Antwort auf Jörg Goldberg

Jörg Goldberg hat in der Zeitschrift Z vom Juni 2023 einen Artikel mit dem Titel „Weltordnung zwischen Globalisierung und Nationalstaaten“ geschrieben. Meine Antwort darauf ist relativ ausführlich ausgefallen.

Antwort auf Jörg Goldberg (Fassung vom 2.7.2023)

Jörg Goldbergs Analyse 1

Fragen 2

Superimperialismus 4

Der Staat als eigenständiger Akteur im Kapitalismus 5

Bipolare Welt und „goldenes Zeitalter des Kapitalismus“;
neoliberale Globalisierung und unipolarer Moment 6

Modernisierung des „Rests der Welt“ 7

Multipolarität 10

Perspektiven 11

Fazit  13

Quellenverzeichnis 15

Ein Gedanke zu „Antwort auf Jörg Goldberg

  • Änderungsvorschläge nach der Diskussion mit Albrecht:

    Zum Abschnitt: Modernisierung des „Rests der Welt“, S. 7 f.

    S. 8: … Diese Modernisierung findet heute im Rahmen komplexer gesellschaftlicher Interessenlagen statt und bei einer weitaus engeren Verflechtung mit dem Weltmarkt, als es vor 120 Jahren der Fall war.

    Neu: Der Superimperialismus der USA ist kein von einem Geheimbund gelenktes gradliniges Machtsystem, vielmehr ergibt sich aus vielen verschiedenen divergierenden Interessen und Interessenkonstellationen das gemeinsam anzustrebende Ziel full spectrum dominance. Genau so wenig sind in den diesem Streben ausgesetzten Staaten der Welt klare Interessenlagen auszumachen.
    Teilen dieser Gesellschaften erschien und erscheint der vom Empire vorgeschlagene und vielfach erzwungene neoliberale Weg als Angebot, das sich nicht ablehnen lässt: Wirtschaftspolitiker sind vom neoklassischen Konzept überzeugt, oder sie sehen – wie die KPCh – keinen anderen Weg, um zu industrialisieren, wobei sie Strategien entwickelte, um die Kontrolle zu behalten. Idealisten glauben an die liberalen Werte des Imperiums und die grenzenlose Freiheit, das Ende von Korruption und verkrusteten Strukturen. Moralisten sehen sich in der Pflicht, die Menschenrechte überall durchzusetzen, notfalls mit Gewalt. Kirchliche Gruppen beschwören die Entrechteten, ihr Heil nicht im Sozialismus zu suchen, sondern sich auf das Armageddon vorzubereiten. Sicherheitsorgane befürchten unsichere Verhältnisse oder gar den Zerfall der Staatsmacht durch innere Unruhen. Alte Eliten möchten im Verbund mit der äußeren Macht ihre Privilegien und ihre Einkommensquellen behalten, neue Unternehmer und Beamte ergreifen die Chance, reich zu werden. Staatsführungen werden vom Empire unter Druck gesetzt und befürchten die Konsequenzen des Widerstands, die ja an vielen Beispielen zu beobachten sind, z.B. in Libyen.

    Andere gesellschaftliche Gruppierungen sehen die mit dem neoliberalen Weg verbundenen Nachteile. Gut gestellten Philanthropen liegt das Schicksal der verarmten Massen und Globalisierungsverlierer am Herzen. Sie kritisieren die zunehmende Ungleichheit die fehlenden Lebens- und Aufstiegschancen, selbst für gebildete junge Menschen. Die Benachteiligten kämpfen in grass-root-Bewegungen für ihre Rechte und bessere Lebensbedingungen. Politiker und Gewerkschaftler monieren die Abhängigkeit von Investoren, internationalen Institutionen und die unsichere, vom Weltmarkt und politischen Entwicklungen, wie z.B. dem Ukraine-Krieg, abhängige wirtschaftliche Lage. Kleinbauern und viele Unternehmen können mit der Konkurrenz aus dem Ausland nicht mithalten. Viele Menschen lehnen den Liberalismus mit seiner Betonung individueller Freiheiten auf Kosten des sozialen Zusammenhalts ideologisch ab. Patrioten möchten, stolz auf ihre Heimat sein und die Demütigungen der Kolonialzeit überwinden. Nationalisten möchten ihr Land zu alter Größe führen. Sicherheitsorgane befürchten unsichere Verhältnisse oder gar den Zerfall der Staatsmacht durch äußere Einmischung.

    Neu: Aber aus all diesem Durcheinander scheint sich ein eindeutiger Trend herauszukristallisieren: der Wunsch dieser Staaten nach mehr strategischer Souveränität. Denn
    so sehr sich diese politischen und ökonomischen Eliten, Intellektuelle, Bürger*innen und Mitglieder sozialer Bewegungen in ihren Positionen unterscheiden, sie sind mitnichten tumbe Toren. Sie betrachten die Welt im Rahmen einer breiten geopolitischen Perspektive und denken sehr bewusst darüber nach, wie ihre Länder mehr Stabilität, Bedeutung und Wohlstand erringen können. Dabei besinnt man sich zunehmend auf die eigenen Traditionen und jahrhundertealte zivilisatorische Vergangenheit. Nicht unbedingt sieht man das Vorbild westlicher repräsentativer Demokratien als passend für das eigene Land. Und aus welcher Richtung auch immer diese Denker kommen, die erfolgversprechende wirtschaftspolitische Linie wird immer offensichtlicher: Ein Land, welches sein wirtschaftliches Potential ausnutzen und von der eigenen Wertschöpfung bestmöglich profitieren möchte, braucht einen Staat, der die Schlüsselindustrien, insbesondere die Geldpolitik, kontrolliert, die Binnennachfrage ankurbelt, systematisch Industrie-, Bildungs- und Sozialpolitik betreibt und wirtschaftlich mit anderen Nationen zum beiderseitigen Vorteil zusammenarbeitet.

    Schluss des Artikels, S. 13

    neu: Fazit

    Der Kapitalismus braucht den Staat, um funktionieren zu können. Das gilt für die Welt- wie auch für die Binnenmärkte. Bisher stützte sich das Kapital vor allem auf die Macht des zum Superimperium mutierten Nationalstaates USA. Genauso wie dieses Superimperium sind auch die übrigen Nationalstaaten nicht grundsätzlich als bloße Erfüllungsgehilfen von Kapitalinteressen und Konkurrenten um die Gunst des Kapitals zu betrachten, sondern als eigenständige politische und ökonomische Akteure. Sie waren bisher jedoch weitgehend gezwungen, sich der imperialistischen Macht zu fügen. Heute agieren sie mit zunehmendem Selbstbewusstsein auf der Weltbühne und entwickeln Formen der Kooperation, um das politische und ökonomische Weltgeschehen ihren Wünschen gemäß zu gestalten. Entscheidend für den Erfolg dieser Anstrengungen sind die erstarkten Mächte China und Russland und deren enge Zusammenarbeit. Auch wenn der Ausgang noch ungewiss ist, erscheint die Herausbildung einer neuen, funktionierenden multipolaren Weltwirtschaftsordnung durchaus als wahrscheinlich. Wird sich das Kapital künftig umorientieren (müssen)? Was bedeuten die China-Besuche von Elon Musk und Bill Gates? Könnte es möglich sein, dass diese Spitzenkapitalisten – im Gegensatz zum immer noch parteiübergreifenden Konsens in den USA – am Ende auf Kooperation statt auf Konfrontation, Eindämmung und Entkoppelung setzen?

    So endet mein Artikel statt mit Antworten mit noch mehr Fragen als am Anfang.
    Gestrichen: Der Ausgang ist ungewiss. Diejenigen von uns, die eine gerechte, solidarische Gesellschaft im Einklang mit der Natur anstreben, können darauf Einfluss nehmen.
    Es gilt, die sich vor unseren Augen entfaltende spannende Realität zu erkunden und zu verstehen, um daraus politisches Handeln abzuleiten.
    Gestrichen: Das ist ohne breite und kontroverse Debatten nicht möglich.

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