Wir sind die Guten

„Corona-Kritiker sind gefährlich und unsozial, und man muss dagegen deutliche Zeichen setzen. Wissenschaftsleugnung, esoterische und antisemitische Verschwörungstheorien, Holocaustverharmlosung, Offenheit nach rechts, Einschränkungen der Pressefreiheit – wehret den Anfängen sonst ist das 4. Reich nicht mehr fern!“

„Corona-Maßnahmen-Befürworter sind gefährlich und unsozial, und man muss dagegen deutliche Zeichen setzen. Hinter der beispiellosen, unverhältnismäßigen Einschränkung unserer Bürgerrechte im Zuge der Corona-Maßnahmen steht ein Plan der herrschenden Eliten – wehret den Anfängen, der dauerhafte Entzug unserer Freiheitsrechte – ein neue Faschismusvariante – steht bevor!“

Dass für einige der Corona-Kritiker das Impfregime über die Erlangung des Zugriffs auf unsere Körper als umittelbares Herrschaftsinstrument angesehen wird, mag den Corona-Maßnahmen-Befürwörtern als etwas weit hergeholt erscheinen. Um daraus eine antisemitische Verschwörungstheorie zu konstruieren, braucht man allerdings etwas Phantasie: weil die Antisemiten an eine jüdische Weltverschwörung glauben, ist die Vermutung, dass hinter den Corona-Maßnahmen ein Herrschaftsplan der Eliten stecke, automatisch antisemitisch?

Und dann haben die Corona-Gegner auch noch die Impertinenz, sich mit den Holocaust-Opfern zu vergleichen!
Zugegeben: Wer sich im Lockdown in einer ähnlichen Situation wie Anne Frank zu befinden meint, braucht dringend einen Realitätscheck. Strafbar macht sie sich nicht.

Im Urteil zur Strafbarkeit von Holocaust- Verharmlosung urteilte das BVerfG, dass die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes vielmehr darauf setze, dass solchen Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird. Die Meinungsfreiheit finde erst dann ihre Grenzen im Strafrecht, wenn die Äußerungen in einen unfriedlichen Charakter umschlagen.

Letzteres obliegt also der Strafverfolgung genauso wie die Aktivitäten gewaltbereiter rechtsradikaler Gruppen, die sich bei den Hygienedemos einfinden. Ausgesprochen unschöne Auswüchse sind selbstverständlich auch die – teilweise gewaltsame – Behinderung von Journalisten bei ihrer Arbeit. Dies als Einschränkung der Pressefreiheit zu bezeichnen, erscheint mir nun aber doch als zu gewagt: die Pressefreiheit ist das Recht des Staatsbürgers, welches durch den Staat zu garantieren ist; dass demonstrierende Bürger dieses Recht nicht respektieren, ist in dem Sinne keine Einschränkung der Pressefreiheit, fehlender Polizeischutz für Journalisten wäre dies jedoch schon. War das der Fall?

Wie wäre es mit reden?

Als grundsätzliche Befürworterin von Corona-Maßnahmen fällt es mir – wie vielen anderen – sehr schwer, mit diesbezüglich Andersdenkenden zu diskutieren. Das gesamte Thema ist äußerst emotional belegt.

Umso enttäuschender ist es, dass viele Menschen in ‚meinem Lager‘ die Meinungsäußerungen der anderen Seite am liebsten verbieten würden und dazu die Antisemitismus-Keule auspacken. Begrüßen diese Leute es nun, dass Ken Jebsen tatsächlich vom Verfassungsschutz überwacht wird, weil er mit seinem Kanal das Vertrauen in unsere staatliche Ordnung erschüttert? Das aber haben sich unsere Parteien redlich selbst verdient, wie Jens Berger überzeugend darlegt.

Andererseits können viele derjenigen Linken, mit denen ich in der Frage Atzmon auf der gleichen Seite stand, nun aus meiner Sicht nicht akzeptieren, dass ein medizinischer Notfall eine ganz andere Qualität besitzt als z.B. die Kritik an der Politik des Staates Israel. In der Logik der Impfkritiker müssten die Palästinenser der Westbank ja noch dankbar dafür sein, dass sie wegen der priveligierten Versorgung israelischer Staatsbürger nicht als Impf-Versuchskaninchen benutzt wurden.

Wie auch immer: am Aller-Enttäuschendsten ist, dass die alternativen kritischen Plattformen mit großer heterogener Leserschaft wie z.B. KenFM oder die Nachdenkseiten, die dazu am ehesten in der Lage gewesen wären, nicht die Kraft oder die Bereitschaft aufgebracht haben, wirklich ernstzunehmende, hochkarätig kontrovers besetzte Debatten zu den eigentlich wichtigen Fragen zu organisieren.

  • Ist Corona nur ein Vorwand, oder handelt es sich wirklich um einen weltweiten medizinischen Notfall?
  • Wie können wir wissenschaftliche Wahrheit beurteilen?
  • Hat unsere Regierung angemessen auf die Gefahr reagiert?
  • Wurden die sich aus den Corona-Maßnahmen ergebenden Härten ernst genommen und adäquat aufgefangen?
  • Sind wir ein Volk egoistischer Individualisten oder ein Volk ängstlicher Schafe?
  • Warum stimmt unsere Regierung in der WTO gegen die Freigabe der Impfpatente?
  • In welcher gesellschaftlichen Situation befinden wir uns eigentlich aktuell? Steht eine autoritärere Herrschaftsvariante als bisher grundsätzlich auf der Tagesordnung?
  • Wie groß ist die vom Rechtspopulismus ausgehende Gefahr von rechts?
  • Ist der Antisemitismus tatsächlich auf dem Vormarsch?
  • Und, und, und …

Die Foren sind voll … Aber solange wir uns in unseren jeweiligen Kreisen bewegen, uns symbolisch gegenseitig die Köpfe einschlagen oder angeekelt aus der Diskussion aussteigen, ändert sich nichts.

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