Nach der Wahl – Gibt es eine Chance für das Klima?

Am 1. September 2021 war Klima das aus Sicht von 40 % der Deutschen wichtigste Thema, kein anderes wurde bei einer Umfrage häufiger genannt.

Diese stand sicher unter dem Einfluss der Flutkatastrophe 2021, bei der allein in Deutschland mindestens 183 Menschen starben und Schäden von ca. 20 Mrd. US-Dollar entstanden; es war das teuerste Flutereignis in der Geschichte Europas.

Zeitgleich wurde der 1. Teil des neuesten Berichts des Weltklimarats (IPCC-Bericht) veröffentlicht. Während bisher ein eindeutiger Zusammenhang zwischen extremen Wetterereignissen und menschengemachtem Klimawandel wissenschaftlich nicht eindeutig hergestellt werden konnte, flossen in diesen Bericht die Ergebnisse der sog. „Attributionsforschung“ mit ein. „Demnach kann man zwar nach wie vor nicht ein einzelnes (Extrem-)Wetterereignis direkt aus dem Klimawandel ableiten, aber die Veränderung der Häufigkeit und auch der Intensität für bestimmte Ereignisse kann durchaus ermittelt werden.

Die Häufigkeit von Hitzeereignissen an Land, das vorher nur durchschnittlich aller 10 Jahre aufgetreten war, hat sich mit dem einen Grad an global-durchschnittlicher Erwärmung schon von 1 auf 2,8 erhöht. Bei 2 Grad wird sie sich um den Faktor 5,6 erhöht haben. Die Häufigkeit von Starkniederschlägen steigt bei 1 Grad Erwärmung auf das 1,3-Fache, bei 2 Grad auf das 1,7 Fache.“

Im April 2021 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass Deutschland die Klimaziele, zu denen es sich mit Ratifizierung des Pariser Klimavertrags verpflichtet hat, mit der bisherigen Klimapolitik nicht einhalten kann.

Deshalb hat die Bundesregierung eine Novelle des Klimaschutzgesetzes ausgearbeitet. Diese sieht vor, dass Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral wird, das heißt fünf Jahre früher als geplant. Dann sollen nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie wieder gebunden werden können.

Gleich in welcher Zusammensetzung steht die neue Bundesregierung vor der Aufgabe, das in der letzten Legislaturperiode beschlossene Klimaschutzgesetz umzusetzen.

Auf welchen Wählerauftrag kann sie sich dabei berufen?

Das Bundestagswahlergebnis scheint zu zeigen, dass in der deutschen Bevölkerung die Angst vor Veränderung überwiegt:

10,3 % wählten mit der AfD eine Partei, die Klimaschutzmaßnahmen für überflüssig hält, weitere 11,5 % mit der FDP eine Partei, die die Klimaziele erst später als bisher beschlossen erreichen möchte (2050 statt 2045), nur auf den freien Markt setzt und staatliche Maßnahmen, wie z.B. Zuschüsse zum Kauf von Elektroautos grundsätzlich ablehnt. Die CDU bekennt sich zu den von ihnen mit beschlossenen Klimazielen, setzt aber ebenfalls vorwiegend auf marktwirtschaftliche Instrumente. Die Wirtschaft hofft wohl mit FDP und CDU darauf, Klimaschutz ohne nennenswerte staatliche Eingriffe erreichen zu können, die aus ihrer Sicht zur Erhöhung der Produktionskosten und Verringerung ihrer Konkurrenzfähigkeit führen würden.

Und viele Arbeitnehmer*innen, die eigentlich schon wirksame Klimaschutzmaßnahmen wünschten und deswegen zu den Grünen tendierten, befürchteten am Ende wohl doch zu hohe Energiepreise und wollten sich dann doch lieber auf die SPD verlassen, die wie die CDU an den beschlossenen Klimazielen festhält aber verspricht, soziale Belange mit zu berücksichtigen. Im Klimakabinett bedeutete das z.B., dass die SPD die CO2-Abgabe aus sozialen Gründen niedrig halten wollte und damit die Klimaschutzwirkung verwässerte, was dann erst im Bundesrat korrigiert wurde. Warum die Linke, die einerseits für klare Klimaschutzmaßnahmen (sie fordert wie die Grünen Klimaneutralität bis 2035) und andererseits für wirksame Entlastung der niedrigen Einkommensschichten eintritt, in diesem Zusammenhang kaum punkten konnte, und insgesamt herbe Verluste einfuhr, wäre zu analysieren.

Während also einerseits die Notwendigkeit wirksamen und schnellen Handelns klarer denn je ist, lautet der mehrheitliche Wählerauftrag: Wasch mich aber mach mich nicht nass!

Schlechte Nachrichten für den Klimaschutz, es sei denn die neue Koalition erfindet die eierlegende Wollmilchsau?

Ein solches Ergebnis ist ja keine wirkliche Überraschung. Was die engagierte Klimaschützerin frustriert, ärgert und erstaunt, ist die Tatsache, dass keine Partei einen strategischen Plan zum Erreichen der Klimaziele vorlegen kann, der u.a. auch diese Stimmungen berücksichtigt. Die Parteiprogramme lesen sich wie eine Sammlung für „Wünsch-Dir-Was“. (Rühmliche Ausnahme ist die Berliner Klimaliste, die im Mai den beachtenswerten Klimaplan Berlin vorlegte.)

Es ist schon erstaunlich, dass Unternehmen und unternehmerfreundlich ausgerichteten Parteien volkswirtschaftlich auf die unsichtbare Hand des Marktes setzen, während es betriebswirtschaftlich inzwischen ausgeklügelte Konzepte der strategischen Unternehmensplanung gibt, die ganz und gar nicht auf Zufälle vertrauen, und die insbesondere den Ungewissheiten und widrigen Umständen geplant begegnen. Ärgerlich ist es, dass auch die Parteien, die grundsätzlich Fiskalpolitik für wichtig halten, diesbezüglich so wenig vorzuweisen haben.

So sind in der Politik strategische Planungsinstrumente nur rudimentär vorhanden, wie z.B. im Regionalmanagement oder bei Masterplänen zum Klimaschutz. Nur fehlt es auch bei diesen in der Regel sowohl an der theoretischen Fundierung als auch an wirkungsvollen Kontroll- und Lenkmethoden. Aber wie anders können komplexe, die gesamte Gesellschaft betreffende globale Herausforderungen anders bewältigt werden?

Das ist nicht nur im Bereich Klimaschutz Thema, und so ist ein sehr erfreulicher Ansatz, dass die Freiburger Diskurse in Zusammenarbeit mit Makroskop im Vorfeld der Bundestagswahlen die Broschüre „Wahlprogramm sucht Partei“ herausgaben, und die Grundlagen für diese Forderungen dazu im passenden Themenheft ausführlich begründeten.

Diese Hefte gehören nach der Wahl keineswegs in die Mülltonne sondern sind während der Erarbeitung des Regierungsprograms und in der kommenden Legislaturperiode ein wichtiger Maßstab für die Beurteilung der aktuellen Politik und eine Grundlage für politisches Handeln der Bürger.

Für den Klima(schutz hat Agora Energiewende im Juni 2021 ein 50-Punkte Programm für die 20.Legislaturperiode vorgelegt.

Hier der vollständige Artikel 62246833_neue-regierung-neue-chance-fuer-den-klimaschutz, der am 5.10.2021 auf Makroskop erschien. (Bilder: Agora Energiewende)

 

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