US-Außenpolitik: Liegt ein Wandel in der Luft?

Wie soll es angesichts der veränderten Weltlage außenpolitisch weitergehen? Damit beschäftigen sich in der neuesten Ausgabe von Foreign Affairs rechtzeitig zum Präsidentschaftswahlkampf gleich drei Artikel aus drei verschiedenen Richtungen.

Für die größte Überraschung sorgte dabei Ben Rhodes, der von 2009 bis 2017 stellvertretender
Nationaler Sicherheitsberater für strategische Kommunikation und Redenschreiben in der Obama-Regierung war. Dass er mit dem jetzigen Sicherheitsberater Bidens Jake Sullivan einen Think Tank gegründet hat, spricht dafür, dass er auch heute noch eine wichtige politische Figur ist. In einer gewaltigen Abkehr von der bisherigen US-Politik plädiert er unter der Überschrift „A Foreign Policy for the World as It Is – Biden and the Search for a New American Strategy“ dafür, dass die USA

„die Denkweise des amerikanischen Primats aufgeben“ und „sich von den politischen Erwägungen, dem Maximalismus und der westlich-zentriertenSichtweise abwenden, die dazu geführt haben, dass die  Regierung [Biden] einige der gleichen Fehler wie ihre Vorgänger gemacht hat“. [Übersetzung d. V.]

Bevor wir uns damit beschäftigen, wie Rhodes zu dieser Schlussfolgerung kommt, zunächst ein Blick auf die anderen Konzepte:

Trumps Konzept: Frieden durch Stärke

Die „progressive“ Antwort: Eine Kraft des Guten in einer Welt der Zielkonflikte

240705 Quo Vadis Amerikanische Außenpolitik 2-Teiler

Der vollständige Artikel erschien in leicht veränderter Form auf Makroskop.

Ukraine-Krieg: Was ist. [Mit update]

In aller Kürze formuliert es Larry Johnson so:

1. Dass Putin ein neues russisches Reich errichten und die Welt erobern will, ist schwachsinnige Propaganda.

2. Westliche Nachrichtendienste spielen die ukrainischen Verluste herunter und übertreiben bei den russischen Toten und Verwundeten gewaltig.

3. Drittens: Schon allein auf der Grundlage von offenem Quellenmaterial lässt sich klar sagen, dass die legitimen Aussichten für die Ukraine, ihr Militär neu zu formieren und Russland wirksam herauszufordern,  gleich NULL sind!

4. Die derzeitige US-Politik verprellt Verbündete und stärkt die multinationale Allianz unter der Führung Russlands und Chinas. Die strategischen Implikationen, die sich daraus ergeben, stellen die Sicherheit der Wirtschaft der Vereinigten Staaten und ihre derzeitige hegemoniale Position in der Welt infrage.

Zum gleichen Thema Alexander Mercouris(Übersetzung von mir):

(Wie er kann und will man eigentlich nicht glauben, was man da beobachten muss)

Vor allem seitens der NATO ist das Ausmaß der Leugnung über die militärische Lage, über die Produktionszahlen von Artilleriegeschossen, über die Wirksamkeit der Luftabwehrraketen, über die Wirksamkeit der Raketenangriffe erstaunlich. Weiterlesen

Was so als Politikwissenschaft durchgeht

Die Politikwissenschaft blickt staunend auf ein Phänomen: Wie ist zu erklären, dass das links-autoritäre Bündnis Sarah Wagenknecht laut Umfragen auch auf Stimmen rechts-autoritärer Wähler hoffen kann, die bisher die AfD wählten? Eine rechtzeitig zu den Europawahlen veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern der Universität Potsdam fand nun die Erklärung: Das BSW ist populistisch. Und populistische Einstellungen sind in beiden Wählergruppen weit verbreitet. So fasst die Studie zusammen:

Die Analyse sämtlicher Reden (ca. 10.000) und Pressemitteilungen (ca. 19.000) aller Linken-Bundestagsabgeordneten in der Fraktion zwischen 2005 und 2023 zeigte, dass Sarah Wagenknecht unter den Linken-Abgeordneten mit Abstand am häufigsten populistische Kommunikationselemente einsetzte.

Gut dass es gute Software und KI gibt, sonst wäre diese Fleißarbeit sicher nicht zu schaffen gewesen und das Publikum wäre weiterhin dumm geblieben.

Ich habe mich bei Makroskop darüber ausgelassen.

240605 Populismus-Studie

Wähler-Schelte statt inhaltlicher Auseinandersetzung

So eine wahre Beobachtung:

[…] as I write this, demonstrations are continuing by the major parties in France that form part of the established system, against the “extreme Right,” which is to say the parties for which more than a third of French people actually voted on 9 June. Deliberately antagonising and smearing a third of the electorate in a democracy is not only unacceptable behaviour, it’s also extremely amateurish (sic) and stupid. But the belief that you can insult your way to power is now deeply ingrained in western political parties.

Xi Jinping belehrt Scholz

Hier ein seriöser Bericht:

Olaf Scholz in China: Zumindest die Chinesen scheinen ihn zu schätzen

Und hier Mercouris‘ Bericht und Kommentar (Übersetzung und Hervorhebung von mir – Konnte ich mir nicht verkneifen):

Nun muss ich mich einem faszinierenden Treffen in Peking zwischen dem deutschen Bundeskanzler Scholz und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zuwenden. Es war eine der niederschmetterndsten an einen westlichen Staatsführer gerichteten Belehrungen zur Ukraine-Politik des Westens, die ich je von einem Chinesen gehört habe. Darin tat Xi Jinping alles, um Olaf Schulz absolut klar zu machen, dass Deutschland seiner Meinung nach mit seiner gesamten Ukraine-Politik völlig falsch liegt. Es ist schwierig, dem, was Xi sagte, in vollem Umfang gerecht zu werden, aber der chinesischen Verlautbarung zufolge hielt er Scholz einen Vortrag, in dem er dargelegte, was zur Lösung der Ukraine-Krise zu tun wäre.

Alle Parteien sollten sich zu einer baldigen Wiederherstellung des Friedens verpflichten, um zu verhindern, dass der Konflikt eskaliert und sogar außer Kontrolle gerät. Dazu sollten eine Reihe von Grundsätzen befolgt werden:

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Vom finanzialisierten Neoliberalismus zu einer produktiven und nachhaltigen Volkswirtschaft

Wie angekündigt nun die Zusammenfassung von Radhika Desai und Michael Hudsons finanzpolitischen Forderungen als Mitglieder des Beratungsteams von Jill Stein.

Im amerikanischen Wahlsystem haben third-party candidates bisher keine Chance. Dr. Jill Stein kandidiert trotzdem bei den US-Präsidentschaftswahlen nun schon zum zweiten Mal für die Green Party. So bekommen diejenigen eine Stimme, die keinen der beiden Haupt-Kandidaten als kleineres Übel zu betrachten vermögen; und im Umfeld ihrer Kandidatur können klare alternative politische Positionen formuliert werden.

Genau das tun die Ökonomen Radhika Desai und Michael Hudson als Mitglieder des Beratungsteams der Präsidentschaftskandidatin. In ihrem Video vom 9.2.2024 „Economic Solutions: How To Go from Financialized Neoliberalism to a Productive, Sustainable Economy“ erläutern sie ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen zur Reform des Finanzsystems. Denn ohne grundlegende Veränderungen dort, die Reform seiner „Wurzeln und Verästelungen“, wie es Desai ausdrückt, sei jeder Transformationsversuch zum Misserfolg verurteilt – ganz gleich wie die jeweilige Vorstellung von einer gerechteren und nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung im Einzelnen auch aussehen mag.

Ihre Ausführungen beziehen sich auf die USA sind jedoch vom Grundsatz her auch für Europa bzw. Deutschland von Interesse. Angesichts der bestehenden Realitäten mögen sie utopisch erscheinen. Aber, so Desai und Hudson, ihre Vorstellungen seien ohne weiteres realisierbar, keineswegs neu und schon vor Jahrzehnten gründlich durchdacht und teilweise erfolgreich erprobt worden. Die Umsetzung scheitere nicht an der technischen Machbarkeit oder der fehlenden Wirksamkeit der Maßnahmen für die gewünschten Zwecke. Sie scheitere am politischen Willen.

Diese Erkenntnis ist wichtig für alle, die die heutigen Verhältnisse verändern möchten, so aussichtslos das aktuell auch erscheinen mag: entlarvt sie doch das heute so wirksame Dogma der Alternativlosigkeit als Mythos.

Dazu sagt Desai:

„… da die politische Legitimität und Macht derjenigen, die an der Spitze des Systems stehen, insbesondere in den Vereinigten Staaten, zusehends schwindet, […] ist es jetzt an der Zeit […], Forderungen nach einem alternativen System zu stellen.“

Die im Video erörterten Stellschrauben dafür sind: Geldschöpfung, Geldpolitik, Steuerpolitik, Eigentum an Grund und Boden, Kontrolle der Finanzindustrie, Einkommenspolitik und Veränderung des Weltwährungssystems. Weiterlesen

Liebesgrüße an Moskau

Sanktionen: Liebesgrüße an Moskau

James K. Galbraith ist Inhaber des „Lloyd M. Bentsen Jr. Lehrstuhls“ für Beziehungen zwischen Staat und Wirtschaft an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs und einer Professur für Staatswissenschaften an der University of Texas in Austin. In den frühen 1980er Jahren war er geschäftsführender Direktor des Gemeinsamen Wirtschaftsausschusses des US-Kongresses und davor als Ökonom im Bankenausschuss des Repräsentantenhauses. Von 1996 bis 2016 war er Vorsitzender des Vorstands von „Economists for Peace and Security“ und leitet heute das „University of Texas Inequality Project“. Er ist geschäftsführender Herausgeber von „Structural Change and Economic Dynamics“.

Welche Auswirkungen haben die Sanktionen auf die russische Wirtschaft? Mit dieser Fragestellung befasst sich eine Studie des Professors, deren Ergebnis er nun in einem Video des „Institute for New Economic Thinking“ zusammenfasste. Sein Fazit: Dem Land hätte in Bezug auf seine wirtschaftliche Entwicklung nichts Besseres passieren können. Hier eine Zusammenfassung.

Die wichtigsten erklärten Sanktionsziele waren a) die starke Reduzierung von Russlands Exporteinnahmen, um den Land die Finanzmittel zur Kriegführung zu entziehen, b) die Verhinderung seines Zugangs zu kritischen Militär-Technologien und c) Erzeugung von Druck der Zivilbevölkerung und Oligarchen auf das politische Regime. Wie deren von Anfang 2022 bis in die erste Hälfte des Jahres 2023 hinein geäußerten Erwartungen zeigen, glaubten die Sanktionsbefürworter, die Sanktionen würden die russische Wirtschaft zerstören oder in die dauerhafte Bedeutungslosigkeit verbannen.

Waren diese Erwartungen realistisch, und haben sie sich bewahrheitet? Weiterlesen

Das „intellektuelle und affektive ‚Betriebssystem‘ der Linken“

Peter Wahl bezeichnet sein kürzlich erschienenes Buch „Der Krieg und die Linken“ als Flugschrift, mit der er zum Verständnis des „intellektuellen und affektiven ‚Betriebssystems‘ der Linken“ beitragen möchte.

Zum Verteilen vor der Mensa ist Peter Wahls Flugschrift definitiv zu lang. Für ein Buch jedoch ist es ziemlich kurz, und komplexe Sachverhalte und Argumentationslinien werden darin kurz und knapp auf den Punkt gebracht. Das allein ist schon ein Grund, das Buch zu lesen.

Der Zweck einer Flugschrift ist es, möglichst viele Menschen von einem politischen Anliegen zu überzeugen, zumindest aber ihr Interesse zu wecken, sich genauer damit auseinanderzusetzen. Dieses Anliegen wird abgeleitet aus der Darstellung eines Problems und der komprimierten Analyse seiner Ursachen und möglicher Lösungswege. Was also ist das Anliegen des Autors? Der letzte Satz des Buches könnte klarer nicht sein:

„Auch wenn uns, um noch einmal Brecht zu zitieren, ‚die Worte bereits wie Asche in unserem Mund sind‘: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

Es sei an der Zeit „wieder intellektuelle Gegenmacht gegen Bellizismus und Krieg aufzubauen“.

Peter Wahl bedauert, dass die gesellschaftliche Linke (verstanden als diejenigen, die die soziale Frage in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und tendenziell kapitalismuskritisch eingestellt sind) in der Bewertung des Ukraine-Krieges zersplittert ist,
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Neuer Kalter Krieg oder Neue Entspannungspolitik?

Warum ist die Entspannungspolitik, die vor 40 Jahren in Deutschland mehrheitsfähig war, heute nicht mehr „in“? Muss die heutige Entwicklung in einen neuen Kalten Krieg münden, komplett mit Eskalationsspirale, Militarisierung, Freund-Feind-Denken und deutschen Atomwaffen? Oder könnte eine neue Ära der Entspannung beginnen, weil die Angst vor dem „Imperialisten Putin“ keine realistische Grundlage hat?

Dazu habe ich einen Zweiteiler geschrieben, der in leicht veränderter Form bei bei Makroskop erschien.

Hier meine Originale:

231213 Zukunft Europas Teil 1 – Entspannungspolitik und Zeitenwende -1

231213 Zukunft Europas Teil 2 – neuer Kalter Krieg oder neue Entspannungspolitik-1