Die Ukraine hat den Gastransfer durch die Region Luhansk in die EU eingestellt. Nikolas Busse schreibt in der FAZ unter der Überschrift Die Ukraine dreht am Gashahn:
Man fragt sich … , ob es für die Führung in Kiew nicht eine andere Art gab, mit diesen Problemen fertigzuwerden. Sie riskiert einen Schaden für die Volkswirtschaften ihrer wichtigsten Verbündeten in Europa.
Die EU ist schon vor Jahren zum Opfer von ukrainisch-russischen Gaskriegen geworden. Das hat auch die Ukraine damals Vertrauen im Westen gekostet (eine Folge war der Bau von Nord Stream 2), das sollte man in Kiew nicht vergessen. Dass Russland nun wieder auf seine Vertragstreue verweisen kann, ist ein Propagandageschenk für Putin.
Es ist nicht zu fassen! Die FAZ will uns weismachen, dass uns Nord Stream 2 nicht durch die naiven russophilen Sozen eingebrockt wurde? Dass das mit ukrainischem Fehlverhalten zu tun habe? Unvorstellbar. Wikipedia wird für Aufklärung sorgen.
Deutschland sichert sich dank Nord-Stream-1-Pipeline einen vertraglichen Zugang zu russischen Gasvorkommen und somit mehrere strategische Vorteile. Ohne Transitländer besteht eine Unabhängigkeit von potenziellen politischen Einflussnahmen, die sich negativ auf Lieferungen nach Deutschland auswirken könnten.
Russland als Lieferant als auch Abnehmer in Mittel- und Westeuropa sind damit von Erpressungsversuchen durch Transitländer unabhängig, beispielsweise wenn diese Preisangleichungen an das europäische Niveau nicht akzeptieren wollen. Bisher konnten Transitländer das Passieren ihres Territoriums als Druckmittel nutzen, um exklusive Lieferbedingungen für sich selbst durchzusetzen, und so die Versorgungssicherheit Westeuropas gefährden.
Unglaublich – Putintrolle auch bei Wikipedia!
War denn die FAZ früher auch so ukrainekritisch? Nehmen wir doch mal Reinhard Veser, gewiss kein Freund der russischen Politik. 2006 schrieb er:
Lieferunterbrechungen gab es schon in den neunziger Jahren. Meist ging es dabei um unbeglichene Rechnungen – mehrere Male hatten die ukrainischen Gasschulden bei Rußland eine Höhe von mehreren Milliarden Dollar erreicht. Zwar gab es immer wieder Einigungen, nach denen diese Schulden mit den künftigen Gebühren für den Transit russischen Gases durch die Ukraine nach Westeuropa verrechnet werden sollten, doch das brachte immer nur vorübergehend Entspannung.
Verschärft wurde das Problem durch die große Schattenwirtschaft in der ukrainischen Energiebranche. Jedes Jahr wurden aus der Pipeline, die durch die Ukraine nach Westeuropa führt, große Mengen russischen Erdgases illegal abgezapft. Die gigantischen Vermögen der ukrainischen Oligarchen – unter Kutschma die eigentlich Mächtigen in der Ukraine – sollen zu einem großen Teil so entstanden sein.
Sollte da „die Wirtschaft“ dahinterstecken? Schon ein Jahr zuvor hatte die FAZ vermeldet:
In der Energiewirtschaft wird der Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine auch als Beleg dafür gesehen, daß es richtig sei, die neue, dritte Gaspipeline durch die Ostsee von Rußland nach Deutschland zu führen und sich damit unabhängig von Transitländern zu machen. Die Leitung soll 2010 in Betrieb genommen werden und im späteren Endausbau bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren können.
Ein Abgrund von Landesverrat! Und 2008 wieder – was soll diese reißerische Überschrift?
STREIT MIT GASPROM:Ukraine droht mit Kürzungen der Gaslieferungen nach Europa
Nehmen wir mit Zähneknirschen zur Kenntnis: Die FAZ ist seit langem russisch unterwandert. Gottseidank haben wir noch die wirklichen Qualitätsmedien. Das Handelsblatt:
GASPROM HATTE RECHT: Ukraine bestätigt Gas-Diebstahl
Die Ukraine hat mehr Gas aus der von Russland nach Europa führenden Pipeline entnommen, als ihr zusteht.
HB MOSKAU/KIEW. Das Land sei wegen des durch die Kälte verursachten übermäßigen Verbrauchs durch die ukrainischen Konsumenten genötigt gewesen, mehr Gas abzuleiten, sagte Alexej Iwtschenko, der Chef des ukrainischen Energieversorgers Naftogas, am Donnerstag in Kiew. Wie im Vertrag ausgemacht, werde die Ukraine für das zusätzlich konsumierte Gas einen höheren Preis zahlen. Iwtschenko bestätigte damit die Vorwürfe des russischen Gaskonzerns Gasprom. Der ukrainische Regierungschef Juri Jechanurow hatte am Mittwoch die Vorwürfe noch bestritten.
Nimmt das kein Ende? Auf den SPIEGEL muss doch Verlass sein, vor allem nach der Revolution der Würde (Maidan 2014), durch die die Ukraine endgültig westorientiert und dadurch demokratisch wurde:
EU-Energiekommissar Oettinger warnt im Ukraine-Konflikt vor Gas-Diebstahl
EU-Energiekommissar Oettinger schlägt Alarm: Er sieht die Gefahr, dass im Ukraine-Konflikt „Gas gestohlen wird, auf dem Wege von Ost nach West einfach verloren geht“.Berlin – EU-Energiekommissar Günther Oettinger dringt auf eine Lösung des Gasstreits der Ukraine mit Russland. „In einem langen und kalten Winter hat die Ukraine nicht genügend Speichergas, nicht genügend eigenes Gas, und dann besteht die Gefahr, dass Gas gestohlen wird, auf dem Wege von Ost nach West einfach verloren geht“, sagte er am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“.
Trotz des Abkommens vom Wochenende fließt immer noch kein russisches Gas nach Europa. Offenbar sind Machtkämpfe und die chaotische Lage im Transitland Ukraine der Grund dafür, dass Menschen in Südosteuropa immer noch von der Versorgung abgeklemmt sind.Gazprom drehte tatsächlich den Hahn auf. Doch es zischte nur kurz – die Ukraine leitete keinen einzigen Kubikmeter Gas weiter.Der schwarze Peter aber liegt inzwischen zum Großteil auf ukrainischer Seite. Anstatt wie vereinbart das europäische Gas durchzuleiten, fängt Kiew die Diskussion der vergangenen Woche wieder von vorne an.Für Gazprom geht es vor allem ums Geld. Mehr als 20 Prozent des russischen Staatshaushalts stammen aus den Kassen des Staatskonzerns. Seit einer Woche nun sind die wichtigsten Pipelines blockiert. 120 Millionen Dollar verliert Gazprom täglich (siehe Kasten). Das kann sich weder der russische Staat leisten noch ein Unternehmen, das dieses Geld dringend für Investitionen in neue Gasfelder braucht.Der einzige positive Effekt für die Russen mag sein, dass der wenig zuverlässige Lieferkorridor durch die Ukraine den Bau der Ostsee-Pipeline noch notwendiger erscheinen lässt. Darauf haben russische Politiker und Gazprom-Vertreter in den vergangenen Tagen verstärkt hingewiesen.
Der eigentliche Grund dafür, dass weiter kein Gas nach Westen fließt, liegt in der Ukraine. Die chaotischen wirtschaftlichen und innenpolitischen Verhältnisse haben die Einigung torpediert.
Dass Kiew trotz Vereinbarung das Durchfließen des Gases blockiert, hat auch eine außenpolitische Komponente: Kiew zwingt die EU, sich wieder in den bilateralen wirtschaftlich-politischen Streit einzumischen.
… könnte sich die fortgesetzte Blockade für die Ukraine als Eigentor erweisen. Russlands Image als Gaslieferant mag gelitten haben – das Image des Transitlandes Ukraine ist seit den jüngsten Entwicklungen nachhaltig beschädigt. Und kaum jemand spricht jetzt noch ernsthaft von einem EU-Beitritt.
Es führt kein Weg daran vorbei: Alle waren sie blinde Sozen und tiefgläubige Putinbewunderer. Haben die nationalen Interessen Deutschlands ernstgenommen und waren kritisch gegenüber einem Fass ohne Boden mit bodenloser Korruption. Wie gut, dass die Atlantiker jetzt wieder das Heft in der Hand haben und unsere nationalen Interessen an die USA verraten. Nachdem das mit der Freiheit am Hindukusch verteidigen nicht mehr ging, war ich so glücklich, dass wir jetzt die Freiheit und Demokratie der ganzen Welt am Dnjepr verteidigen. Naja, vielleicht nicht wir. Die ukrainischen HeldInnen halt.
Michael Vorwerk sagt:
Frommen Dank für den wohlsortierten Artikel. Hegelianer wußten es schon längst: Das Geheimnis jeder Erscheinung löst sich in ihrer Geschichte. Die hat schon so manchen Zeitungsartikel hervorgebracht, daß es den Autor mittlerweile bitterlich reut. Damit das Geheimnis aber ein Geheimnis bleibt und das politische Publikum eine Art Kindergartenschar, müssen Fräulein Baerbock und Herr Habeck und Herr Özdemir ihr Simsalabim verkünden (Frank Zappa† hätte gefragt: How did they get into the show?) Rußlands Wirtschaft müsse „ruiniert werden“(!), kündet die Göre vom Auswärtigen Amt. Und Herr Habeck hat entdeckt, das Herr Putin Gaslieferungen „als Waffe“ benutzt. Diese Erkenntnis ging vermutlich mit einer klinischen Symptomatik einher: starre Mimik, seltener Lidschlag. Auch Herr Özdemir ist der Erkenntnis hartnäckig auf der Spur. Den Weizen hat er jäh erkannt: als Waffe in des Feindes Hand.
Aber auf Dauer läßt die Moral sich nicht aufhalten: Vladimir Putin ist in sich gegangen, vielleicht weil Patriarch Kyrill ihm die Leviten gelesen hat. Nun weiß er: russisches Erdöl, russisches Gas, russische Elektrizität sind von Übel, und das Geld dafür ist Sündengeld und nimmer fromm. Und damit die Moral des moralischen Westens hübsch unbefleckt bleibt, werden die Lieferungen eingestellt, auf daß niemand mehr sich grämen muß wegen Überweisungen an das Herz der Finsternis, das bekanntlich im Kreml pocht.
Und deshalb: So lasset uns büßen. Das Regal bei aldi wie auch die Tanksäule werden zu Altären frommer Verzichtsbereitschaft, der doppelte Wollpullover in der winterlichen Wohnung zum Büßergewand. Vielleicht kommt ja auch die gute alte Wärmestube wieder, wo die unterkühlten Bedürftigen in stiller Andacht und eng beieinander historische Notwendigkeit sinnlich erfahren.
qbz sagt:
Die März Statistik für die Importe aus Russland beweist es glasklar, Herr Habeck ist ein verdeckter Putin-Agent. Aufgrund von gestiegenen Rohstoffpreisen nahmen die Importe aus der Russischen Föderation nach Deutschland im März 2022 nämlich um 77,7 % auf 4,4 Milliarden Euro gegenüber März 2021 zu. Wichtigste Importgüter aus Russland waren Erdöl und Erdgas mit einem wertmäßigen Anstieg um 56,5 % auf 2,4 Milliarden Euro. Die eingeführte Menge von Erdöl und Erdgas aus Russland ging im März 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat jedoch um 27,8 % zurück. Gut eingefädelt, Herr Habeck.
us sagt:
Das ist alles gut fürs Klima! Endlich geht es mit der Energiewende voran, die wir wegen des billigen russischen Gases, an dem wir wie Junkies an der Spritze hingen, verschleppt haben! Gestern sprach ich mit einem, der nur noch kalt duscht. Es sei nun an der Zeit, dass jede/r von uns einen persönlichen Beitrag gegen Putin, den Klimavergifter, und für die Rettung der Welt leistet. 😉