Eine gekürzte Version dieses Artikels erschien diese Woche auf Makroskop.
Eine zivilisierte Debatte?
Wie Bundeskanzler Scholz vor kurzem bestätigte: Die Unterstützung der Sicherheit Israels ist in Deutschland Staatsräson. Konkret bedeutete dies, so ein bei DW veröffentlichter Artikel, dass Deutschland, wie andere Verbündete auch, Israels Recht auf Selbstverteidigung und die daraus folgenden Maßnahmen im Gazastreifen unterstütze. Das könne sich aber u.U. als problematisch herausstellen. Denn was auch immer Deutschland über sein intrinsisches Recht sagen möge, an der Seite Israels zu stehen, entbinde das Land jedoch nicht von seiner Verantwortung, das humanitäre Völkerrecht, das die Mittel der Kriegsführung regelt, zu beachten und dafür einzutreten.
Angesichts der großen Relevanz des Themas, nicht nur wegen der durch Terror und Krieg ausgelösten humanitären Katastrophe, sondern auch der großen Gefahr der regionalen Ausweitung des Konfliktes mit den zu erwartenden Opfern und Flüchtlingswellen, der Gefährdung der Sicherheit unserer Energieversorgung und der internationalen Transportkorridore, wünscht man sich dazu eine breite, kontroverse Debatte in Politik und Gesellschaft. Die aber ist schwierig, da die Kritik an der Politik Israels sehr schnell mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird, in Deutschland ein strafrechtlich zu verfolgendes Delikt.
Die Arbeitsgrundlage unserer Regierung ist nach wie vor die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) aus dem Jahr 2016.i Demnach kann nicht nur Kritik an der Existenz des als „jüdisches Kollektiv“ verstanden Staates Israel, sondern auch an der Verfasstheit oder der konkreten Politik des Staates als antisemitisch gewertet werden. Wie sensibel das Thema ist, zeigt ein geleaktes internes Dokument der ARD, das die Informations- und Sprachpolitik der beteiligten Sender koordinieren soll. Dort werden z.B. die Begriffe „anti-semitisch“ und „anti-zionistisch“ teilweise als fast synonym verwendet (S. 11/12). Wer den Juden als einzigem Volk der Welt einen eigenen Staat verwehre, so eine im Papier zu findende Argumentation, sei Antisemit. Wer Waffenlieferungen dort hin kritisiere, ebenfalls, denn damit schränke man das Selbstverteidigungsrecht dieses Staates ein (S. 19 und 23). Neben vielen anderen Inhalten der ARD-Richtlinien sind beispielsweise auch die folgenden Punkte interessant: die Festlegung, dass in der ARD generell von „Hamas-Terroristen“ und nicht von „bewaffneten Gruppen“ gesprochen werden soll, auch wenn die UN bewusst letzteren Begriff verwendeii, und dass Fehlen von Michael Lüdersin der Liste der zu konsultierenden Nahost-Experten. Bei ihm handelt es sich um ein populäres Gegengewicht zu der Masse an stark pro-israelisch argumentierenden Experten.
Für kritische Geister hierzulande ist es da hilfreich, dass es schon lange eine sehr scharfe inner-jüdische Debatte zu diesem Themenbereich gibt, die nun wieder verstärkt öffentlich in den Medien des angel-sächsischen Raums geführt wird.iii Als Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen habe ich die Debatte zwischen Norman Finkelstein und Alan Dershowitz bei Piers Morgans Show „Uncensored“ gewählt. Alan Dershowitz, 1938 als Sohn orthodoxer Juden geboren, wuchs wie Norman Finkelstein im New Yorker Stadtteil Brooklyn auf. Als überzeugter Zionist verfasste der Jurist mehrere Bücher zum Thema Israel, zum Beispiel Plädoyer für Israel. Warum die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen und Terror Tunnels: The Case for Israel’s Just War Against Hamas. Der Politikwissenschaftler Finkelstein, Jahrgang 1953 und Sohn von Überlebenden des Warschauer Ghettos, ist Autor zahlreicher Israel-kritischer Bücher, in denen er sich unter anderem mit Dershowitz’ Positionen auseinandersetzt. Es ist wahrscheinlich, dass ihm diese Haltung die lebenslange Einstellung als Professor an der DePaul University in Chicago kostete, und dass Dershowitz’ schriftliche Eingabe gegen eine Professur Finkelsteins dabei eine Rolle spielte.
Dershowitz und Finkelstein sind schon seit Jahrzehnten erbitterte Gegner. Ersterer war im Gespräch, Israel beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in der Genozid-Klage zu vertreten, die Südafrika eingereicht hat. Seine Positionen sind daher von besonderem Interesse. Die Auffassungen weiterer Personen fließen jedoch in die Darstellung der wichtigsten Differenzen mit ein.iv
Die Streitpunkte
1. Israel’s Kriegführung in Gaza
So lautet denn auch Morgans erste Frage an Dershowitz, ob Israel einen kriegsverbrecherischen Terrorkrieg gegen Gaza führe. Dessen Antwort lautet: nein. Alle Opfer habe Hamas zu verantworten. Israel verteidige sich gegen den Hamas-Terror. Dabei halte es sich an internationales Recht, indem es gezielt nur dort bombardiere, wo Hamas-Terroristen zu finden seien und, z.B. durch rechtzeitige Vorwarnungen, alles zur Vermeidung ziviler Opfer tue. Hamas hingegen verfolge die nach internationalem Recht verbotene Strategie, sich hinter menschlichen Schutzschilden zu verstecken und bewusst den Tod von Kindern in Kauf zu nehmen, um Israel als brutal zu diskreditieren. Die Zahl der zivilen Opfer in Gaza sei vermutlich übertrieben, da Hamas bewusst Kombattanten und Zivilisten vermische: viele getötete „Kinder“ seien in Wirklichkeit Kämpfer, da Hamas schon 13-jährige rekrutiere. Auch das sei ein Kriegsverbrechen.
Finkelstein argumentiert, dass das internationale Recht keinen Unterschied zwischen der Inkaufnahme von Kollateralschäden durch ungezieltes Abwerfen von Bomben und gezielter Tötung von Zivilisten kenne, und dass Gaza viel zu dicht besiedelt sei, als dass die Menschen sich in Sicherheit bringen könnten. Zudem schneide Israel Gaza von der Lebensmittel- und Energieversorgung ab und vernichte dort durch die Zerstörung von Schulen, Krankenhäusern und religiösen Stätten gezielt jegliches öffentliche Leben. Daraus und aus den Äußerungen führender israelischer Politiker gehe die Absicht Israels hervor, das Gebiet zu einem unbewohnbaren Ort zu machen. Indem er an die biblischen Geschichte von Amalek erinnere, rufe Netanjahu zur totalen Zerstörung Gazas und der Tötung jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes auf.
Professor Raz Segal nennt Israels Gaza-Strategie einen Lehrbuch-Fall des Völkermords: Von fünf in der UN-Völkermordkonvention aufgeführten Handlungen, die unter ihre Definition fallen, begehe Israel derzeit drei: „1. die Tötung von Mitgliedern der Gruppe. 2. Verursachen schwerer körperlicher oder geistiger Schäden bei Mitgliedern der Gruppe. 3. Vorsätzliche Zufügung von Lebensbedingungen, die darauf abzielen, die Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.“
2. Die Bewertung des Hamas-Anschlags am 7. Oktober
Dershowitz argumentiert, dass nicht Israel, sondern Hamas ungezielt eine Zivilbevölkerung bombardiere, nämlich die israelische. Der Krieg könne sofort aufhören, wenn Hamas aufgäbe und die Geiseln frei ließe. Im Übrigen seien die Äußerungen israelischer Politiker als Einzelaussagen, nicht als offizielle Politik zu werten. Mit seiner Anspielung auf Amalek habe Netanjahu gewiss nicht alle Palästinenser, sondern lediglich Hamas gemeint. Der Anschlag vom 7. Oktober, der schwerste Anschlag auf Juden seit dem Holocaust, könne nur durch die vollständige Vernichtung dieser Organisation gesühnt werden. Finkelstein habe diesen abscheulichen Terrorakt hingegen als herzerwärmenden Befreiungsschlag eine unterdrückten Volkes glorifiziert. Vom Sieg über Hamas hänge nicht nur das Überleben Israels, sondern das unserer gesamten Zivilisation ab. Das sieht auch der ehemalige israelische Premierminister Naftali Bennett so. Wenn die Welle des radikalen islamistischen Terrorismus von Gruppen wie Hamas nicht besiegt werde, so Bennett, bestünde die Gefahr, dass sie sich möglicherweise auch in andere Teile der Welt, einschließlich der westlichen Metropolen, ergießen könnte.
Finkelstein gibt zu, dass seine ersten Äußerungen vorschnell gewesen seien. Inzwischen beurteile er die Ereignisse vom 7. Oktober folgendermaßen: Rein faktisch handele es sich bei den Taten von Hamas um Terroraktev. Von einem legalen Standpunkt aus würde man den Terroristen sicherlich mildernde Umstände einräumen, denn sie hätten sich infolge der nun schon seit Jahrzehnten andauernden Blockade von Gaza in einer ausweglosen Besatzungssituation befunden. Es gäbe ein Selbstverteidigungsrecht für unterdrückte Völker gegen eine Besatzungsmacht. Ähnlich wie die Abolitionisten der USA im Falle des von Nat Turner angeführten brutalen Sklavenaufstands, weigere er sich jedoch, die Handlungen von Hamas moralisch zu verurteilen.
Leider, so der Journalist Gideon Levy, habe sich die öffentliche Meinung in Israel nun noch stärker zu Ungunsten der Palästinenser entwickelt als zuvor. Insbesondere seien von dem Anschlag auf die Kibbuzim in der Nähe von Gaza auch Menschen betroffen gewesen, die sich persönlich aktiv für die Verbesserung der palästinensischen Lebensverhältnisse eingesetzt hätten. Diese fühlten sich nun verraten.
Alle der in Anmerkung 5 genannten Israel-Kritiker, einschließlich des palästinensischen Pastors, sind sich einig, dass die Aktionen von Hamas nicht zu rechtfertigen seien. Der Terrorakt sei jedoch die unvermeidliche Folge der Besatzungssituation. Früher oder später hätte es dazu kommen müssen.
3. Israel’s Rolle als Besatzungsmacht
Die vollständige Blockade Gazas – Israel kontrolliert alle Ein- und Ausgänge von Personen und Waren – sei, argumentiert Dershowitz, unabdingbar für die Sicherheit Israels und die notwendige Konsequenz aus der Machtübernahme von Hamas dort. Die Voraussetzung für eine Änderung dieser Verhältnisse sei der vollständige militärische Sieg über die Terrororganisation, so auch Bennett. Israel sei zu diesem Kampf bereit und in der Lage, man sei daran gewöhnt, weltweit isoliert und auf sich allein gestellt zu sein.
Für Besatzer gäbe es kein Selbstverteidigungsrecht, entgegnet Finkelstein. Eine Besatzungsmacht sei vielmehr für das Wohl der Menschen in den von ihr besetzten Gebieten verantwortlich. Gabor Maté bestätigt dies. Gewalt führe zu Gegengewalt, den Hamas-Terror könne man nur durch Gerechtigkeit ausmerzen, mit Gewalt erzeuge man nur immer mehr militante Kämpfer. Auch wenn die USA Israel verbal zur Mäßigung aufriefen, ohne die weiterhin ungehindert erfolgenden Waffenlieferungen der USA, so Levy, könne das Land seine Bombardierungen des Gazastreifens nicht aufrechterhalten.
Wie auch der Knesset-Abgeordnete Ofer Cassif und Pastor Isaac betonen, sei die Lage der Palästinenser schon lange unerträglich, nicht nur im Gaza-Streifen, sondern auch im, teilweise von Israel, teilweise von der palästinensischen Autonomiebehörde (unter von Israel diktierten Bedingungen) kontrollierten Westjordanland. Die Menschen verlören immer mehr Land an Siedler, sie stünden im Gegensatz zu diesen unter Militärrecht und lebten damit im permanenten Ausnahmezustand, sie seien faktisch recht- und vollkommen perspektivlos. Die meisten Bürger Israels ignorierten diese Lage vollkommen, berichtet Gabor Maté, und auch die Weltgemeinschaft beschäftige sich erst seit dem 7. Oktober wieder verstärkt mit dieser Situation.
Es handele sich entgegen der weitverbreiteten Meinung auch nicht um eine religiöse Auseinandersetzung, sondern um einen ethnischen Konflikt, erläutert Isaac. Die Palästinenser gehörten verschiedenen Religionen an, es gäbe etliche Christen im Westjordanland und in Gaza, aber als Palästinenser befänden sich diese in einer ebenso hoffnungslosen Lage wie ihre muslimischen Nachbarn. Es sei nicht Hamas, die die Christen Gazas vertreibe und töte. Für Cassif geht es im Kern um einen Klassenkonflikt; während einerseits palästinensische Eliten von der Lage profitierten, gäbe es andererseits ein unterdrücktes israelisches Proletariat.
Alle sind sich einig: Ohne die Einstellung der israelischen Besatzung könne in Israel kein Frieden einkehren.
4. Implementierung der 2-Staaten-Lösung
Finkelstein und Gabor Maté sind nicht die Einzigen, die – wie durch mehrere UN-Resolutionen bekräftigt – einen vollständig souveränen, mit allen Rechten ausgestatteten palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt fordern. Mit der Akzeptanz dessen beginge Israel jedoch laut Dershowitz politischen Selbstmord. Grenzkorrekturen seien nötig und gemäß der entscheidenden Resolution, an der er selbst mitgearbeitet habe, auch erlaubt. Immer wieder habe Israel Angebote gemacht, die regelmäßig von palästinensischer Seite abgelehnt worden seien. Weitergehende Autonomiezugeständnisse hätten die Palästinenser regelmäßig auf Kosten Israels missbraucht.
Eine palästinensischen Autonomie in Gaza, sagt Bennett, sei nur möglich nach einer militärischen Niederlage von Hamas, der Einrichtung einer Pufferzone zu Israel und einer Periode der technokratischen Verwaltung Gazas, während der die Bewohner Gazas umerzogen (=entnazifiziert) würden und die Hamas-Gehirnwäsche neutralisiert werde.
Keines der Angebote sei für die Palästinenser akzeptabel gewesen, argumentiert die Gegenseite; Im Gegenteil – Israel habe ein entsprechendes, inzwischen mehrfach bekräftigtes Angebot der arabischen Staaten aus dem Jahre 2002 abgelehnt. Im Übrigen sei die Einstellung der Palästinenser, die bei weitem nicht alle Hamas-Anhänger seien, nicht die Folge einer Gehirnwäsche, sondern erwüchse aus ihrer erlebten Realität.
Während Hamas sich dazu bereit erklärte habe, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren, was die implizite Anerkennung des Existenzrechts Israels bedeute, lehne Netanyahus Likud-Partei weiterhin einen palästinensischen Staat westlich des Jordans ab. Immer mehr Israels träumten von einem Großisrael und der Errichtung des 3. Tempels auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee.
Levy hält eine 2-Staatenlösung für unrealistisch. Alleine die 700.000, größtenteils bewaffneten Siedler im Westjordanland verunmöglichten das. Schon jetzt habe sich in Israel de facto eine Einstaatenlösung unter israelischer Vorherrschaft durchgesetzt. Israelis und Palästinenser müssten sich beide von dem Traum eines eigenen Staates verabschieden und einsehen, dass es ihr gemeinsames Schicksal sei, auf dem Gebiet Palästinas zusammenzuleben. Sie sollten besser lernen, ihre Beziehungen gerecht und friedlich zu gestalten. Denn auch die Besatzer seien am Ende Leidtragende der Besatzung.
Die israelisch-palästinensische Tragödie
Die Emotionen kochen. Der Schock des Hamas-Anschlages sitzt tief. Israel soll ein sicherer Hafen für alle Juden der Welt sein. Ist es das noch? Die erbitterte Reaktion Israels vertieft die 75-jährige Vertreibungs- und Besatzungserfahrung der Palästinenser, die Nakbavi (Katastrophe). Während die einen ihre Angehörigen betrauern und um das Schicksal der Geiseln fürchten, betrachten die anderen in den sozialen Medien erschüttert live das Leiden und Sterben in Gaza.
Nichts verdeutlicht die als existenziell empfundenen Traumata mehr als die Nazi-Vergleiche beider Seiten: Ein israelischer Politiker möchte Gaza in Dresden verwandeln. Für Bennett sind Hamas-Kämpfer Nazis und die Bewohner Gazas Schuldige und Mitläufer. Wer könne im Kampf gegen die drohende Gefahr eines neuen Holocaust auf das Schicksal der Zivilbevölkerung in Gaza Rücksicht nehmen, fragt er aufgebracht.
Umgekehrt vergleicht Finkelstein den Anschlag von Hamas mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto und deren Opfer mit den zivilen Opfern des Dresden-Bombardements, für die seine Mutter sicher kein Mitleid habe empfinden können. Dass ein der Arbeits-Partei Israels angehörender Politiker die zu erwartenden Seuchen in Gaza als Beitrag zur Bevölkerungsreduktion begrüßt, interpretiert Levy als Nazimentalität, die inzwischen im Mainstream Israels angekommen sei.
Nur indem beide Seiten einander zuhörten und lernten, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen, könnten solche tiefen Traumata aufgelöst werden, erklärt Gabor Maté.
Nur, wie soll es dazu kommen? Aktuell stehen alle Anzeichen auf Eskalation.
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i Als kritische Antwort auf die IHRA-Definition wurde die Jerusalemer Erklärung verfasst, deren Autoren damit das doppelte Ziel verfolgen, „1. den Kampf gegen Antisemitismus zu stärken, indem wir definieren, was Antisemitismus ist und wie er sich manifestiert, und 2. Räume für eine offene Debatte über die umstrittene Frage der Zukunft Israels/Palästinas zu wahren.“ Hier die Stellungnahme der von Palästinensern initiierten BDS (Boykott, Deinvestitionen und Sanktionen)-Bewegung zu der Erklärung. Der Bundestag verurteilte BDS im Jahre 2019 als antisemitisch. Laut einem geleaktem ARD-Dokument müsse man BDS jedoch differenzierter bewerten (S. 11).
ii Siehe S.5 des ARD-Dokuments: „Die Chefsprecherin des UNO-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, sagte am 11.10.23 der Deutschen Presse-Agentur in Genf: „Dies ist eine bewusste Wortwahl. Im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten definiert das humanitäre Völkerrecht den Begriff Terrorismus nicht. Wir sprechen deshalb von bewaffneten Gruppen. Bewaffnete Gruppen sind klar definiert, und sie haben die Verpflichtung, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Die Gewalt zwischen Israel und Gaza passiert im Kontext eines bewaffneten Konflikts und in einer Besatzungssituation. Hamas fällt unter das humanitäreVölkerrecht, weil es als bewaffnete Gruppe Teil des Konflikts ist.““
iii Unabhängig davon ist auch in den USA im Zusammenhang mit Gaza Antisemitismus ein großes Thema. Harvard Präsidentin Claudine Gay sah sich nun nach vehementer Kritik an ihrer Haltung zu – als antisemitisch eingestuften – Studentenprotesten zum Rücktritt gezwungen. Hier eine kritische Sicht auf das Ereignis.
iv Weitere jüdische Stimmen, auf die ich zurückgreife, sind:
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Der ehemalige israelische Premierminister Naftali Bennett als Befürworter der aktuellen Politik Israels,
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der kanadische Arzt und Trauma-Spezialist Dr. Gabor Maté, der als Kleinkind den Holocaust in Ungarn überlebte,
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dessen Sohn, der Journalist Aaron Maté, sowie die US-amerikanischen Journalisten Katie Halper und Max Blumenthal, mit denen dieser eng zusammenarbeitet,
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der israelische Historiker Raz Segal mit dem Schwerpunkt Holocaust- und Genozid-Forschung, der zurzeit in den USA lehrt,
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der auf die Lage in den Palästinensergebieten spezialisierte israelische Journalist Gideon Levy, der regelmäßig für die Zeitschrift Haaretz schreibt und
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der israelische Knesset-Abgeordnete Dr. Ofer Cassif, Mitglied der links-gerichteten Hadash-Partei (Demokratische Front für Frieden und Gleichheit), die für soziale Gerechtigkeit für alle in Palästina lebenden Menschen, die Zusammenarbeit von Arabern und Juden und die friedliche Lösung des Konfliktes zwischen ihnen steht.
Angesichts der Tatsache, dass es nicht nur um Juden, sondern auch um Palästinenser geht, erscheint es als völlig unangebracht, sich nur auf die inner-jüdische Debatte zu beschränken. Zu Wort kommt deswegen auch der Palästinenser Rev. Dr. Munther Isaac, ein evangelisch-lutherischer Pfarrer aus Bethlehem, dessen Weihnachtspredigt „Christ in the Rubble“ weltweite Beachtung fand.
v Während Dershowitz die Opferzahlen im Gazakrieg bezweifelt, gibt es auf der anderen Seite – auch inner-israelisch – eine Debatte darüber, was am 7. Oktober wirklich geschah. Dabei geht es zunächst um die Frage, ob die Geschehnisse hätten verhindert werden können, wenn die Regierung die Warnungen ernst genommen hätte. Eine Klage von Überlebenden gegen den israelischen Staat ist anhängig. Weiterhin wurde nun klar, dass ein Teil der Todesopfer auf den Beschuss der durch Hamas besetzten Häuser durch die israelische Armee zurückzuführen sind, Hätte die Armee anders handeln können? Die Ermordung von Menschen im Schlaf ist schon schlimm genug; darüber hinaus gab es viele Berichte über besonders abscheuliche Hamas-Verbrechen, wie z.B. Massenvergewaltigungen und brutale Babymorde, die auch Präsident Biden aufgriff. Max Blumenthal weist nach, dass diese forensisch nicht fundiert sind.
viSiehe ARD-Dokument, S. 16/17
us sagt:
Erste Einschätzung des vorläufigen Genozid Urteils:
Craig Murray (Former British Ambassador) : Analysis of ICJ Ruling