Und wieder einmal: Meinungsfreiheit.

Tucker Carlsons Interview mit Putin wurde in den westlichen Medien als äußerst problematisch behandelt, und er muss sogar Sanktionen befürchten.

Die Frankfurter Rundschau schrieb z.B.:

Propaganda statt Pressefreiheit: Carlsons Interview spielt Wladimir Putin in die Karten

Seine Entscheidung, Putin ein Forum zu bieten, wird von vielen als problematisch angesehen, insbesondere angesichts der zunehmenden Repressionen gegen Journalistinnen und Journalisten in Russland. Carlson hat sich gegen die Vorwürfe verteidigt, indem das Gespräch als Beitrag zur Pressefreiheit bezeichnete.“ Und

„Carlson wurde mehrfach beschuldigt, Putins Führung und den Einmarsch in die Ukraine zu verteidigen, wofür er von Kreml-Propagandisten gelobt wurde. Kritikerinnen und Kritiker warfen ihm vor, Putin und anderen autoritären Führern Unterstützung zu bieten und seine Positionen in russischen Staatsmedien zu verbreiten.“

Die Idee, dass es falsch sei, Menschen mit „gefährlichen“ Ideen, ein Forum zu bieten, ist auch hierzulande weit verbreitet. Das führt dazu, dass viele Stimmen in den öffentlichen Medien nicht zu Wort kommen, und sich die Meinungskorridore immer stärker verengen. Und auch „Liberale“ fordern und begrüßen zunehmend direkte Repression: Auftrittsverbote, Sendeverbote, wie z.B. von RT, aber vor allem auch die Kontrolle der sozialen Medien.

Einem, der so „tickt“, schrieb Scott Ritter auf Twitter*:

„Gott sei Dank haben wir patriotische Amerikaner wie Sie, die sich selbst als moralische und intellektuelle Torwächter für alle Informationen bezeichnen, die für einfache Amerikaner zu komplex sind, um sie zu verstehen.

Verdammt sei Tucker Carlson, weil er es gewagt hat, zu glauben, wir Einfaltspinsel könnten die Qualität seines Journalismus oder den Wahrheitsgehalt von Aussagen, die Wladimir Putin im Laufe eines Interviews gemacht hat, selbst beurteilen.

Schließlich ist die Meinungsfreiheit nur dann wirklich frei, wenn sie von Patrioten wie Ihnen überwacht wird, die es am besten wissen und den Rest von uns vor den Gefahren von Ideen schützen, die den Hüterinnen und Hütern des Denkens nicht genehm sind, um uns vor den Attacken von Vorstellungen zu bewahren, die die Grenzen der staatlich diktierten Konvention herausfordern.“

In seinem Essay erinnert Ritter an den Richter Louis Brandeis, der sich im Jahr 1927 folgendermaßen zum Thema Meinungsfreiheit äußerte.

„Wenn die Zeit es erlaubt, durch Diskussion Unwahrheit und Irrtümer aufzudecken und das Übel durch einen Erziehungsprozess abzuwenden, ist mehr Rede, nicht erzwungenes Schweigen das angemessene Mittel. Nur eine Notsituation kann eine Unterdrückung [der Redefreiheit] rechtfertigen“.

Befinden wir uns gerade in einer Notsituation?

Brandeis beruft sich auf die Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika. Da ja bei uns in Deutschland auch die Ideale der „freien Welt“ gelten, sollten wir uns auch darauf berufen können.

„Sie [die Gründerväter] glaubten, dass die Freiheit zu denken, wie man will, und zu sprechen, wie man denkt, eine unerlässliche Bedingung dafür sind, die politische Wahrheit herauszufinden und zu verbreiten; dass ohne Rede- und Versammlungsfreiheit jede Diskussion sinnlos wäre; dass die Auseinandersetzung mit schädlichen Lehren im Normalfall einen ausreichenden Schutz gegen deren Verbreitung bietet; dass die größte Bedrohung der Freiheit ein träges Volk ist. Sie glaubten an die Kraft der Vernunft, die in der öffentlichen Debatte zum Tragen kommt, und mieden das durch Gesetze erzwungene Schweigen – das Argument der Gewalt in seiner schlimmsten Form“.

Wie Brandeis feststellte,

„haben wir von den demoralisierenden Überlegungen einiger nichts zu befürchten, wenn es anderen überlassen bleibt, ihre Irrtümer aufzuzeigen, und vor allem, wenn das Gesetz bereitsteht, die erste kriminelle Handlung zu bestrafen, die durch die falschen Überlegungen hervorgerufen wird; dies sind sicherere Korrekturen als das Gewissen des Richters“.

Es ist traurig, dass man heute immer wieder an so etwas erinnern muss, nicht nur in Bezug auf Putins Rede.

*Alle Übersetzungen aus dem Englischen sind von mir.

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