US-amerikanische Strategiedebatten

In seinem täglichen Briefing vom 22.8.2023 spricht Alexander Mercouris das „Big Power Game“ des US-Imperiums an und wie die entsprechenden Strategien in den USA diskutiert werden.

Die drei großen Zeitschriften, in denen diese debattiert werden, sind: Foreign Policy, Foreign Affairs und National Interest.

Grundsätzlich sei man sich bei den Eliten einig, dass China die große Gefahr für die amerikanischen Interessen darstelle. Aber wie soll man inzwischen mit Russland umgehen?

2021 forderte das Strategiepapier des Atlantic CouncilToward A New American China Strategy“ Zugeständnisse an Russland.

„ Allowing Russia to drift fully into China’s strategic embrace over the last decade will go down as the single greatest geostrategic error of successive US administrations,“ schreiben die Autoren.

Dem wurde z.B. in dem am 14.3.2022 in National Interest erschienenen Artikel von Wess Mitchell „To Prevent China from Grabbing Taiwan, Stop Russia in Ukrainevehement widersprochen (der Originalartikel sei inzwischen mehrfach redigiert und entschärft worden, sagt Mercouris).

„The whole point should be to keep U.S. power applied as surgically as possible to the weaker of the two rivals, with a view to decisively draining it and being able at a later date to face China with greater strength as a result.“

Heute schienen mehr und mehr Strategen zu der Einsicht zu kommen, dass letztere Strategie dabei sei zu scheitern.

Das zeige z.B. der am 21.8.2023 bei National Interest veröffentlichte Artikel „The Case for American-Led Peace in Ukrainevon Alexander Burilkov und Wesley Satterwhite. Dort ist zu lesen:

A Russian victory on these terms is a significant setback for the United States. The reputational damage to American competence and the NATO alliance would be colossal, as the best of NATO hardware and training has already gone into the Ukrainian military, and Russia would be able to make the claim that it stood alone against the West—and won. The Sino-Russian relationship would also strengthen. Finally, the cheap and effective weapons Russia uses to win the war, such as the Lancet, will flow to every regime opposed to American leadership around the world. Therefore, it is imperative that the idea of a peace settlement amenable to all parties in the conflict—including Russia—takes hold and is seriously pursued in Washington. Influential American figures are already engaged in Track 1.5 diplomacy with their counterparts in Russia. These efforts should be encouraged, expanded, and form the basis for sustained engagement in peace negotiations. Only then will the United States be able to focus entirely on containing China, which is of paramount importance to American security and prosperity.

Ich habe dann noch ein wenig gestöbert und folgendes gefunden: „Myths and misconceptions in the debate on Russia. How they affect Western policy, and what can be done.“ Wenn man wissen will, von welchen Prämissen die Experten ausgehen, die in unseren Medien fast ausschließlich zu Wort kommen, dann wird man dort fündig. Es kostet einige Mühe, diese Argumente wieder und wieder auseinanderzunehmen.

Folgende „Mythen“ werden in dem Papier „widerlegt“:

4 Gedanken zu „US-amerikanische Strategiedebatten

  • Und hier:

    Anstatt zu versuchen, Russland zu einer versöhnlichen Haltung zu bewegen oder zu hofieren, sollten wir ihm unüberwindliche Hindernisse für seine Expansion nach Westen in den Weg legen (notfalls auch durch eine weitaus schwerwiegendere Niederlage, als es sie bisher in der Ukraine erlitten hat) und gleichzeitig neue Möglichkeiten für Zusammenarbeit, Investitionen und Wachstum in Russlands Osten aufzeigen. Einfach ausgedrückt sollte das Ziel darin bestehen, Amerikas Gleichzeitigkeitsproblem zu lindern, indem Russland Anreize geboten werden, weniger eine europäische als vielmehr eine asiatische Macht zu sein.

    • Was allerdings dort steht, hat es in sich. Hier meine Deep-L Übersetzung entscheidender Passagen:

      Das Leitmotiv der Russland-in-Europa-Politik sollte der unnachgiebige Widerstand gegen die russische Expansion sein, der in einer entscheidenden Niederlage für Russlands derzeitige Ziele in den europäischen Grenzgebieten gipfelt. Wie die Geschichte zeigt, nimmt Russland die Entspannung mit einem Gegner erst dann ernst, wenn es durch eine Niederlage oder einen schweren Rückschlag dazu gezwungen wurde. Dies war ebenso eine Voraussetzung für Ronald Reagans Erfolg in Reykjavík nach der sowjetischen Niederlage in Afghanistan wie für die englischen Staatsmänner, die die anglo-russische Entente nach Russlands Niederlage bei Port Arthur 1905 vermittelten. Versuche, eine Entspannung herbeizuführen, bevor Russland einen solchen Rückschlag erlitten hat, werden wahrscheinlich nicht nur scheitern, sondern auch kontraproduktiv sein, da sie implizit Territorium zugestehen und die Wette der derzeitigen russischen Führung bestätigen, dass ein neues Imperium im Westen mit Waffengewalt erreicht werden kann.

      Das Gegenstück zu Port Arthur oder Afghanistan ist heute die Ukraine. Die Vereinigten Staaten sollten sich wünschen, dass Russland eine militärische Abfuhr von ausreichendem Ausmaß erleidet, um die russische Führung zu veranlassen, ihre Annahmen über die Zulässigkeit des postsowjetischen Raums als bevorzugte Zone der strategischen Expansion zu überdenken. Amerika kann dazu beitragen, dieses Ergebnis herbeizuführen, ähnlich wie es das in Afghanistan getan hat: indem es den Einheimischen die Mittel an die Hand gibt, sich Russland in größerem Umfang als bisher zu widersetzen, und indem es die europäischen Verbündeten ermutigt, dasselbe zu tun. Und wir sollten die Kosten für Cyber- und andere Angriffe auf die Vereinigten Staaten deutlich erhöhen, unter anderem durch wechselseitige Angriffe auf kritische russische Infrastrukturen und durch Sanktionen gegen Putins inneren Kreis und den Sekundärmarkt für russische Anleihen.

      Dieser Schmerz muss jedoch ein Ziel haben, das über eine bloße Bestrafung hinausgeht, nämlich eine Niederlage mit strategischer Wirkung, mit dem kalkulierten Ziel, Russland davon zu überzeugen, dass der von ihm gewählte Weg der Expansion nach Westen geschlossen ist. Im Gegensatz dazu sollte die US-Politik gegenüber Russland in Asien darauf ausgerichtet sein, eine Neuausrichtung von Russlands Fokus und Energien in diese Richtung zu fördern. Eine solche Politik würde aus wirtschaftlichen, militärischen und politischen Elementen bestehen.

      Auf wirtschaftlicher Ebene sollten die Vereinigten Staaten Anreize für ihre asiatischen Verbündeten und Partner schaffen, um zu verhindern, dass China ein wirtschaftliches Monopol im russischen Fernen Osten, in Sibirien und Zentralasien erlangt. Das Land, das am besten in der Lage ist, dies zu tun, ist Japan, das über die Nähe, das Kapital und den erwiesenen Willen verfügt, mit C

      hina in diesen Regionen zu konkurrieren.

      • Und:

        Anstatt zu versuchen, Russland zu einer versöhnlichen Haltung zu bewegen oder zu hofieren, sollten wir ihm unüberwindliche Hindernisse für seine Expansion nach Westen in den Weg legen (notfalls auch durch eine weitaus schwerwiegendere Niederlage, als es sie bisher in der Ukraine erlitten hat) und gleichzeitig neue Möglichkeiten für Zusammenarbeit, Investitionen und Wachstum in Russlands Osten aufzeigen. Einfach ausgedrückt sollte das Ziel darin bestehen, Amerikas Gleichzeitigkeitsproblem zu lindern, indem Russland Anreize geboten werden, weniger eine europäische als vielmehr eine asiatische Macht zu sein.

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