Capital and Imperialism

Kapitalismus und Globalisierung gehören zusammen. Nur die imperialistischen Arrangements haben sich im Verlauf der Geschichte geändert.

Der Kapitalismus ging nicht nur historisch aus einem vorkapitalistischen Umfeld hervor, mit dem er interagierte und das er für seine eigenen Zwecke modifizierte, sondern seine Existenz und Expansion hängt bis heute von der Interaktion mit einem vor- bzw. nicht-kapitalistischem Umfeld ab.

So lautet die Grundthese des Buches Capital and Imperialism von Utsa und Prabhat Patnaik1. Die indischen marxistischen Ökonomen, Kollegen und Eheleute lehrten bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2010 am Centre for Economic Studies and Planning der School of Social Sciences der Jawaharlal Nehru University in Neu Delhi.

Ulrike Simon hat das Buch gelesen und schreibt:

Wer den Kapitalismus, wie die meisten Ökonomen, auf die Elemente Kapital – Arbeit – Markt mit dem Staat als Schiedsrichter reduziert, so die Autoren, kann ihn nicht wirklich verstehen. Vielmehr hat dieses Wirtschaftssystem, wie besonders Rosa Luxemburg erkannte und Michal Kalecki später theoretisch untermauerte, schon immer ein ‚außen‘ gebraucht und braucht es noch: den Staat, nicht-kapitalistisch organisierte gesellschaftliche Sektoren und vor allem die „Peripherie“, die Länder des Südens und deren noch nicht vollständig der Kapitallogik unterworfene Bevölkerungen und Wirtschaftsbereiche.

Selbstverständlich sind die Beziehungen zwischen den kapitalistischen Akteuren in den Zentren des Nordens und der Peripherie des Südens ebenso unübersehbar, wie die vielfältigen Aktivitäten der Staaten, die durchweg eine weitaus aktivere Rolle einnehmen als ihnen in der gängigen Volkswirtschaftslehre zugestanden wird.

Diese empirisch feststellbaren Gegebenheiten sind jedoch Manifestationen struktureller Notwendigkeiten. Aus der inneren Logik des Kapitalismus als Geldsystem und der Tatsache, dass er in den gemäßigten Breiten des Nordens entstand, ergeben sich drei Grundproblematiken, die nicht systemimmanent lösbar sind:

1. Die Tendenz zur Überakkumulation, unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und Stagnation

2. Die Tendenz zur Geldentwertung

3. Die Angewiesenheit der Länder des Nordens nicht nur auf die Bodenschätze sondern vor allem auch auf die landwirtschaftlichen Produkte des Südens

Seinen offenkundigen Erfolg verdankt der Kapitalismus den jeweiligen imperialistischen Arrangements, über die es immer wieder gelang, diese Systemfehler für gewisse Zeiträume zu überkommen, bis Krisen die Veränderung der jeweiligen Konstellation notwendig machten.

[Der vollständige Text erscheint im Mai im Rahmen des neuen – gedruckten – Makroskop-Themenhefts].

Hier noch – auch aus aktuellem Anlass – das Fazit des Artikels:

Ohne die Eindämmung der Macht des Finanzkapitals ist kein Ausweg aus dieser Krise möglich. Nach Meinung der Autoren kann der nur gefunden werden, indem einzelne Nationalstaaten oder ein Zusammenschluss mehrerer Staaten die Kontrolle über ihr Staatsgebiet zurück gewinnen, und die Regierungen politisch nicht nur zur Rettung des Kapitalismus vor sich selbst aktiv werden, sondern gleichzeitig auch zur Lösung der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Probleme ihrer Länder. Mehr Sozialismus, weniger Kapitalismus.

Nicht nur in den Ländern des Südens ist das ein sehr schwieriges Unterfangen. Während am Ende der Kolonialzeit die Eliten an vorderster Front des nationalen Widerstands standen, gehören sie heute zu den Profiteuren der Globalisierung und tun alles, um Veränderungen zugunsten der Bevölkerungsmehrheit zu verhindern.

Diese wiederum ist kulturell und ideologisch oft nicht im Sinne der Ideale progressiv, sondern eher traditionell und / oder religiös orientiert und empfindet die Weltoffenheit der Globalisierung als Bedrohung. So kommt es, dass der Widerstand sich häufig rechts-populistisch organisiert, obwohl die Anführer dieser Bewegungen sich mit dem Finanzkapital verbünden und gerne Sündenböcken die Verantwortung für die Leiden der Bevölkerung zuschieben. Und das ist in den Metropolen nicht anders.

Weltweit empfinden viele Linke jedoch die einfachen Menschen als hoffnungslos rückständig und haben oft große Probleme damit, nationalen Widerstand zu organisieren, weil sie Nationalismus mit imperialistischen Kriegen und Faschismus verbinden. So stellen sie sich objektiv auf die Seite des Finanzkapitals. Denn dieses sei ja inzwischen international und nicht mehr national organisiert, und deswegen habe sich die Situation heute grundlegend geändert, so die Autoren.

Wer als Linke/r mit Blick auf die Verbesserung der Lebensumstände der Mehrheit der Welt-Bevölkerung einen Ausweg aus der Krise sucht, wird, wenn die Autoren recht haben, seine Sicht auf viele Dinge ändern müssen, sowohl außen- als auch innenpolitisch.

Innenpolitisch geht es um breite Bündnisse bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein, mit Menschen, die sich weder kulturell noch in ihren gesellschaftlichen oder wirtschaftspolitischen Vorstellungen als links verstehen.

Außenpolitisch richtet sich der Blick auf die ‚Achse des Bösen‘ bzw. die ‚Achse des Widerstandes‘, wo sehr unterschiedliche Staaten wie Russland und China, Afghanistan, Iran, Kuba oder Venezuela, Syrien und der Jemen in der Schusslinie stehen. Es darf angenommen werden, dass ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sich diese Länder der imperialistischen Macht des Finanzkapitals nicht unterwerfen. In diesem Zusammenhang interessant ist Prabhat Paitnaks – sicherlich zu Widerspruch reizende – Einschätzung, dass Chinas Neue-Seidenstraßen-Politik keine imperialistischen Tendenzen im von ihm definierten Sinne aufweist.2

Auch bei einer kritischen Einstellung zu den jeweiligen ‚Regimes‘ wird man sich von links zur Anerkennung der Tatsache durchringen müssen, dass – wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen – die nächste Entwicklungsstufe der Menschheit nicht durch die sozialistische Internationale ausgerufen werden wird. Das anzustrebende Etappenziel ist vielmehr die friedliche und gleichberechtigte Kooperation der Nationen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Interessen im Rahmen und auf Basis des Völkerrechts und die produktive Konkurrenz ihrer unterschiedlichen Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsmodelle.3

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1 Capital and Imperialism: Patnaik, Utsa; Patnaik, Prabhat; Monthly Review Press. New York 2021. Kindle-Version.

2 https://www.youtube.com/watch?v=2I8FmEePoC8 (ab Minute 48)

3  http://thesaker.is/joint-statement-of-the-russian-federation-and-the-peoples-republic-of-china-on-the-international-relations-entering-a-new-era-and-the-global-sustainable-development/
vergl. dazu auch: über uns

2 Gedanken zu „Capital and Imperialism

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