Von einer, die auszog, das Thema Inflation zu verstehen, und dabei in einem Kaninchenbau landete.
Erschienen am 19. Januar bei Makroskop
Nach der Theorie der rationalen Erwartungen ist staatliche Wirtschaftspolitik überflüssig, wenn nicht sogar schädlich, da sich am Markt das optimale Gleichgewicht über das rationale Handeln der Wirtschaftssubjekte einpendelt. Dabei kann das Handeln eines Subjekts als repräsentativ für alle anderen angesehen werden. Der Anspruch an uns Subjekte ist somit hoch:
„[…] alle Individuen in einer Volkswirtschaft (Arbeitnehmer, Unternehmer, Konsumenten, Anleger) [nutzen] die gesamten verfügbaren Informationen, die ihnen von Wirtschaftsforschungsinstituten, Fachzeitschriften, Zentralbanken, Regierungen usw. bereitgestellt werden, und verarbeiten diese. Sie – Professoren ebenso wie ökonomische Laien – sind damit in der Lage, qualifizierte Vorhersagen darüber zu treffen, wie sich wichtige ökonomische Größen wie Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit, Inflation, Löhne, Zinsen, Aktien- und Güterpreise etc. in der Zukunft entwickeln werden, und auf dieser Grundlage Kauf-, Anlage- oder Arbeitsentscheidungen vorzunehmen. Das verfügbare, umfassende Informationsmaterial allein reicht dabei nicht aus; es muss auf Basis eines ökonomischen Modells korrekt interpretiert werden. Angenommen wird von der Theorie der rationalen Erwartungen deshalb, dass alle Wirtschaftssubjekte bei ihrer Erwartungsbildung das eine ‚richtige‘ ökonomische Modell wählen.“
Als ‚repräsentatives Wirtschaftssubjekt‘ wähnte sich Alice bei der Einschätzung der gegenwärtigen, deutlich spürbaren Preiserhöhungen zunächst als gut aufgestellt, hatte sie doch bei MAKROSKOP in Günther Grunerts Artikel gelesen, dass mittel- und langfristig keine Inflationsspirale zu erwarten sei, dass wir es mit einem temporärem Phänomen zu tun hätten, das vor allem auf die Verwerfungen der Corona-Krise zurückzuführen wäre, und Zinserhöhungen durch die Zentralbank zur Inflationsbekämpfung aktuell weder hilfreich noch wirksam seien.
Damit konnte sie in der Diskussion jedoch nicht so richtig punkten, und wurde unter anderem auf Vorträge von Hans-Werner Sinn und Sahra Wagenknecht verwiesen.
Was ist dran an diesen Thesen, wundert sich das ‚rationale Wirtschaftssubjekt‘ Alice, und rutscht – ‚schwups‘ – in den Kaninchenbau des Wirtschaftswunderlands.
Sie muss nur zur Kenntnis nehmen, dass allenthalben die Gefahr einer dauerhaften Inflationsspirale beschworen wird, und viele Menschen um ihren Lebensstandard fürchten, wie Wagenknecht deutlich macht. Ein Blick auf die Benzinpreise genügt. Ein aufmunterndes „Das wird schon wieder!“ wirkt da für die meisten ‚Wirtschaftssubjekte‘ wenig überzeugend.
Hans-Werner Sinn zufolge ist die Lage geradezu dramatisch: Wir beginnen gerade, einen Abhang herunterzurollen; der Abwärtstrend wird sich unaufhaltsam beschleunigen. Die Hauptursache dafür sieht er nicht in der aktuellen Situation, sondern in dem Grundübel einer schon lange fehlgeleiteten Politik der EZB. Diese sei nicht nur für die hohe Inflationsgefahr verantwortlich, sondern habe auch das einzige Instrument, das uns hätte retten können, Zinserhöhungen, mutwillig zerstört.
Die Logik scheint klar: es ist allein die Geldpolitik der Zentralbank, die über den Zins die Stabilität unserer Währung gewährleisten kann. In Zeiten einer lahmen Wirtschaft regt sie über niedrige Zinsen die Investitionstätigkeit der Unternehmen an, in Zeiten der Überhitzung dämpft sie durch höhere Zinsen. Hohe Preise sind Zeichen der Überhitzung, also brauchen wir heute Zinserhöhungen.
Warum kann die Zentralbank zum jetzigen Zeitpunkt jedoch die Zinsen nicht erhöhen? Weil das, so Sinn, zum Crash vieler Euroländer und Banken führen würde.
Schon lange stützt die EZB mit ihrer Politik des Quantitative Easing (QE) die schwächelnden Euro-Länder Südeuropas. Deren Staatsanleihen werden von den Märkten als wenig sicher eingeschätzt, der Wert der Anleihen sinkt, die Staaten müssen für ihre Anleihen zur Finanzierung ihrer Staatshaushalte höhere Zinsen zahlen. Die EZB kauft den Banken und Anlegern nun diese Anleihen ab, das dafür nötige Geld ‚druckt‘ sie. Dadurch erhöht sich der Wert der Staatspapiere, und der Verkauf spült Banken und Anlegern viel Geld in die Kassen, welches nun für den Ankauf anderer Finanzprodukte (und Spekulationen) zur Verfügung steht. Das führt zu einer Inflation auf den Finanzmärkten und der Erhöhung der Immobilienpreise.
Gäbe die EZB diese Politik auf, die nach EU-Recht eigentlich gar nicht erlaubt ist, wären viele Banken gefährdet, denn sie müssten – nachdem sie die Gewinne aus der Werterhöhung an ihre Anleger ausgezahlt hätten – die überhöhten Werte der Staatspapiere in ihren Bilanzen nach unten korrigieren, und so verringerte sich mit einem Schlag das Eigenkapital der Banken, mit möglicherweise dramatischen Folgen.
Die schwachen Euro-Länder Südeuropas sähen sich mit extremen Wertverlusten und steigenden Zinsen für ihre Risiko-Wertpapiere konfrontiert. Ohne EZB-Unterstützung könnten sie dann ihre Kredite nicht mehr bedienen, Staatsbankrotte seien zu erwarten. Das, so Sinn, sei aber in der EU politisch nicht gewollt. Im Interview wird er deutlich: Erst ein Crash könne diese Länder zu einer gesunden Wirtschaft (ohne Staatsausgaben, die nur künstliches Wachstum bewirken könnten) und einem stabilen Euro führen.
Der Sündenfall sei die Rettung Griechenlands gewesen. Seitdem würden die Länder am Tropf des Nordens künstlich am Leben erhalten. Mit schlimmen Folgen: Es fehle nun das wichtigste Instrument der Inflationsbekämpfung, nämlich die Erhöhung der Leitzinsen. Gleichzeitig säßen die Banken auf einer riesigen Inflations-Zeitbombe in Form von 4,9 Billionen zusätzlichen Euro, die für das Funktionieren der Wirtschaft nicht gebraucht würden. Nein, es gehe nicht um die Geldmenge an sich. Aber die Gefahr bestünde, dass die Banken es verleihen, und dann würde die Realwirtschaft mit Krediten überschwemmt. Mit einer dermaßen angeheizten Nachfrage könne das Angebot dann nicht mehr Schritt halten, et voilà! Deswegen müsse diese Geldmenge zur Inflationsbekämpfung erst einmal weg, eine europarechtlich und praktisch sehr schwieriges Unterfangen.
Alice kommt ins Grübeln.
Niedrige Zinsen und Staatsdefizite beflügeln also die Investitionstätigkeit und kurbeln die Inflation an. Warum wollte in all den vergangenen Jahren die Wirtschaft trotz extrem niedriger Zinsen und hoher Staatsschulden nicht richtig in Gang kommen? Warum wurde das Inflationsziel von 2 % nicht erreicht? Und umgekehrt soll das jetzt funktionieren?
Die Geldpolitik der Zentralbank scheint ein stumpfes Schwert zu sein, denkt sie. Viel spricht dafür, dass es vor allem die Nachfragesituation ist, die die Wirtschaftsentwicklung allgemein und speziell die Preisentwicklung beeinflusst. Manche Ökonomen gehen noch weiter und behaupten, dass der Zins bei Investitionsentscheidungen nur eine untergeordnete Rolle spielt, und ein höherer Zins sich sogar positiv auswirken kann, weil er mit höheren Preissetzungszielen und somit deutlicheren Profiterwartungen einher geht.
Im Gegensatz zu Sinns Ansicht, der, wie wir noch sehen werden, staatliche Finanz-Injektionen in die Wirtschaft grundsätzlich für schädlich hält, hieße das doch, dass man zur Inflationsbekämpfung das Terrain der Geldpolitik verlassen muss. Denn die Fiskalpolitik ist es ja, über die die jeweiligen Staaten Einfluss auf die Nachfrage in der Realwirtschaft nehmen könnten. (Damit wäre Alice als ‚rationales Wirtschaftssubjekt‘ eigentlich schon `raus, aber nun ist sie doch neugierig geworden.)
Angesichts der aktuellen Preiserhöhungen wären höhere Zinsen, unabhängig von ihrer Inflations-Wirksamkeit, natürlich für Sparer erfreulich, muss Alice Sahra beipflichten, denn die sorgen dafür, dass das gesparte Geld seinen Wert behält.
Und bei Paul Steinhardt liest sie, dass höhere Zinsen durchaus nützlich wären, denn so manche Spekulationsblase würde zerschlagen, ganz in Wagenknechts Sinne, die die Profiteure der Euro- und Corona-Krise zur Kasse bitten möchte. Das Bankenrisiko sieht er nicht so dramatisch, vorausgesetzt die EZB ginge schrittweise vor.
Bleibt das Problem der südeuropäischen Euroländer: Sinn befindet sich vermutlich auf einer Wellenlänge mit Wirtschaftsminister Christian Lindner, der auch für Deutschland Strukturreformen nach dem Vorbild Griechenlands empfiehlt, die dieses Land auf einen so positiven Kurs gesetzt hätten. Dieser ‚positive Kurs‘ bedeutet übrigens, dass dort zwar gerade ein vorsichtiges Wachstum zu verzeichnen ist, das Bruttosozialprodukt aber immer noch um 27 Prozentpunkte niedriger ist als vor der Finanzkrise und die Jugendarbeitslosigkeit bei 33 % liegt.
Obwohl es die ‚Rationalität‘ verbietet, bekommt Alice einen ziemlichen Schreck angesichts solcher Rezepte. Soll nicht die Wirtschaft den Menschen dienen, wie Heiner Geissler einst sagte, und nicht umgekehrt? Da muss es doch Alternativen geben zur jetzigen Wahl zwischen dem totalen Zusammenbruch oder einer Kombination aus EU-regelwidrigem QE und EU-regelkonformer Sparpolitik. Das Grundübel scheint ihr doch die Konstruktion des Euro zu sein, die Aufgabe der Währungssouveränität der Euro-Staaten und ihre Verschuldung in einer Fremdwährung.
Bei Sinn findet sie auch kein Wort über die Lohndumpingpolitik Deutschlands, die deutsche Exporte stark verbilligt, und so die anderen Länder, die nicht mehr durch Abwertung ihrer Währung gegensteuern können, vom Markt verdrängt. Im Gegenteil: Aus seiner Sicht bezahlen wir Deutschen die Rettungsaktionen. Keine Erwähnung der Tatsache, dass bisher noch kein Steuerzahler dafür Geld locker machen musste und es voraussichtlich auch nicht tun muss. Kein Wort darüber, dass der deutsche Staat durch die niedrigen Zinsen für Staatsanleihen und viele deutsche Gläubiger sowohl von den hohen Zinsen für die Staatsanleihen der ‚schwachen‘ Länder als auch von deren Werterhöhung durch die QE-Maßnahmen stark profitieren.
Bleibt die Inflationsgefahr wegen des vielen zusätzlich „gedruckten“ Geldes. Auf MAKROSKOP wurde diese Zeitbombe schon vielfach argumentativ entschärft. Die Befürchtung beruht auf der Annahme, dass die Kreditvergabe der Banken von deren eingesammelten Geld (Ersparnisse oder Zentralbankreserven) abhängig ist. Das ist aber nicht der Fall. Die Banken können jederzeit an kreditwürdige Kunden Kredite vergeben und schöpfen dabei Giralgeld, welches sie bei Rückzahlung wieder vernichten.
Ob Kredite nachgefragt werden, hängt von den Entwicklungen in der Realwirtschaft ab, wie die Menschen ihre Einkommenssituation, die Unternehmen die Nachfragesituation einschätzen. Zu hohe Geldreserven sind deswegen kein Faktor, der die Nachfrage anheizt.
Damit sind wir jedoch noch lange nicht am Ende. Die Politik der Zentralbank ist laut Sinn ein wichtiger, beileibe jedoch nicht der einzige Grund, warum wir vor einer Inflations-Katastrophe stehen.
Weitere Gründe seien die immer höheren Staatsausgaben seit der Finanzkrise, aktuell verschärft durch die Corona-Maßnahmen, die Energiewende, die Erhöhung des Mindestlohnes und weitere zu erwartende Lohnerhöhungen sowie der starke Anstieg der Erzeugerpreise. Und auf all das reagierten EZB und Politik nur mit Abwiegelungsparolen.
Dazu mehr im zweiten Teil von Alices Reisebericht aus dem Wunderland der Wirtschaftspolitik.
qbz sagt:
Neben dem Euroraum sind bekanntlich auch die USA ( 7 % Inflation und hoher Beschäftigungsgrad) und Lateinamerika von inflationären Tendenzen betroffen, Kanada und Neuseeland (ca. 3 %). Inflationäre Prozesse treten also in den meisten westlichen Industriestaaten (mit Ausnahme Japans) auf. Die FED hat 4 kleine Zinserhöhungen angekündigt und fährt die Anleiheaufkäufe stark zurück. Da die EZB das nicht vorhat, wird der Euro im Verhältnis zum Dollar sehr wahrscheinlich abwerten, was die Importe in die EU, vor allem die Rohstoffe und die Energie, wiederum verteuern dürfte, d.h. es kommt dann ein zusätzlicher Inflationseffekt auf den Euroraum zu.
us sagt:
Das mag sein. Dass die EZB durch so etwas in Zugzwang gerät, ist auch möglich.
Das alles wird jedoch wenig Einfluss darauf haben, wie sich die regulären Verbraucherpreise entwickeln. Und die auch nciht entlasten. Wenn es die Immobilien nicht mehr sind, stürzt sich die Finanzindustrie aur etwas anderes, vermutlich CO2 Zertifikate, sonstige erneuerbare-Energie-Investitionen und Infrastruktur. Das wird dann alles teurer. Hat auch ncihts mit der Zinspolitik der Zentralbanken zu tun.
Dass wir jetzt so hohe Energiepreise haben, hat jedenfalls erst einmal auch nicht, sondern mit Politik, z.B. mit der Liberalisierung der Energiemärkte. Es wurde ja sogar Druck ausgeübt auf Staaten, die mit Russland langfristige Lieferverträge für Gas abschließen wollten … Man spekulierte auf niedrige Preise am Spotmarkt und hat Pech gehabt.
Und man will Europa dazu zwingen, teures LNG aus USA oder Quatar zu beziehen statt billiges über Nordstream 2.
qbz sagt:
Hallo Us,
„Das mag sein. Dass die EZB durch so etwas in Zugzwang gerät, ist auch möglich.
Das alles wird jedoch wenig Einfluss darauf haben, wie sich die regulären Verbraucherpreise entwickeln.“
Solange die Waren und vor allem Öl und Gas auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt werden, spielt es schon eine Rolle bei den Verbraucherpreisen, wie der Euro-Dollar Kurs ist. Wertet der Euro ab, steigen die Preise der Importe und vor allem die Energie und wir haben im Euroraum einen Inflationseffekt, weil die Energiekosten den Verbraucherindex stark beeinflussen.
Gruss,
qbz
qbz sagt:
Hallo us,
„Zu hohe Geldreserven sind deswegen kein Faktor, der die Nachfrage anheizt.“
Egal, ob jetzt ein Wirtschaftsmodell eine Regel ableitet, wie eine zu hohen Geldmenge kann inflationäre Prozesse „anstossen, oder ein anderes Modell das verneint, ich würde ganz einfach empirisch an die Fragen herangehen. Bei Negativ Zinsen machen Anleihen als Renditemöglichkeit für das Kapital keinen Sinn mehr, es wandert in den Immobilienmarkt oder in die Aktienmärkte oder in Derivate von Rohstoffen und Lebensmittel, was sich empirisch in der Preisentwicklung der letzten 13 Jahren beim Immo- und Aktienmarkt zeigt. Die Preissteigerungen bei den Bestandsimmobilien führen wiederum zu einem Wachstum bei Neubauten, weil das bei den billigen Zinsen kostengünstiger erscheint als der Kauf von Bestandsimmobilien —> erhöhte Bautätigkeit und mehr Arbeitskräfte im Bausektor. So hat es Sinn plausibel empirisch belegt und ich glaube, viele andere Ökonomen teilen eine solche Wahrnehmung realer Kapital- und Renditeverschiebungen an der Oberfläche der Finanzmärkte. Mittlerweile haben die Immopreise wiederum eine Höhe erreicht, dass die erpressbaren (Miet)renditen an ihre Grenzen stossen und die Preise langsam zurückkommen werden. Das alles geht nicht einmal in den Inflationsindex ein, führt aber zum proportional stärkeren Anwachsen der Vermögen von sehr reichen Menschen.
us sagt:
Hallo qbz,
QE hat dazu beigetragen, die Finanzmärkte aufzublasen, und höhere Zinsen würden so manche Blase platzen lassen. Das bestreite ich doch gar nicht. Dass dadurch die Immobilien teuer geworden sind, auch nicht. Dass da auf Teufel komm raus mit Rohstoffen und – besonders schädlich – mit Lebensmitteln spekuliert wird, ist auch bekannt. Das alles spricht dafür, dass die Finanzmärkte kontrolliert gehören und Spekulationen mit Lebensmitteln verboten.
Dieses Phänomen ist seit der 2008 zu beobachten und in Japan noch viel länger. Es hat aber nicht auf die Verbraucherpreise durchgeschlagen, obwohl viele Leute darauf gewartet haben, weil sie die Staatsschulden für inflationär halten und alles den Märkten überlassen wollen. Und die Leute kaufen auch bei Negativzinsen Staatsanleihen, weil die eine sichere Parkmöglichkeit für einen Teil ihres Geldes sind, während sie mit dem Rest wild spekulieren.
Und heute steht zu befürchten, dass auch die Energiewende vermurkst wird, weil die Finanzmärkte Anlagemöglichkeiten suchen. Bidens Pläne zur Infrastruktur sind inzwischen auch um die meisten staatlichen Komponenten gekürzt wurden und zu sicheren Anlagemöglichkeiten für private Investoren umfunktioniert. Das ist auch nicht sehr erfreulich, da ja die Nutzung der Infrastruktur extrem verteuert wird, z.B. wenn man für das Überfahren von Brücken bezahlen muss.
Das sind alles ganz schreckliche Sachen! Es ist aber die Finanzindustrie, die das Problem ist, nicht die Staatsausgaben. (Vor kurzem scheint die Fed auch wieder einige Banken mit riesigen Beträgen gerettet zu haben, durch Streckung der Gesetze, und ohne dass das öffentlich groß bekannt wurde.)
Eigentlich braucht man starke Staaten, die sich gegen die Finanzindustrie zur Wehr setzen
können. Aber weil die ja Geld bräuchten, und angeblich die Staatsausgaben für Inflation sorgen, kann der kleine Mann (oder die kleine Frau) das ja nicht wollen. Und autoritär sind starke Staaten ja auch …
Jahrelang gab es keine Inflation (außer bei den Immobilien), jetzt ist sie seit letztem Jahr weltweit da, was ich ja auch nicht bestreite. Und alle haben Angst. Wieso gerade jetzt?
Die Frage ist, ob es sich um einen temporären Prozess handelt, oder ob es jetzt wieder so abgehen wird wir in den 70ern (oder sogar wie 1923?) Und da halte ich es für plausibler, ein temporäres wenn auch nicht unbedingt kurzfristiges Phänomen mit verschiedenen speziellen Ursachen anzunehmen:
Lieferketten, Monopolisierung, Umsteigen der Konsumenten auf andere Produkte (Renovierung statt Restaurantbesuch). Dazu kommen jetzt noch andere Sachen, z.B. die hohen Subventionen für energie-effiziente Gebäude, die gerade gestoppt wurden.
Und das alles wird nicht durch die Zentralbank beeinflusst sondern einerseits durch die Folgen von Corona und andererseits durch ein System, welches sehr krisenanfällig ist (z.B. weil keiner mehr was auf Lager hat).
Auch das ist alles nicht schön, weswegen ja grundsätzlich die kritische Auseinandersetzung mit den ökonomischen Verhältnissen im Kapitalismus nötig ist. Sinn ist da für mich kein Vorbild, denn er beobachtet natürlich vieles korrekt, nur seine Erklärungen sind es nicht unbedingt und seine Lösungen menschenverachtend. Aber auch von links hapert es. Paul Steinhardt hat gerade in einem Artikel Sarah Wagenknechts Video sehr einleuchtend, wie ich finde, zerrissen.
qbz sagt:
Hallo us,
Jahrelang gab es keine Inflation (außer bei den Immobilien), jetzt ist sie seit letztem Jahr weltweit da, was ich ja auch nicht bestreite. Und alle haben Angst. Wieso gerade jetzt?
………….
Und das alles wird nicht durch die Zentralbank beeinflusst sondern einerseits durch die Folgen von Corona und andererseits durch ein System, welches sehr krisenanfällig ist (z.B. weil keiner mehr was auf Lager hat).“
Eigentlich reagieren alle nicht Euro-Länder in Europa und die USA mit Leitzinserhöhungen und einem Zurückfahren der Anleiheaufkäufe auf die gegenwärtige inflationäre Entwicklung.
Wir sind uns wohl einig in dem Punkt, dass Leitzinsen und die Notenbankpolitik gewisse Auswirkungen inform von Kapitalanlage-Verschiebungen auf den Finanzmärkte hat, was man einfach empirisch beobachten kann. Ein Dissens besteht darin, ob und wie sich die Leitzinsen und die Anleiheaufkäufe der Notenbanken auf die Realwirtschaft und die Konsumentenpreise im Euroraum auswirken.
Gruss,
qbz