Ich denke, bei vielen ist heute Klimapolitik in erster Linie „virtue-signalling“. Was wundersam zusammenfällt mit der moralisch korrekten Haltung zum Ukraine-Krieg. Wir schaden Putin, indem wir Gas sparen und retten zugleich das Klima. Ein moralisches Win-win.
Inhaltlich ist das aber leider total falsch. Denn die Erderhitzung ist tatsächlich ein reales Problem. Wir gehen in wahrsten Sinn des Wortes dem Weltuntergang entgegen. Das ist kein leeres Gerede und auch kein religiöser Wahn, sondern das ist der Stand der Wissenschaft (IPCC-Bericht). [Natürlich bezieht sich „Weltuntergang“ immer auf den Untergang der Menschheit, wie wir sie heute kennen, nicht auf den Untergang des Planeten in irgendeiner Form.] Heute sind zwar die Auswirkungen der bisherigen Erwärmung eindeutig nachweisbar, aber es gibt nicht im entferntesten wirklich katastrophale Folgen. Nahrungsmittel werden weltweit im Überfluss produziert. Wenn jemand hungert, dann wegen Geldmangel, nicht wegen Nahrungsmangel. Wenn man den Fleischkonsum reduziert, ergeben sich noch viel größere Spielräumen. Fast nirgendwo geht die Bevölkerung zurück wegen Nahrungsmangel oder anderen Umweltproblemen. Das wird sich radikal ändern in einer drei, vier, fünf Grad wärmeren Welt. Das dauert nur noch wenige Jahrzehnte, wenn nicht wirklich radikale Änderungen weltweit erfolgen. Und damit bin ich beim Thema.
Denn was das reale Problem der Erderwärmung betrifft, nützt es nicht das geringste, wenn Deutschland und ein handvoll anderer Länder erfolgreich dekarbonisieren. [Was vermutlich ohnehin nicht gelingen wird, mangels Gerechtigkeit und mangels ernsthafter Planung und Steuerung. Im Moment werden ja die Kohlekraftwerke wieder angeworfen.] Für das Klima ist nur der weltweite massive Abbau des CO2-Eintrags relevant. Den kann es nur geben, wenn die größten Länder, die Verbraucher und die Produzenten fossiler Brennstoffe miteinander kooperieren in einem bisher ungekannten Ausmaß. Zu diesen Ländern gehören Kanada, die USA, Russland, China, Indien, Japan, Iran, Deutschland und Saudi-Arabien. Die augenblickliche Konfrontation und das Bestehen auf Dominanz seitens des Westens gegenüber den aufstrebenden Mächten ist damit komplett unvereinbar.
Zur Kooperation zwecks Rettung des Klimas ist die Gewährleistung der Sicherheit aller Staaten gegenüber militärischer Aggression nur eine Minimalbedingung. Nicht einmal die ist heute angesichts des Krieges in der Ukraine und der Konfrontation wegen Taiwan erfüllt. Für das Klima ist es notwendig, dass fossile Energiequellen nicht weiter erschlossen werden. Wie will man Russland, Saudi-Arabien, Iran, die USA, den Irak und Venezuela dazu bringen, auf die Ausbeutung ihrer fossilen Reichtümer zu verzichten? Wie will man Länder des globalen Südens mit preiswerter Energie versorgen, auf die sie heute für Transport, Strom und Landwirtschaft elementar angewiesen sind? Dazu sind Verträge, Abmachungen, Preiskontrollen, Subventionen, gemeinsame Investitionsentscheidungen u.ä. nötig, wie es sie so noch nie gegeben hat. Bei dieser Kooperation müssen die Interessen aller angemessen berücksichtigt werden. Wenn diese Kooperationen nicht zustande kommen, werden alle munter weitermachen wie bisher. Dann gute Nacht. Ok, ich werd’s nicht mehr erleben.
us sagt:
Jeffrey Sachs sagt es im Gespräch so:
(Übersetzung und Hervorhebungen von mir, natürlich mithilfe von deepL)