Das „intellektuelle und affektive ‚Betriebssystem‘ der Linken“

Peter Wahl bezeichnet sein kürzlich erschienenes Buch „Der Krieg und die Linken“ als Flugschrift, mit der er zum Verständnis des „intellektuellen und affektiven ‚Betriebssystems‘ der Linken“ beitragen möchte.

Zum Verteilen vor der Mensa ist Peter Wahls Flugschrift definitiv zu lang. Für ein Buch jedoch ist es ziemlich kurz, und komplexe Sachverhalte und Argumentationslinien werden darin kurz und knapp auf den Punkt gebracht. Das allein ist schon ein Grund, das Buch zu lesen.

Der Zweck einer Flugschrift ist es, möglichst viele Menschen von einem politischen Anliegen zu überzeugen, zumindest aber ihr Interesse zu wecken, sich genauer damit auseinanderzusetzen. Dieses Anliegen wird abgeleitet aus der Darstellung eines Problems und der komprimierten Analyse seiner Ursachen und möglicher Lösungswege. Was also ist das Anliegen des Autors? Der letzte Satz des Buches könnte klarer nicht sein:

„Auch wenn uns, um noch einmal Brecht zu zitieren, ‚die Worte bereits wie Asche in unserem Mund sind‘: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

Es sei an der Zeit „wieder intellektuelle Gegenmacht gegen Bellizismus und Krieg aufzubauen“.

Peter Wahl bedauert, dass die gesellschaftliche Linke (verstanden als diejenigen, die die soziale Frage in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und tendenziell kapitalismuskritisch eingestellt sind) in der Bewertung des Ukraine-Krieges zersplittert ist,
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Und wo bleibt die Transformation?

Frank Deppe hat ein lesenswertes neues Buch geschrieben: Zeitenwenden? Der „neue“ und der „alte“ Kalte Krieg

In drei Kapiteln (1. Vom Geist der Zeit: Polykrise, Epochenbruch, Zeitenwende, 2. Der alte Kalte Krieg, 3. Der neue Kalte Krieg) umreißt er differenziert die heutige Weltlage und vergleicht sie mit der Situation im „alten“ Kalten Krieg.

Auch wenn sich an manchen Stellen Diskussionsbedarf und Widerspruch regt, z.B. in seinen Ausführungen zu Russland als relativ schwachem Land und zur Einschätzung des American Empire als immer noch im Vergleich sehr starkem Akteur, ist das Buch doch ein sehr guter Ausgangspunkt, um „verzweifelte, vorsichtig tastende Versuche zur Formulierung linker Politik“ zu unternehmen, wie er in einem mündlichen Vortrag zu seinem Buch sagte. Weiterlesen

Was sollte in der heutigen Situation der Kern linker Politik sein?

Ich bin verwirrt und wüsste gerne, was andere dazu zu sagen haben:

These:Wir brauchen eine starke Linke Partei, die den Kampf gegen das Erstarken der Rechten in Europa aufnimmt.“

Da ist sie also die große Gefahr von rechts, und ich höre die Botschaft und denke „Wie kann es durch die Rechten eigentlich noch schlimmer kommen als es sich jetzt gerade entwickelt?“

Es gibt einen Hegemon, der zu uns in der Vergangenheit weitgehend nett war, zumindest was uns Normalbürger betraf. In Deutschland ging es uns ziemlich gut.

So lieb war der Hegemon zu anderen nicht, das ist ja hinreichend bekannt: Die Pläne zur Zerschlagung Russlands, die Zusammenarbeit mit den übelsten Bewegungen – Nazis, Islamisten – und Staaten – Saudi Arabien -, die mörderischen Sanktionen und auch heiße Kriege oder Regime- Change-Versuche. Überall wird an strategisch wichtigen Punkten Unruhe gestiftet. Wer sich dafür interessiert, findet dazu genügend Belegmaterial. Alles unter der Fassade von freedom, democracy und wokeness. Aber die können ihre Fassade auch ablegen, schon Kühnl hat gezeigt, dass der Faschismus hinter dem Liberalismus hervorlugt. Dimitri Babich spricht vom Ultraliberalismus als extremer Form des Liberalismus, und stellt ihm mit dem Faschismus auf eine Stufe. Demnach leben wir schon jetzt in einer mit den Faschismus vergleichbaren Epoche. Weiterlesen

Andalusien: Wahlsieg der Rechtspartei, Zuwachs der Faschisten und das Elend der spanischen Linken

Gastbeitrag von Eckart Leiser

Andalusien hat in Spanien in etwa das politische Gewicht wie Nordrhein-Westfalen in
Deutschland. Darum blickte das Land gespannt auf die regionalen Wahlen vom letzten
Sonntag, werden sie doch als Einleitung des Endes der Linksregierung in Madrid
gewertet. Ergebnis: Die Rechtspartei PP hat sich seit den letzten Wahlen 2018 von 26
auf 58 Abgeordnete mehr als verdoppelt, die sozialistische Partei PSOE – bisher am
stärksten – fiel von 33 auf 30, die beiden Nachfolger des Linksbündnisss Adelante
Andalucía kamen auf zusammen 7 nach 17 Sitzen vor vier Jahren, und die rechtsliberale
Partei, bisher 21 Sitze, verschwand völlig aus dem andalusischen Parlament.

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Zum Ausstieg des Linksbündnisses aus der Marburger Regierungskoalition

Zur konkreten Manifestation eines Grundsatzdilemmas, oder: Wie man sich politisch entmachtet und noch gut dabei fühlt.

Gott schenke mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, die Gelassenheit, die Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann und die Weisheit, beides von einander zu unterscheiden.“ (Motto der anonymen Alkoholiker). Ich wünsche mir zusätzlich die Gnade, in meinem Leben nicht allzu viele Dinge tun zu müssen, die meine wichtigsten Werte verletzen.

Kaum war die Marburger Linksfraktion als Teil von Marburgs Regierungskoalition im Amt, kam sie in die schwerste Situation, in die ein/e Politiker*in mit Grundsätzen kommen kann: trage ich einen Beschluss mit, der gegen meine Grundprinzipien verstößt, um im Amt zu bleiben? Und so wurde nach 12 Tagen die Koalition aufgekündigt.

Die Frage, ob ich Gewerbesteuerkürzungen für eine multinational agierende Pharmafirma mittragen kann, wäre in meiner Jugend für mich ein ‚No-Brainer‘ gewesen: selbstverständlich nicht. Als anti-kapitalistische Linke kann ich doch so etwas nicht unterstützen! Weiterlesen

Wo die Linke uns wirklich im Stich gelassen hat

Die Linke* hat bei der Pandemie versagt, aber nicht, weil sie Corona-Maßnahmen unterstützt hat

von William Mitchell 2.12.2021

Übersetzung von Ulrike Simon mit DeepL

*Gemeint ist die kollektive Linke, nicht die Partei

Hier die Übersetzung des gesamten Textes: 211202 Das Versagen der Linken – Bill Mitchell

Beginn der Übersetzung:

Es sind nicht die lockdowns, die die organisierte und „woke“* Linke als Teil ihrer Solidarität mit der Arbeiterklasse hätte angreifen sollen.

Wo die Linke uns im Stich gelassen hat, ist ihre Umarmung der Mainstream-Makroökonomie als eine Art unbestrittene Wahrheit, die dann nur noch Identität und ähnliche politische Fragen als das Terrain übrig lässt, über das sie mit den konservativen (rechten) Parteien streiten.

Die Tatsache, dass viele linke Regierungen die ersten waren, die den Monetarismus und seine späteren Varianten annahmen, markierte einen Wendepunkt für ihre Legitimität.

Die Linke hat uns im Stich gelassen, weil sie es versäumt hat, ihre politische Stimme zu erheben und darauf zu bestehen, dass die Regierungen die Corona-Maßnahmen folgendermaßen begleiten: Weiterlesen

Und schon wieder Corona (seufz!)

Komplexe Problematik

Wie Ökonomie oder Klimawandel ist auch eine Pandemie eine hochkomplexes Phänomen, das grundsätzlich schwierig zu verstehen ist, und auch erst mit der Zeit verstanden werden kann. Es muss aber sofort damit umgegangen werden und alle sind betroffen. Und dass eine ungleiche Gesellschaft nicht unbedingt gerecht mit der Sache umgeht, und genügend Leute darauf erpicht sind, aus der Lage Profit zu ziehen, ist zu erwarten. Aber grundsätzlich sind die Bürger*innen nicht nur Teil des Problems, das gemanagt werden muss, sondern auch Teil der Lösung.

Politisches Versagen linker Kräfte

(vergl. dazu auch Peter Nowaks Artikel) In dieser Situation gab es nicht nur Verwirrung sondern eine direkte Spaltung der Linken, und nun stehen sich hochemotional besetzte Positionen gegenüber, der Graben scheint unmöglich zu überbrücken. Weiterlesen