Behauptung: Dass ein Staat ständig mehr Geld ausgibt als er durch Steuern einnimmt, kann auf die Dauer nur ins Desaster führen, und belastet künftige Generationen.Außerdem ist es illusionär zu glauben, man könne damit den Konsum anheizen und wirklich etwas verbessern. Früher oder später werden die Erfolge durch Inflation oder Investitionsverzicht der Unternehmer wieder zunichte gemacht. Der Staat muss sich das Geld, das er braucht, durch Steuern von den Reichen holen, also durch Umverteilung des schon vorhandenen Gelds.
Marx Ausführungen scheinen diese These zu bestätigen.
Duncan Foleys schreibt in seiner Einleitung zu Suzanne De Brunhoffs 1967 erschienenem Buch – La Monnaie chez Marx -, das später (1976) auf Englisch veröffentlicht wurde:
„Das erste, was einem Studenten des Geldes auffällt, ist, dass in einer Geldwirtschaft die Bewegungen von Geld und Waren miteinander verflochten sind. Auf der Ebene der einzelnen Transaktion bewegt sich ein Zahlungsmittel in eine Richtung und eine Ware in die entgegengesetzte Richtung. Es stellt sich die theoretische Frage, welcher Faktor der entscheidende ist. Bestimmt die Bewegung des Geldes die Bewegung der Waren oder bestimmt die Bewegung der Waren die Bewegung des Geldes?“
Seines Erachtens meint Marx, dass die Bewegung der Waren weitgehend außerhalb der monetären Sphäre bestimmt werden, und dass es die Warenbewegungen sind, die in der Regel die Bewegungen des Geldes bestimmen.
Diese Kausalität resultiert aus der durch die Erfordernisse der Kapitalakkumulation bestimmten Dynamik, die dann „Geld“ als „Medium, durch das der Warenaustausch stattfindet“, erfordert.
Das „Geld“ könne jedoch keine „Konsumimpulse auslösen, die außerhalb seiner selbst entstehen“. Folglich sei das „Geld“ nur ein Vermittler und könne kein „aktives störendes Element in der Wirtschaft“ sein.
Nach dieser Auffassung ist also der Ansatz, den beispielsweise Keynes verfolgt hat, falsch.
Foley gesteht jedoch später zu, dass Marx sich im Grunde genommen für Steuer- und Geldpolitik in unserem heutigen Verständnis gar nicht interessiert habe, indem er schreibt:
„Die meisten modernen Geldtheorien wurden mit dem ausdrücklichen Ziel entwickelt, die staatliche Geldpolitik im modernen Kapitalismus zu verbessern. Diese Untersuchung der Marxschen Geldtheorie zeigt, wie wenig Marx in dieser Richtung motiviert war. In der Geldtheorie, wie in den meisten seiner analytischen Arbeiten über den Kapitalismus, versucht Marx in erster Linie, die objektiven Determinanten der sozialen Phänomene, die Bewegungsgesetze des Systems zu entdecken […] Marx‘ Ansatz führt nicht notwendigerweise direkt zu Ergebnissen, die den Geldpolitikern bei ihren Problemen helfen werden.“
Und am Ende seines Vorworts stellt er sogar fest, dass „der monetäre Mechanismus eng mit dem Staat verbunden ist“, und dass die politischen Entscheidungen der Regierung einen direkten Einfluss auf Inflation und Arbeitslosigkeit haben, die „wichtigsten Themen, um die der Klassenkampf ausgetragen wird“.
Was schrieb nun Marx über das Geld?
In seinem Buch von 1859 – Ein Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie – Kapitel 2, Abschnitt C – Münzen und Wertzeichen – schrieb Marx:
„Das als Zirkulationsmittel fungierende Gold nimmt eine bestimmte Form an, es wird zur Münze. Um zu verhindern, dass seine Zirkulation durch technische Schwierigkeiten behindert wird, wird das Gold nach dem Standard des Rechengeldes geprägt. Münzen sind Goldstücke, deren Form und Prägung darauf hinweisen, dass sie Goldgewichte enthalten, wie sie in den Bezeichnungen des Rechnungsgeldes wie Pfund Sterling, Schilling usw. angegeben sind. Sowohl die Festlegung des Münzpreises als auch die technische Arbeit des Prägens obliegt dem Staat […] der einzige Unterschied zwischen Gold in Form von Barren und Gold in Form von Münzen ist der zwischen der Bezeichnung der Münze und der Bezeichnung ihres Metallgewichts. Was im letzteren Fall als Unterschied in der Bezeichnung erscheint, erscheint im ersteren Fall als Unterschied in der Form. Goldmünzen können in den Schmelztiegel geworfen und so ohne weiteres wieder in Gold verwandelt werden, so wie umgekehrt Goldbarren nur in die Münzanstalt geschickt werden müssen, um in Münzen verwandelt zu werden. Die Umwandlung und Rückverwandlung der einen Form in die andere erscheint als ein rein technischer Vorgang.“
Marx‘ Schriften zum Thema Geld standen also im Kontext eines konvertierbaren Goldstandards, bei dem die Regierung stets garantierte, dass jede im Umlauf befindliche Währung (Banknoten und Münzen) zu einem festen Preis pro Unze in Gold umgetauscht werden konnte. Die Münzen wurden aus Gold hergestellt und nach ihrem Gewicht bewertet. Für Marx war Gold „eine universelle Äquivalentform aller Waren“.
Die Währung eines einzelnen Staates war nicht universell, und die Nationen (Zentralbanken) mussten Goldvorräte halten, um Transaktionen zwischen den Staaten abwickeln zu können.
Das alles hat sich inzwischen grundlegend geändert, spätestens im August 1971, als das Bretton-Woods-System zusammenbrach, das die Konvertierbarkeit des Dollars in Gold garantierte. Wie Marx moderne Wirtschaftspolitik beurteilen würde, kann sich also nicht ohne weiteres aus seinen Büchern erschließen.
Dass der „monetäre Mechanismus eng mit dem Staat verbunden ist“, ergibt sich eigentlich schon aus Marx‘ Schilderung des anscheinend rein technischen Vorganges der Umwandlung von Gold in Münzen. Der Souverän gestaltet das Zahlungsmittel in seinem Sinne. In einem Land, in dem der Goldstandard galt, mussten die zirkulierenden Goldmengen kontrolliert werden, damit nicht plötzliche Knappheit oder Schwemmen den Wert in unerwünschter Weise verändern konnten. Die Tatsache, dass nur die geprägten Münzen als allgemeines Zahlungsmittel eines Landes akzeptiert wurden, ist Folge staatlichen Zwangs, indem nämlich die Bürger zur Entrichtung von Steuern in der jeweiligen Landeswährung verpflichtet werden. Der Staat bringt die geprägten Münzen durch Staatsausgaben in Umlauf und sammelt diese über Steuern wieder ein. Es ist klar, dass Einnahmendefizite das Staatssäckel leeren und Staatsschulden zurückgezahlt werden müssen.
Fiat-Währungen eröffnen andere Gestaltungsmöglichkeiten. Denn hier schöpft der Staat Geld und bringt es auch in Umlauf, wie vorher die von ihm geprägten Münzen, aber nun ist die Geldmenge nicht mehr durch ein ‚Wert-Äquivalent‘ begrenzt, und es besitzt auch keinen inhärenten Wert. Der Geldwert hängt vielmehr von der Menge der realen Güter und Dienstleistungen ab, die man sich im jeweiligen Land dafür kaufen kann. Und der zwischenstaatliche Handel muss nun anders geregelt werden als durch das Hin- und Herschieben von Goldvorräten.
Der Souverän einer Fiat-Währung muss sich nicht erst von anderswo mehr Gold besorgen, um zusätzliche Dinge kaufen bzw. bezahlen zu können, die in seinem Land erhältlich sind, z.B. Arbeitskräfte. Er schöpft es einfach. Und er kann damit die Produktion anstoßen, weil „im Kapitalismus Unternehmen Produkte produzieren, wenn es sich für sie rechnet und sich nicht darum scheren, von wem das Geld kommt“. Erst wenn es im Land nichts mehr mit der dort gültigen Währung zu kaufen gibt, also die real zur Verfügung stehenden Ressourcen erschöpft sind, könnte es dazu kommen, dass zu viel Geld im Umlauf ist, und besteht Inflationsgefahr. Anders sieht die Sache natürlich aus, wenn Dinge aus dem Ausland bezogen werden und mit einer anderen Währung bezahlt werden müssen. Dann benötigt auch der Staat ein Wertäquivalent.
Zwischen Privathaushalten und einem währungs-souveränen Staat gibt es also einen grundlegenden Unterschied:
Im Gegensatz zu den Nutzern einer Währung ist der Staat deren Schöpfer. Bevor die Bürger Geld ausgeben können, muss es von ihm geschaffen werden. Und er kann das zur Verfügung stehende Geldangebot, u.a. durch sein Steuersystem, in Anpassung an die zur Verfügung stehenden realen Ressourcen verknappen oder vergrößern.
Aus diesem Grund müssen Staatsschulden nicht ausgeglichen werden, denn dahinter steckt ja kein wirklicher Wert, der irgendwem in der Tasche fehlt. Hingegen entzieht die zum ‚Schuldenausgleich‘ notwendige Sparpolitik der Volkswirtschaft reale Werte, indem z.B. Altenheime schließen müssen, und die Menschen, die dort beschäftigt waren, kein Einkommen mehr beziehen. Stellt der Staat hingegen für Altenheime Geld zu Verfügung, obwohl es keine Altenpflegekräfte gibt, dann ist alles Murks: die Dienstleistung ist nicht verfügbar und das Geld verliert an Wert.
Im Gegensatz zu der Geldform, in der die Nutzer sie verwenden, ist eine Währung für den Souverän, der sie schöpft, somit nicht mehr bloßer Wertausdruck „eine Äquivalentform“ der Waren und damit – wie diese – ein knappes Gut, sondern ein wertvolles Steuerinstrument.
Anmerkung: Zu diesem Text wurde ich durch zwei Blogbeiträge von Bill Mitchell mit den Titeln „(Modern) Marx and MMT part 1 and part 2“ angeregt, die zitierten Quellen stammen von dort und wurden von mir übersetzt.