Das „intellektuelle und affektive ‚Betriebssystem‘ der Linken“

Peter Wahl bezeichnet sein kürzlich erschienenes Buch „Der Krieg und die Linken“ als Flugschrift, mit der er zum Verständnis des „intellektuellen und affektiven ‚Betriebssystems‘ der Linken“ beitragen möchte.

Zum Verteilen vor der Mensa ist Peter Wahls Flugschrift definitiv zu lang. Für ein Buch jedoch ist es ziemlich kurz, und komplexe Sachverhalte und Argumentationslinien werden darin kurz und knapp auf den Punkt gebracht. Das allein ist schon ein Grund, das Buch zu lesen.

Der Zweck einer Flugschrift ist es, möglichst viele Menschen von einem politischen Anliegen zu überzeugen, zumindest aber ihr Interesse zu wecken, sich genauer damit auseinanderzusetzen. Dieses Anliegen wird abgeleitet aus der Darstellung eines Problems und der komprimierten Analyse seiner Ursachen und möglicher Lösungswege. Was also ist das Anliegen des Autors? Der letzte Satz des Buches könnte klarer nicht sein:

„Auch wenn uns, um noch einmal Brecht zu zitieren, ‚die Worte bereits wie Asche in unserem Mund sind‘: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

Es sei an der Zeit „wieder intellektuelle Gegenmacht gegen Bellizismus und Krieg aufzubauen“.

Peter Wahl bedauert, dass die gesellschaftliche Linke (verstanden als diejenigen, die die soziale Frage in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und tendenziell kapitalismuskritisch eingestellt sind) in der Bewertung des Ukraine-Krieges zersplittert ist,
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Die Außenministerin von Südafrika zum IGH-Urteil

Nach der Urteilsverkündung gab Ministerin Naledi Pandor eine Pressekonferenz:

P.: Well by the fact that the court says „Remember that today we’re not deciding about the allegation of genocide, what we’re dealing with other provisional measures“ it’s clear that the court does say circumstances exist where it is plausible that genocidal acts have been committed. This of course means, once the merit case is addressed, and if the finding is that there has been genocide, those states that have aided and abetted become a party to Commission of an Infringement in terms of the convention.

Q.: Do you think Israel will conform to the orders laid down by the court today?

P.: I’ve never really been hopeful about Israel, but Israel has very powerful friends who I hope will advise Israel that they should act.

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Zur Entscheidung des Internationalen Gerichtshof zu Gaza

Nach diesem Bescheid kommt keiner mehr um den Vorwurf des Genozids mehr drum herum. Man kann das nicht mehr einfach mit einer wegwerfenden Geste abtun. „Genocide Joe“, die Parole, die Biden in seinem Wahlkampf folgt, gerufen von seiner demokratischen Jugend, ist höchstgerichtlich bestätigt worden, auch von der US-amerikanischen Richterin. Den Vorwurf des Genozids hat das Gericht für plausibel gehalten, denn das war die Voraussetzung dafür, Israel dazu aufzufordern, genozidale Handlungen zu unterlassen. Dazu gehört auch, dass Israel angehalten ist, den Verlautbarungen genozidaler Absicht seines Führungspersonals, auch seines Präsidenten, juristisch entgegenzutreten.

Das Gericht lässt sich von Israel in einem Monat berichten, inwieweit Israel seinen Anordnungen, die unmittelbar geltendes Völkerrecht darstellen, nachgekommen ist.

Die Konvention zum Völkermord ächtet auch ausdrücklich die Beihilfe. Waffenlieferungen an einen Staat, der dabei ist, einen Völkermord zu begehen, ist vermutlich Beihilfe. US-Führungspersonal (und auch deutsches) läuft Gefahr, sich der (justiziablen!) Beihhilfe schuldig zu machen.

Alles in allem ein großer Erfolg der Südafrikaner und dabei ein großer Schritt in Richtung multipolare Welt. Aber das Gericht ist nicht den letzten eigentlich logischen Schritt gegangen, nämlich einen sofortigen Waffenstillstand anzuordnen.

Es stimmt natürlich, dass das den Menschen in Gaza nicht unmittelbar hilft. Aber das hätte vermutlich die Anordnung eines Waffenstillstands auch nicht getan. Die USA und Israel haben sich schon immer über Völkerrecht hinweggesetzt. Aber sie finden immer weniger Unterstützer, und das stimmt hoffnungsvoll.

Es war nicht zu erwarten, dass das Gericht einstimmig dem südafrikanischen Antrag folgt, mit sechs Richtern mehr oder weniger aus NATO-Ländern (wenn man Japan und Australien dazuzählt). Ich hätte zumindest knappere Entscheidungen erwartet. Aber die Entscheidungen sind weitgehend einhellig ausgefallen. Nur die Richterin aus Uganda und der Israeli haben überhaupt dagegen gestimmt, wenn ich das richtig mitgekriegt habe. Das heißt, (fast) alle sind der südafrikanischen Argumentation gefolgt, dass ein Genozid droht. Die Belege für die Absicht haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt (die Ansagen von Leuten aus Netanyahus Kabinett).

Notwendiger Krieg gegen den Terror oder Genozid?

Eine gekürzte Version dieses Artikels erschien diese Woche auf Makroskop.

Eine zivilisierte Debatte?

Wie Bundeskanzler Scholz vor kurzem bestätigte: Die Unterstützung der Sicherheit Israels ist in Deutschland Staatsräson. Konkret bedeutete dies, so ein bei DW veröffentlichter Artikel, dass Deutschland, wie andere Verbündete auch, Israels Recht auf Selbstverteidigung und die daraus folgenden Maßnahmen im Gazastreifen unterstütze. Das könne sich aber u.U. als problematisch herausstellen. Denn was auch immer Deutschland über sein intrinsisches Recht sagen möge, an der Seite Israels zu stehen, entbinde das Land jedoch nicht von seiner Verantwortung, das humanitäre Völkerrecht, das die Mittel der Kriegsführung regelt, zu beachten und dafür einzutreten.

Angesichts der großen Relevanz des Themas, nicht nur wegen der durch Terror und Krieg ausgelösten humanitären Katastrophe, sondern auch der großen Gefahr der regionalen Ausweitung des Konfliktes mit den zu erwartenden Opfern und Flüchtlingswellen, der Gefährdung der Sicherheit unserer Energieversorgung und der internationalen Transportkorridore, wünscht man sich dazu eine breite, kontroverse Debatte in Politik und Gesellschaft. Die aber ist schwierig, da die Kritik an der Politik Israels sehr schnell mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird, in Deutschland ein strafrechtlich zu verfolgendes Delikt. Weiterlesen

Let it be a tale

Let it be a tale

If I must die,
you must live
to tell my story
to sell my things
to buy a piece of cloth
and some strings,
(make it white with a long tail)
so that a child, somewhere in Gaza
while looking heaven in the eye
awaiting his dad who left in a blaze—
and bid no one farewell
not even to his flesh
not even to himself—
sees the kite, my kite you made, flying up
above
and thinks for a moment an angel is there
bringing back love
If I must die
let it bring hope
let it be a tale

R.I.P. Refaat Alreer

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Frieden ist nur möglich, wenn Israel in den völkerrechtlich anerkannten Grenzen leben kannn

Piers Morgan, Gastgeber der Show Uncensored beim britischen Kanal TalkTV, sprach mit dem in Ungarn geborenen kanadischer Mediziner Gabor Maté, dessen jüdische Familie nur knapp der Deportation unter der deutschen Besatzung entging. Er hat sich auf die Themen Sucht und Abhängigkeit und die Zusammenhänge von Stress, Sucht, Immunsystem, chronischen Erkrankungen und Traumata in der Kindheit spezialisiert. Hier eine Zusammenfassung.

Der Gastgeber fragte zunächst, wie Maté als Arzt, der mit vielen schwerst traumatisierten Menschen gesprochen und ihnen über ihre Erlebnisse hinweg geholfen habe, die Entwicklungen in Israel und Gaza einschätze. Schließlich befänden sich die Menschen in Israel und Gaza in einer extrem traumatischen Situation. Das gälte für beide Seiten, für die Menschen, die am 7. Oktober Opfer des Hamas-Massakers waren sowie die Geiseln und ihre Familienangehörigen, aber auch für die Menschen in Gaza, wo als Folge der militärischen Antwort Israels Tausende von unschuldigen Menschen getötet würden, darunter Tausende von Kindern.

Man könne die Situation nur in ihrem historischen Kontext verstehen, erläutert Maté. Als Holocaust-Überlebender sei ihm früher der Zionismus als Weg zur Erlösung des jüdischen Volkes sehr wichtig gewesen. Dann aber habe er herausgefunden, dass die Gründung des Staates Israel mit der Vertreibung und mehrfachen Massakern an der lokalen Bevölkerung einherging, was historisch nicht bestreitbar sei. Aber auch heute lebten die Palästinenser unter israelischer Besatzung.

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Zur Friedensdemo am 25.11.2023

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Diese Mail kam vorhin von Peter Wahl (Annalena Baerbock und Janine Wissler waren im CC):

Liebe Leute,
die Demonstration und Kundgebung gestern in Berlin unter dem Motto Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten war mit über 20.000 Teilnehmern ein großer Erfolg.

Als jemand der einige Großdemos in Leitungsfunktionen auf dem Buckel hat, weiss ich wovon ich rede, wenn ich die Zahlen der Polizei als reinen Polit-Fake bezeichne. In der Demoleitung gab es sogar Gemurre, weil wir nicht auf das übliche Ritual eingestiegen sind, deutlich höhere Angaben zu machen. Wir haben uns aber bewusst entschlossen, bei der realistischen Zahl zu bleiben.

Der Erfolg der Mobilisierung ist umso bemerkenswerter, als Friedensbewegung in diesen Zeiten nicht gerade unter günstigen Bedingungen agieren muss. Denn:
1. Mit dem Ukraine-Krieg versuchen der herrschenden Block und seine ideologischen Apparate eine Renaissance von deutschem Militarismus und deutschem Großmachtstatus – beschönigend als „Zeitenwende“ bezeichnet – durchzusetzen. Sie wollen den deutschen Imperialismus 3.0. Auch wenn das, wie alle Umfragen belegen, nicht so recht funktioniert, und in der Bevölkerung zumindest eine post-heroische Grundhaltung verbreitet ist, muss Friedenspolitik gegen unglaublichen propagandistischen Gegenwind ankämpfen. Weiterlesen