Laut dem Ökonomen und Historiker Michael Hudson befinden wir uns nicht an einem Punkt einer langen Reihe von Entwicklungsstufen des Kapitalismus, sondern dieser ist selbst unter die Räuber gefallen: vereinnahmt durch die militärische US-amerikanische Staatsmaschine, in die ein Großteil der amerikanischen Gesellschaft bis hin zur Arbeiterin in der Rüstungsindustrie verstrickt ist, und den mit dem Staatsapparat verwobenen Finanz-/Immobilien-/Versicherungssektor, der die Welt finanziell unterwirft. Weltweit und im Inneren der USA schiebt er einen Großteil des erarbeitenden Mehrwerts den Kriegsgewinnlern und einer unproduktiven Rentier-Klasse zu und lässt dem US-amerikanischen Industriekapital keine konkurrenzfähige Chance. Das sei seit der Zeit nach dem 1. Weltkrieg nicht mehr Lenins Variante des Imperialismus, in dem das Kapital den Staat vereinnahme, sondern der US-amerikanische Staat sei selbst der Agent, teilweise sogar gegen Kapitalinteressen.
Seit Beginn der Zivilisation seien Gesellschaften regelmäßig mit einem solchen Rentier-Problem konfrontiert gewesen. Und so könne der Kapitalismus, den Marx im 1. Bd. des Kapitals analysiere, sich heute nicht in Richtung vollständiger Vergesellschaftung der Produktivkräfte entfalten, denn das setze die Entmachtung der Rentiers voraus, die Marx als gegeben angenommen habe. Die heutige Kapitalismusvariante sei also ein Rückschritt. Zur Rolle der Rentiers habe Marx im 3. Bd. des Kapitals geschrieben.
Daraus ergibt sich geopolitisch für heute die Hauptaufgabe:
Die Entmachtung des sich im Abstieg befindlichen US-Imperialismus und die Verhinderung einer damit einhergehenden nuklearen Katastrophe.
Gleichzeitig müssen die Konsequenzen der Zivilisationsherausforderung Erderwärmung / Umweltkrise, die uns alle in die Barbarei stürzen kann, bekämpt werden.
Es könnte sein, dass das politisch, ideologisch und wirtschaftlich nur über die Stärkung stabiler und handlungsfähiger Nationalstaaten funktioniert, über breite nationale Bündnisse und die internationale Zusammenarbeit in einer an den westfälischen Frieden angelehnte Konstellation auf Basis von Zhou Enlais 5 Prinzipien friedlicher Koexistenz im Rahmen neu entstehender Verbünde und der schon bestehenden Institutionen der UN.
Eine solche national-staatliche Orientierung ist nach Meinung der Vertreter dieser Auffassung keineswegs die Vorstufe zum Faschismus sondern ein notwendiges Gebot der Stunde. Sie wäre als Form des Widerstandes zu betrachten.
Der Journalist Anatol Lieven hat ein interessantes Buch geschrieben, in dem er auch für die Bekämpfung der Erderhitzung eine nationalistische Herangehensweise empfiehlt, die keineswegs im Widerspruch zur globalen Natur der Problematik stehe.
Ich finde, das sind bedenkenswerte Thesen. Ob und inwieweit sie stichhaltig sind, steht auf einem anderen Blatt. Andreas Wehr kritisiert z.B. hier Streecks neues Buch zu diesem Thema.
us sagt:
Welche Alternativen dazu gibt es?
Dazu zitiert der Kommentator Karlof1 bei ‚Moonofalabama‘ einen Ausschnitt aus einer Diskussion mit Michael Hudson:
us sagt:
Hier dazu ein Kommentar aus ‚Moonofalabama‘:
Posted by: Littlereddot | Jul 29 2021 3:48 utc |