskussion bedürfe, die das Lagerdenken überwinde. In den Gewerkschaften meint er eine Entwicklung hin zum Klimaschutz beobachten zu können, in der Klimabewegung eine Hinwendung zu den Gewerkschaften.
Wer allerdings die bewegende Kraft hinter einer sozial-ökologischen Bewegung ist oder sein könnte, bleibt für mich noch offen. Und es Sarah Wagenknechts Verdienst, in ihrem neuesten Buch die scharfen Widersprüche innerhalb der Bevölkerung, die unsere politische Landschaft zurzeit prägen, aufgezeigt zu haben, gleichgültig ob einem die Polemik ihrer Analyse oder die Konsequenzen, die sie zieht, einleuchten / gefallen oder nicht.
Und darüber wie sich aus der Macht der Zivilgesellschaft langfristige gesellschaftliche Planung und die Tat in die notwendige Richtung ergeben kann, angesichts der – antagonistischen und nicht antagonistischen – Widersprüche, in der wir uns befinden, wird nachzudenken sein. Eine Utopie zu formulieren, in der die einseitige Profitorientierung des Wirtschaftens aufgehoben ist, in der also nur noch nicht-antagonistische Widersprüche existieren, ist einfach. Nur wie kommen wir da hin?