Kriegs- oder Friedenslogik?

Michael von der Schulenburg mit deutlichen Worten:

Die UNO-Charta folgt der Friedenslogik: Es gibt keine gerechten oder ungerechten Kriege, es geht nicht darum, wer angefangen hat. Es geht darum, die gewaltsame Austragung von Konflikten zu verhindern. Und, wenn sie schon begonnen hat, so schnell wir möglich zu verhandeln und darüber die zugrunde liegenden Ursachen zu begreifen und anzupacken.

Dem stellt er die Wolfowitz-Doktrin entgegen, die für ihn die Kriegslogik repräsentiert. Laut Wikipedia wurde das Konzept „bei der internationalen Debatte über die Außen- und Sicherheitspolitik der USA, die auf die Veröffentlichung folgte, weithin als imperialistisch bewertet, da es den Unilateralismus als politisches Ziel darstellt und präventive, bzw. präemtive Militärschläge befürwortete, um mögliche Gefahren von anderen Ländern zu unterdrücken und andere Länder, darunter namentlich Russland, Deutschland, Japan und Indien, daran zu hindern, eine hegemoniale Stellung zu gewinnen.“ [Notiz am Rande: Laut Wikipedia profilierte Joseph Biden sich damals als einer der schärfsten Kritiker, da Wolfowitz damit die Bündnispartner verschrecke, sicher nicht wegen des US-Hegemonieanspruchs an sich.]

Das Friedenslogik ist Teil jedes Pädagogik-Curriculums und man lernt sie in jedem Mediationskurs. Warum wir uns damit in Bezug auf internationale Beziehungen so schwer tun, ist kaum zu begreifen. Ansonsten – wenn es nicht nur „immer wieder die Amerikaner, die an allem Schuld sind“ sein soll – läge „the proof in the pudding“. Verhandlungen werden vorgeschlagen. Dann würde man ja sehen, wer (nicht) mitmacht. Und das haben wir ja im Ukraine-Krieg auch gesehen.

Der Ukraine-Krieg: für die USA nur eine „glückliche Fundsache“?

Die Sache mit dem russischen Angriffskrieg ist und bleibt eine hochemotionale Sache; sie bleibt aber auch hoch relevant, wenn daraus imperialistische Angriffsmotive Russlands konstruiert werden, wie das viele Linke tun, vermutlich die meisten. Und sie gehen dann noch weiter und interpretieren die neue Weltlage als inter-imperialistischen Konflikt, wobei die Gleichung Kapitalmus = Expansionsdrang = Imperialismus angewendet wird. Demzufolge sind alle Imperialisten unterschiedlicher Couleur: Der kollektive Westen, ebenso wie Russland, China, Indien oder sonst wer.  Mit Lenins Imperialismustheorie hat das nichts zu tun. Darauf soll aber hier nicht weiter eingegangen werden. Zurück zum Ukraine-Konflikt:

Ingar Solty schreibt z.B., es sei eine Verschwörungstheorie anzunehmen, die Russen seien zum Angriff provoziert worden (ISW Report Nr. 133/134: Die neue Blockkonfrontation, S. 9). Vielmehr sei der Ukraine-Krieg für die USA eine „glückliche Fundsache“ gewesen. Denn sie seien nun die Hauptprofiteure des Krieges. Letzteres stimmt natürlich. Aber ist die Sache mit der Provokation wirklich nur eine Behauptung des „verschwörungstheoretischen Rands“ (Solty)?

Kann man diesen Streit nicht einfach zurückstellen und sich auf die Notwendigkeit eines sofortigen Friedens einigen? Man sollte es sicherlich. Denn angesichts des Kriegshorrors ist notwendig, alle Vorbehalte zurückzustellen und Verhandlungslösungen zu finden.

Kann man aber in der wissenschaftlichen Diskussion darauf verzichten, empirische Befunde zu würdigen? Nein. Und da gibt es nun weitere Hinweise. (Neben dem, was Nato-Chef Stoltenberg selbst sagte.)

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US-amerikanische Strategiedebatten

In seinem täglichen Briefing vom 22.8.2023 spricht Alexander Mercouris das „Big Power Game“ des US-Imperiums an und wie die entsprechenden Strategien in den USA diskutiert werden.

Die drei großen Zeitschriften, in denen diese debattiert werden, sind: Foreign Policy, Foreign Affairs und National Interest.

Grundsätzlich sei man sich bei den Eliten einig, dass China die große Gefahr für die amerikanischen Interessen darstelle. Aber wie soll man inzwischen mit Russland umgehen?

2021 forderte das Strategiepapier des Atlantic CouncilToward A New American China Strategy“ Zugeständnisse an Russland.

„ Allowing Russia to drift fully into China’s strategic embrace over the last decade will go down as the single greatest geostrategic error of successive US administrations,“ schreiben die Autoren.

Dem wurde z.B. in dem am 14.3.2022 in National Interest erschienenen Artikel von Wess Mitchell „To Prevent China from Grabbing Taiwan, Stop Russia in Ukrainevehement widersprochen (der Originalartikel sei inzwischen mehrfach redigiert und entschärft worden, sagt Mercouris).

„The whole point should be to keep U.S. power applied as surgically as possible to the weaker of the two rivals, with a view to decisively draining it and being able at a later date to face China with greater strength as a result.“

Heute schienen mehr und mehr Strategen zu der Einsicht zu kommen, dass letztere Strategie dabei sei zu scheitern. Weiterlesen

Nochmals Jörg Goldberg

Zu dem in der Zeitschrift Z erschienenen Artikel „Weltordnung zwischen Globalisierung und
Nationalstaaten“ von Jörg Goldberg habe ich nun einen 800-Wort Kommentar geschrieben, den ich zur Veröffentlichung an die Zeitschrift Z sende.
Hier eine Zusammenfassung des Goldberg-Artikels mit meinem nachfolgenden ausführlichen Text dazu.

Die Lektüre des Textes regte mich zu Widerspruch an: Geht es um Dissens oder Akzentverschiebungen? Das könnte nur eine weitere Diskussion klären.

In meinem Kommentar geht es um 4 Punkte:

1. Die Rolle des Staates im Kapitalismus
2. Den aggressiven Charakter des „wohlwollenden Hegemons“
3. Die Krise des US-dominierten internationalen Systems
4. Den Charakter der künftigen Weltordnung

Antwort auf Jörg Goldberg

Jörg Goldberg hat in der Zeitschrift Z vom Juni 2023 einen Artikel mit dem Titel „Weltordnung zwischen Globalisierung und Nationalstaaten“ geschrieben. Meine Antwort darauf ist relativ ausführlich ausgefallen.

Antwort auf Jörg Goldberg (Fassung vom 2.7.2023)

Jörg Goldbergs Analyse 1

Fragen 2

Superimperialismus 4

Der Staat als eigenständiger Akteur im Kapitalismus 5

Bipolare Welt und „goldenes Zeitalter des Kapitalismus“;
neoliberale Globalisierung und unipolarer Moment 6

Modernisierung des „Rests der Welt“ 7

Multipolarität 10

Perspektiven 11

Fazit  13

Quellenverzeichnis 15

Imperialismus, Kapitalismus, Sozialismus und der ganze Rest

Zum ersten Mal hatte ich die Gelegenheit dazu, meine Thesen in einem größeren Kreis zu diskutieren. Das war eine sehr interessante und anregende Erfahrung. Ich erhielt anfangs fast durchweg positives Feedback.

In der vertiefenden Diskussion wurden aber sehr schnell unterschiedliche Sichtweisen deutlich. Deswegen habe ich nun versucht zusammenzufassen, worin sich meine Position eigentlich von anderen anti-kapitalistischen Einschätzungen unterscheidet. Wenn ich diese richtig wiedergegeben habe, gibt es da doch enorme Differenzen, wie die unten folgende Tabelle zeigt.

Dabei würde mich vor allem sehr interessieren, welche Alternativen zum Organisationssystem Nationalstaat und zu einer sozial-ökologischen Transformation in nationalen Rahmen es aus links-anti-kapitalistischer Sicht gibt.

Die grundsätzlich positive Aufnahme meiner Gedanken führe ich darauf zurück, dass sich aus meinem Ansatz eine sehr viel praktischere und weniger depressive Handlungsperspektive ergibt als aus den gängigen linken Analysen, die einen zudem immer wieder in das Bündnis mit dem keineswegs wohlwollenden Hegemon treiben.

Meine Suche nach Alternativen begann ja gerade, weil ich zunehmend eine Diskrepanz zwischen der beobachteten Realität und den Einschätzungen und politischen Haltungen des „linken Spektrums“ wahrnahm, und ich mich dort überhaupt nicht mehr aufgehoben fühlte.

Bei den heterodoxen Ökonomen, von denen die meisten nicht in erster Linie den Sozialismus, sondern eine ausgewogene erfolgreiche Volkswirtschaft im Sinn haben, bei Michael Hudson, für den eine solche Volkswirtschaft sozialistisch ist bzw. sein muss, bei geopolitischen Analysten, die sich nicht eindeutig traditionell rechts oder links einordnen lassen, beim Vergleich der Verlautbarungen der unterschiedlichen weltpolitischen Akteure, der konkreten Beschäftigung mit der Tagespolitik und deren  Vorgeschichte, bei marxistischen Ökologen u.v.m. wurde ich fündig und entdeckte eine für mich ganz neue Welt. Aber nun zum Positionenvergleich:
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Der weiße Mann gegen den Rest der Welt

Michael Hudson über den neuen kalten Krieg

Ausschnitt aus einem seiner vielen Interviews, die er in der letzten Zeit gibt

Beginn der Übersetzung

Es gibt sehr wenig, was ein Zentralbanker tun kann, wenn der Westen einem völlig isolierten Land, im Prinzip den Krieg erklärt hat.
Die Antwort kam von Präsident Putin und von Außenminister Lawrow. Sie zeigten, wie Russland Handel treiben und sich das besorgen kann, was es braucht. Und genau darum geht es bei den jüngsten Treffen der BRICS-Staaten.
Russland hat erkannt, dass die Welt jetzt in zwei Hälften geteilt ist. Amerika und die NATO haben den Westen abgespalten. Im Grunde gibt es nun einen Bund der Weißen gegen den ganzen Rest der Welt.
Und der Westen hat gesagt, wir isolieren uns völlig von euch. Und wir glauben, dass ihr ohne uns nicht zurechtkommen könnt.
Nun, sehen Sie sich den Humor dieser Sache an. Russland, China, Iran, Indien, Indonesien und andere Länder sagen: Ha, ihr sagt, wir kommen ohne euch nicht aus? Wer beliefert eure Hersteller? Wer versorgt euch mit Rohstoffen? Wer liefert euer Öl und Gas? Wer liefert eurer Landwirtschaft, das Helium, das Titan, das Nickel?
Sie erkennen also, dass die Welt in zwei Teile zerbricht und Eurasien, wo sich der Großteil der Weltbevölkerung konzentriert, seinen eigenen Weg gehen wird. Weiterlesen