Was sollte in der heutigen Situation der Kern linker Politik sein?

Ich bin verwirrt und wüsste gerne, was andere dazu zu sagen haben:

These:Wir brauchen eine starke Linke Partei, die den Kampf gegen das Erstarken der Rechten in Europa aufnimmt.“

Da ist sie also die große Gefahr von rechts, und ich höre die Botschaft und denke „Wie kann es durch die Rechten eigentlich noch schlimmer kommen als es sich jetzt gerade entwickelt?“

Es gibt einen Hegemon, der zu uns in der Vergangenheit weitgehend nett war, zumindest was uns Normalbürger betraf. In Deutschland ging es uns ziemlich gut.

So lieb war der Hegemon zu anderen nicht, das ist ja hinreichend bekannt: Die Pläne zur Zerschlagung Russlands, die Zusammenarbeit mit den übelsten Bewegungen – Nazis, Islamisten – und Staaten – Saudi Arabien -, die mörderischen Sanktionen und auch heiße Kriege oder Regime- Change-Versuche. Überall wird an strategisch wichtigen Punkten Unruhe gestiftet. Wer sich dafür interessiert, findet dazu genügend Belegmaterial. Alles unter der Fassade von freedom, democracy und wokeness. Aber die können ihre Fassade auch ablegen, schon Kühnl hat gezeigt, dass der Faschismus hinter dem Liberalismus hervorlugt. Dimitri Babich spricht vom Ultraliberalismus als extremer Form des Liberalismus, und stellt ihm mit dem Faschismus auf eine Stufe. Demnach leben wir schon jetzt in einer mit den Faschismus vergleichbaren Epoche. Aber zu uns ist der Hegemon auch nicht mehr so lieb. Wir erfuhren es gerade mit dem Terror-Akt gegen die Ostsee-Pipelines, von dem viele vermute, wer dahinter steckt, die politisch Verantwortlichen in Europa es jedoch vermutlich auch wissen. Da wurde sicher für gesorgt; und das erklärt vielleicht zum Teil auch die bisherige Unterwürfigkeit unserer Führungskräfte im transatlantischen Bündnis, denen sicher spätestens beim Amtsantritt deutlich vermittelt wurde, was passieren kann, wenn man muckt.

Wir stehen vor einer Wirtschaftskatastrophe, die von unseren Führungskräften herbeigeführt wurde, die europäischen haben die Maßnahmen mitgemacht, die US-amerikanischen sie im eigenen Interesse veranlasst.

Von Demokratie kann hierzulande nur bedingt die Rede sein, denn viele Menschen fühlen sich nicht mehr vertreten, ihre sozialen Lebensverhältnisse verschlechtern sich und der Staat steuert da nicht gegen. Ein freier offener Diskurs findet nicht mehr ausreichend statt und an den notorischsten Dissidenten werden Exempel statuiert. Wer das offizielle Framing nicht mitmacht, ist entweder Putin-Versteher oder rechtsradikal oder beides.

Jetzt also zu den Rechten: Rechtsoffen zu sein, ist die größte Sünde. Denn Mainstream und Linke sind sich einig: die Rechtsparteien sind die Vorstufe zum Faschismus. Also Nation über alles und ab zum Überfall auf den Osten. Der findet schon statt? Upps.

In Wirklichkeit ist das rechte Lager ja eine bunte Mischung. Die einen machen sich zum Büttel des Neoliberalismus, sie sind wie Meloni Amerika- und EU-freundlich, China-feindlich und gegen irgendeine Sozialpolitik. Und dann vertreten sie konservative Werte wie Familie, Gott und Vaterland und die Erhaltung der Umwelt.

Die anderen vertreten Sozialpolitik, sind kulturell konservativ, wollen Frieden mit Russland und einen starken Nationalstaat, sind EU-skeptisch und gegen Migranten.

Wieder andere haben neoliberale Wirtschaftsansichten, aber wollen Frieden mit Russland, sind kulturell konservativ und sind gegen die Energiewende und die staatliche Corona-Politik.

Nicht alles, was sich dort tummelt, ist also die Vorstufe zum Faschismus. Vieles hat mit Lebenswelten- und Entwürfen zu tun, die in unserer Gesellschaft einen Platz verdienen; manche politische Position müsste gesellschaftlich offen und frei debattiert werden können.

Worin besteht denn dann eigentlich die rechte Gefahr?

Ein nach außen hin eher abgeschotteter Nationalstaat repressiv-konservativer Prägung, der sich hauptsächlich um sich selbst kümmert, wäre – so er denn überhaupt realisierbar wäre – ganz und gar nicht mein Ideal, vermutlich ginge es einigen Minderheiten dort wirklich schlecht. Aber er käme mir deutlich ungefährlicher vor als die jetzige transatlantische „Partnerschaft“. Oder würde das zwangsläufig wieder zu Kriegen von jedem gegen jedem, auch in Europa führen?

Meiner Ansicht nach gefährlich wäre es, wenn innerhalb der rechten Bewegung die Kräfte ans Ruder kommen, die den transatlantischen Kurs offen in politisch repressiver Form verfolgen, kulturell jedoch alle liberalen Positionen unterdrücken und den Sozialabbau vorantreiben. Und dann statt Russland China angreifen. Aber diese Eskalation findet ja gerade schon statt.

Da wäre es doch eigentlich logisch, dass eine linke Partei als erstes einmal Ross und Reiter nennt und deutlich macht, dass die aktuelle Politik nicht in unserem nationalen Interesse ist. Wir brauchen stärkere nationale, zumindest aber europäische Souveränität gegenüber den USA, Frieden mit Russland, russisches Gas und die Energiewende, ein gesamt-europäisches Sicherheitskonzept, friedlichen Handel mit China. Wir brauchen eine aktive staatliche Wirtschafts-, Sozial- Gesundheits- und Bildungspolitik. Eine klare solche politische Haltung wäre – gut fundiert und begründet – m.E. bis in die Mitte der Gesellschaft bündnisfähig.

Aber nein, die Führung der Linkspartei trägt die Sanktionen mit, kämpft im Namen der Bekämpfung des Klimawandels gegen Nordstream 2, bezeichnet Demonstranten als Krawallmacher und ist woke in dem Sinne, dass sie bestimmte kulturelle Positionen als universell gültig definiert. Die Partei kämpft hauptsächlich gegen die Rechten, die die Flüchtlinge nicht aufnehmen wollen, obwohl wir wissen, dass auch die mit der humanitären Maske, die Flüchtlinge ertrinken lassen, und dafür verantwortlich sind, dass es sie überhaupt gibt. Niemand sollte seine Heimat verlassen müssen. Aber in der Linkspartei ist es igitt, über nationale Interessen und über Heimat zu sprechen.

Man spricht zwar von einer im Entstehen begriffenen multipolaren Weltordnung, scheint aber die neu entstehenden Weltmächte eher als Schurkenstaaten zu sehen, die es am Ende genauso zu kritisieren gilt, wie den US-Imperialismus.

Also ich bin verwirrt.

Wenn ich z.B. mich definiere, so bin ich nicht woke, sondern kulturell liberal-konservativ, für eine aktive staatliche Sozial- und Wirtschaftspolitik, für die Energiewende, finde, dass ein Staat grundsätzlich für die Volksgesundheit zuständig ist, und diese nicht den Individuen überlassen darf, bin für eine Politik der nationalen Interessen und Souveränität, und somit gegen die bedingungslose Unterordnung unter die transatlantische Partnerschaft, also gegen die deutsche Nato-Mitgliedschaft, und für eine europäische Sicherheitsarchitektur und Frieden mit Russland. Ich bin EU- und Euro-skeptisch, solange das System so technokratisch gestaltet ist wie derzeit.

Gäbe es eine Partei, in der ich daheim sein könnte? Es sieht gerade nicht so aus. Die Partei wäre ja auch nicht so wichtig, wohl aber eine organisierte politische Kraft mit lauter Stimme.

Habe ich überzeugend formuliert, worüber man mit den Mitgliedern der Linkspartei diskutieren müsste?

Was sollte in der heutigen Situation der Kern linker Politik sein?

13 Gedanken zu „Was sollte in der heutigen Situation der Kern linker Politik sein?

  • Dagmar Henn zum Niedergang linker Organisationen

    Die Hauptursachen:
    – Zerstörung der Gewerkschaften und alles was dazu gehört (Gemeinschaftsreste findet man eher im konservativen Milieu)
    – Zerstörung eines gesellschaftlichen Gegenmodells (damit verengte sich die Bandbreite der politischen Diskussionen radikal)
    – Der Einfluss der Geheimdienste verhindert, dass sich wirklich kritische Organisationen entwickeln können (die kritischen Köpfe bleiben Einzelwesen), sie begründet, warum das vermutlich keine Verschwörungstheorie ist, sondern Realität

  • Was Präsident Xi 2018 in einer vor kurzem veröffentlichten Rede dazu sagte:

    Last year marked the 100th anniversary of the October Revolution. I mentioned this major historical event at the beginning of the second part of the 19th Party Congress report in order to declare the historical impact of the October Revolution on the birth and development of the Chinese Communist Party. As Lenin profoundly pointed out in commemorating the fourth anniversary of the October Revolution, „this first victory is not yet final,“ but „we have already begun this enterprise. It does not matter when and for what period the proletarians of which country will carry this cause to its conclusion. What is important is that the ice has been broken, the voyage has been opened, the way has been shown“. History always evolves according to its own logic. The great success of socialism with Chinese characteristics in China shows that socialism has not perished, nor will it perish, and that it is flourishing with vitality and vigor. The success of scientific socialism in China is of great significance to Marxism and scientific socialism, and to socialism in the world. It is conceivable that if socialism had not achieved the success in China today, if the leadership of the Chinese Communist Party and our socialist system had also collapsed in the domino change of the collapse of the Soviet Union, the fall of the Soviet Communist Party, and the dramatic changes in Eastern Europe, or had failed for other reasons, then the practice of socialism might again have to wander in the darkness for a long time, and again as a ghost, as Marx said wandering in the world.

  • Ich stöbere gerade in Frank Deppes neuestem Buch „Sozialismus: Geburt und Aufschwung – Widersprüche und Niedergang – Perspektiven“
    Es endet mit folgenden Worten:

    „Die Menschen machen“, wie Marx einmal sagte, „ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“(MEW 8: 115) und innerhalb ihrer Grenzen. Falls jedoch die sozialistische Arbeiterbewegung wieder ihre Seele, ihre Dynamik und ihre historische Initiative zurückgewinnen sollte, dann müssen wir als Marxisten das tun, was Marx ebenfalls getan hätte: die neue Situation anzuerkennen, in der wir uns befinden, diese realistisch und konkret (und auch historisch spezifisch) analysieren, dabei auch die Gründe für das Scheitern wie für die Erfolge der Arbeiterbewegung erkunden – und nicht zu formulieren, was wir gerne getan hätten, sondern was unter diesen Umständen getan werden kann.

    Wo er recht hat, hat er recht. Wobei vermutlich jede Menge Möglichkeiten existieren, wie uns Graeber und Wengrow in ihrem Buch „Anfänge“ gezeigt haben.

    • Verträgt sich das Dugins Entwurf einer multipolaren Welt?

      Zusätzlich zu allem anderen können wir endlich diesen grundlegenden Widerspruch zwischen Exklusion und Inklusion der „imperialen“ Identität auflösen: Der Planet erscheint nicht als ein einziges „Oikumen“ (mit der Ausschließlichkeit dieses „kulturellen Rassismus“ in der Verteilung der Titel der „zivilisierten Nationen“ und, im Gegenteil, der „Barbaren“ und „Wilden“), sondern als mehrere „Oikumen“, mehrere „Universen“, wo die Menschen in ihrem eigenen Tempo, in ihrem Kontext, mit ihrer eigenen Zeit, mit ihrem Bewusstsein und ihrem Unbewussten durch mehrere Generationen hinweg leben werden.
      Es ist unmöglich, im Voraus zu sagen, wie die Beziehungen zwischen diesen „Universen“ sein werden. Vielleicht wird es sowohl zum Dialog als auch zur Konfrontation kommen. Aber das Wichtigste ist: Die Geschichte wird weitergehen und wir werden die grundlegende historische Sackgasse überwinden, in die uns der unkritische Glaube an den Fortschritt, die Rationalität und die linear-progressive Entwicklung der Menschheit gebracht hat.

  • Dieser Aufsatz gibt einige Antworten auf meine Fragen und lohnt sich zu lesen.
    Ausgehend von der Fragestellung, ob denn in Italien ein neuer Faschismus droht, analysiert er m.E. überzeugend das Elend der derzeitigen politischen Lage, nicht nur in Italien.

    • Die rechtsextremen nationalistischen Parteien haben halt die Möglichkeit, sobald sie an der Regierung sind, entsprechende Positionen im Staatsapparat, in der Exekutive, Legislative und Judiskative, mit Personen ihrer rechtsextremen bis faschistischen Einstellung zu besetzen. Das beeinflusst vor allem den polizeilichen Apparat und die Staatsanwaltschaft und erhöht die gewalttätige Repression gegen Minderheiten und die Opposition und die Kritiker und Demokraten bekommen Probleme, ihre Rechte gegen staatliche Willkür wahrzunehmen. Insofern bestehen meines Erachtens schon deutliche Unterschiede zwischen den politischen Parteien der Kapitalistenklasse und es kann Sozialisten und Demokraten sicher nicht gleichgültig sein, welche herrscht.

    • Zusammenfassung der Gedanken von Stefano G. Azzarà in dem o.a. Artikel

      Antifaschismus ist eine Propagandaformel der linksliberalen Medien genauso wie die Behauptung der Rechten, Mitte-Links sei kommunistisch. Der Zweck: Spaltung der Öffentlichkeit in zwei Lager, mit dem Ziel, dass die Wähler sich am Ende doch noch zähneknirschend für Mittel-Links entscheiden, um die rechte Gefahr zu verhindern.

      Trotz der faschistischen Nostalgie in Melonis Wahlprogramm besteht heute nicht die Gefahr der Rückkehr zum klassischen Faschismus.

      Es gibt eine wirkliche autoritäre Gefahr und Tendenz in unserer Gesellschaft: Die geht aber nicht von den Massen aus, die Rechtspopulisten wählen, sondern von den herrschenden Klassen selbst, denen sich Mitte-Links angedient hat.

      • Mittel-Links hat den Sozialabbau mit betrieben.
      • Sie haben die formal progressive, universalistische, grüne, marktradikale, individualistische Ideologie der Herrschenden mitgetragen und dem keine eigene solidarische Ideologie entgegengesetzt.

      Deswegen ist es kein Wunder, dass die Massen, die nicht von diesen Entwicklungen profitieren, den Mitte-Links Parteien nicht vertrauen und ideologische Alternativen suchen. Das heißt nicht, dass diese Parteien auch wirkliche Alternativen zu bieten hätten. (Wie Melonis politische Vernetzung zeigt, könnte es im Falle der Fratelli sogar so sein, dass die Partei eingespannt werden könnte für eine autoritärere Regierungsvariante).

      Die Hinwendung zu Rechtspopulisten ist Ausdruck der heutigen Krise, in der die Umverteilung als Basis für eine inklusivere Demokratie nicht mehr möglich ist, Technokraten undemokratisch regieren etc.
      Um ihre Interessen zu vertreten, benötigt die herrschende Klasse keinen klassischen Faschismus mehr. Stattdessen kommt es zu verschiedenen bonapartistischen Experimenten: Der Neoliberalismus, der sich politisch und kulturell seiner Klassengegner entledigt hat, tritt absolut auf, als grenzenloser und ungebremster Ausdruck der herrschenden Interessen. Und auf diesem Terrain haben sich alle politischen Parteien neu positioniert. Es geht um verschiedene Varianten neoliberaler Herrschaft. Und dazu gibt es keine Alternative.

      In Italien z.B. gibt es also tatsächlich eine Tendenz zur Entwertung der demokratischen Organe, „Verschlankung“ des Parlaments, Entwicklung zum Präsidialsystem, autoritärer Verformung der Verfassung. Diese Entwicklungen sind zu bekämpfen, wurden aber von allen Parteien mitgetragen.
      In diesem Licht ist die Tendenz zum Nichtwählen durchaus gewollt: Eine moderne Version des 2-Klassen-Wahlrechts. Man braucht keine Wähler mehr formal auszuschließen, sie wählen einfach nicht, weil es für sie keine Vertretung gibt. Und das ist aus neoliberaler Sicht gut so.

      Schlussfolgerung des Autors: Das Problem unserer Zeit ist nicht das des Faschismus, sondern das eines alternativlosen und sich selbst überlassenen Liberalismus, der für Entmündigung sorgt und jederzeit in Autoritärismus umschlagen kann, wenn es die Situation erfordert. (Und das, so möchte ich ergänzen, je nach den politischen Gegebenheiten, auch mithilfe einer rechtspopulistischen Partei, die aber nicht unbedingt benötigt wird – in Deutschland erledigen das die Grünen).

      Und meine Schlussfolgerung wäre:
      Das Problem der Linkspartei ist, dass sie das als Partei nicht erkennt und deswegen – trotz vieler vernünftiger wirtschaftspolitischer Forderungen und vieler engagierter Menschen, die unermüdlich in allen möglichen Bewegungen aktiv sind – keine grundsätzliche Alternative entwickelt, jedenfalls nicht politisch und kulturell. In Grundfragen hat sie sich damit auf die Seite der Herrschenden gestellt. Und auch praktisch, wie das Verhalten führender Vertreter dieser Partei in den aktuellen Auseinandersetzungen zeigt.
      Wer eine Alternative sucht, muss sich von dem Links-Rechts-Schema lösen, und sich unabhängig davon mit den heutigen Realitäten auseinandersetzen. Das ist erst einmal äußerst frustrierend und traurig. Erstens, weil es keine organisierte Gegenkraft gibt. Und zweitens, weil in dieser Rechts-Links-Debatte viele Dinge ideologisch und moralisch belegt, wenn nicht sogar tabuisiert sind, z.B. Diskussionen über die Rolle des Nationalstaates oder die universelle Gültigkeit liberaler Werte.

      • Von dem Links-Rechts-Schema würde ich mich nur ungern lösen 🙂 Die Kritik an der Klassengesellschaft und das Ideal der klassenlosen Gesellschaft war für mich immer das, was linke Politik begründet. Rechte Politik dagegen nimmt Klassenherrschaft hin und rechtfertigt sie. Daraus folgt aber in keiner Weise, wie eine linke Politik in einer konkreten Situation aussehen sollte. Es ist nur für mich der Maßstab, den ich in letzter Instanz anlege.
        Für die aktuelle Politik ist die Analyse der konkrete Situation entscheidend. Wir wissen, wie extrem unterschiedlich solche Analysen ausfallen können. Mein Ideal muss da nicht besonders hilfreich sein. Schlimmstenfalls kann es mir auch den Blick auf die Realität trüben.

        • Wir sind daran gewöhnt, in Klassenkampf-Kategorien zu denken, und sind der Meinung, dass antagonistische Klassenkonflikte vorhanden sind, dass nur die Überwindung der Kapitalistenklasse durch die Arbeiterklasse zu der egalitären Gesellschaft führen kann, die wir uns vorstellen.
          Diese hat nur dann eine Chance, wenn tatsächlich die kapitalistische Produktionsform voll ausgereift ist.

          Konservative Ideologien sehen das grundsätzlich nicht so. Für die besseren unter ihnen gibt es jedoch so etwas wie eine Staatskunst, die dafür sorgt, dass das gesamte Gemeinwesen funktioniert. Sie sehen durchaus, dass sich Ökonomie und Gesellschaft weiterentwickeln, Konservativismus kann überhaupt nur als Antwort auf Verlusterfahrungen entstehen. Konservative Ideologien befassen sich mit grundsätzlichen Fragestellungen und Gegebenheiten, die auch Sozialisten nicht ignorieren können:

          • Kann es so etwas wie organischen Wandel geben oder geht das nur revolutionär? Vor dieser Frage stand z.B. China zu Beginn der ökonomischen Reformperiode in den 80ern
          • Menschen sind nicht nur rationale sondern auch instinktgesteuerte Wesen, was wir jeden Tag selbst erfahren können
          • Menschen sind soziale Wesen, nicht nur freie Individuen, die Vereinzelung z.B. ist eines unserer großen gesellschaftlichen Probleme im hier und jetzt
          • Menschen haben eine Geschichte und ein gesellschaftliches Umfeld, sie sind nicht absolut frei, sie brauchen eine Erzählung, in der sie vorkommen
          • Es gibt nicht nur universell gültige Gegebenheiten und Werte, sondern auch sehr spezifische, die nicht zu ignorieren sind – die Welt ist äußerst divers, da passen keine one-size-fits-it-all Konzepte
          • Die heutige kapitalistische Industrie-Gesellschaft ist sehr komplex, da gilt das oben gesagte
          • Kultur, Religion und Moralvorstellungen spielen eine wichtige Rolle im Leben der Menschen, schon allein deswegen, weil eine Gesellschaft ohne intrinsische Werte nur durch Gewalt von außen gesteuert werden kann. Worauf sollen die gründen?

          Das sind alles Dinge, die heute diskutiert werden müssen; welche Antworten genuin Linke (in dem von Dir definierten Sinne) in der heutigen Situation darauf finden (können), weiß ich nicht.

  • „Was sollte in der heutigen Situation der Kern linker Politik sein?“

    Ich finde halt „links“ und „linke“ Politik einen Oberbegriff, mit dem im allgemeinen Sprachgebrauch sehr viele unterschiedliche Strömungen recht schwammig charakterisiert und zusammengefasst werden, von kommunistisch, marxistisch, anarchistisch, pazifistisch, trotzkistisch, linkssozialdemokratisch, Graswurzel, Wokeness, Idenditätsbewegungen, Antiglobalisierungsbewegung, Hausbesetzer, Sponti, FFF, Antifaschisten, VVN. etc. , Ursprünglich bezog sich „links“ ja nur auf die Sitzordnung im Parlament.

    Ich könnte nur eine sozialistische Politik versuchen zu bestimmen, bei welcher die Interessen der ausgebeuteten Klassen international politisch und organisatorisch vertreten werden, und von da aus das Bündnis mit anderen Strömungen in der Gesellschaft in der politischen Praxis definieren, bestimmen. Fehlt die klare sozialistische, antikapitalistische inhaltliche Bestimmtheit und Organisiertheit, fehlt der Kern, zerfällt die „linke“ Politik unf erfüllt diverse Interessen der Kapitalistenklasse.

    • „Fehlt die klare sozialistische, antikapitalistische inhaltliche Bestimmtheit und Organisiertheit, fehlt der Kern, zerfällt die „linke“ Politik unf erfüllt diverse Interessen der Kapitalistenklasse.“
      In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation wäre vor allem die Unterstützung der Lohnkämpfe der wichtigste Bestandteil für eine sozialistische Partei und für die PdL. Das praktizieren als Sozialisten primär die Trotzkisten, inhaltlich und auch organisatorisch: https://www.wsws.org/de/articles/2022/10/01/per1-o01.html .

  • Alastair Cooke schreibt, warum und inwiefern die Hauptgefahr für die Demokratie und eine friedliche Weltordnung vom heutigen politischen Führungspersonal ausgeht (Deutschland als wiedererstarkte Militärmacht, Unterdrückung von Andersdenkenden …) und nicht von den Populisten. Der Link führt zur deutschen Übersetzung seines Artikels.

    https://strategic–culture-org.translate.goog/news/2022/10/03/tearing-down-the-pantheon-of-western-founders-and-heroes/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de

  • Food for thought

    Glenn Diesen schreibt in seinem Buch „Russian Conservatism„:

    Die liberale internationale Ordnung war im Wesentlichen eine internationale revolutionäre Bewegung, die darauf abzielte, die Welt auf der Grundlage liberaler Ideale neu zu ordnen, was sowohl innenpolitische als auch internationale Auswirkungen hatte. Der neoliberale Konsens hat die politische Linke daran gehindert, den Wohlstand umzuverteilen, und die politische Rechte daran gehindert, die Gemeinschaft und die traditionellen Werte zu bewahren. Russland und die klassischen Konservativen im Westen wie im Osten definieren die Trennlinien in der Welt neu: Nationalpatriotismus versus Kosmopolitismus-Globalismus.

    Übersetzt mit http://www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

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