Der Dollar als Leitwährung

Der folgende Text ist aus meinem dritten Kapitel. Ich würde mich über kritisches Feedback freuen, weil ich selber nicht ganz zufrieden mit dem Text bin, vor allem scheint die Sache mit dem Petrodollar ja nicht zu stimmen – us

Textanfang:

Nirgendwo wird die Verquickung von Staatsmacht und Kapitalinteressen – auch heute noch – so deutlich wie am Status des Dollar als Leitwährung. Bei den Diskussionen um die Neuordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen nach dem 2. Weltkrieg hatte John Maynard Keynes die Einführung einer internationalen Verrechnungsunion (ICU) mit einer Bancor genannten, an die Währungen der Teilnehmer gekoppelten Leitwährung vorgeschlagen, deren Wert an Gold gebunden sein sollte. Damit zusammenhängend sollte es Mechanismen geben, die eine zu starke Verschuldung und zu starke Gläubigerstellung einzelner Länder verhinderten.1

Mit diesen Vorstellungen konnte er sich nicht durchsetzen. Leitwährung wurde der, zunächst an den Goldstandard gekoppelte, Dollar. Das verlieh den USA direkte finanzielle Vorteile und große Macht. Aktuelles Beispiel ist die Leitzinserhöhung der US-Zentralbank, was der Europäischen Zentralbank aus verschiedenen Gründen nicht in dem Maße möglich ist. Das Ergebnis ist ein Run der Anleger auf den Dollar und ein Kursverfall des Euro und anderer Währungen.2

Unverständlich ist zunächst, dass die USA diesen Status auch dann noch halten konnten, nachdem sie sich im Zuge des Vietnam-Krieges aufgrund schwindender Goldreserven dazu gezwungen sahen, den Goldstandard aufzugeben. Wie ist es möglich, dass eine Nation mit großem Außenhandelsdefizit auf Computerknopfdruck immer weiter Geld generieren kann, welches gerne überall akzeptiert wird? Wieso können sich die Eliten der USA dadurch überproportional Reichtümer aus aller Welt aneignen, ohne dass die Verkäufer ihre Lieferungen einstellen? Die Antwort ist politisch: Fiat-Währungen funktionieren, weil sie von einer Staatsmacht getragen werden. Innenpolitisch geschieht das über den Zwang, in der jeweiligen Währung Steuern zu bezahlen, wodurch eine Nachfrage nach dieser Währung erzeugt wird. Dafür garantiert der Staat Rechtssicherheit und in der Regel auch, dass die Kaufkraft des Geldes erhalten wird.

Kein anderes Land außer den USA kann den Nutzern seiner Währung Ähnliches bieten. Außenpolitisch setzten die USA dies durch das mit Saudi Arabien vereinbarte Petrodollar System durch, über das weltweit der Ölhandel in Dollar abgewickelt wird. So ist sichergestellt, dass alle Länder Dollar brauchten. Staaten, die mit anderen Möglichkeiten liebäugelten, werden unter Druck gesetzt und letztendlich mit militärischer Gewalt zur Räson gebracht, z.B. der Irak 2003 und Libyen 2011. Beide „Diktatoren“ hatten alternative Währungssysteme ins Spiel gebracht3, und das war zumindest einer der Gründe für ihren tiefen Fall vom Verbündeten des Westens zum Bösewicht.4

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Einschub:

Das scheint so nicht zu stimmen, alles ist viel komplexer:

  • Es gibt weitere Druckmittel, z.B. Sanktionen

  • Es gibt viele Vorteile, freiwillig im Dollarsystem zu bleiben, und häufig keine Alternativen

  • Der Petrodollar ist nicht der Punkt. Es geht um die Kontrolle des Ölhandels: wichtig ist der Einfluss wer Öl kriegt und wer nicht, und zu welchem Preis, es geht um die weltweite Kontrolle über Energie und Landwirtschaft über Dünger .

Dazu: naked capitalism: https://www.nakedcapitalism.com/2022/11/debunking-the-petrodollar-myth-pricing-oil-in-dollars-is-just-a-convention.html

Jens Berger sagt es auf deutsch: Hintergrund: Denkfehler „Dollarhegemonie“; dazu auch: YAHYA SADOWSKI: Die Sache mit dem Öl,11.4.2003

Hudson sagt, es sei darum gegangen, zu bestimmen, was die Saudis mit den eingenommenen Dollars machen, und sie dazu zu bringen, die in amerikanische Staatsanleihen zu stecken

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Hier geht der Text weiter:

In Ermangelung anderer verfügbarer amerikanischer Waren und Dienstleistungen kaufen ausländische Anleger für ihre überschüssige Dollar dann häufig amerikanischen Staatsanleihen, finanzieren auf diese Weise das Haushaltsdefizit der USA mit und kassieren dafür Zinsen. Man könnte auch sagen, dass diejenigen, die den USA einseitig Waren für Dollar verkaufen, für die vielen US-Militär-Stützpunkte auf der ganzen Welt aufkommen, mit denen das Land letztendlich den Wert seiner Fiat-Währung durchsetzt. Wie Michael Hudson errechnet hat, entspricht das amerikanische Außenhandelsdefizit ungefähr den Kosten dafür.5

Dass sich die ganze Welt zur Finanzierung ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und lebenswichtiger Importe in Dollar (Pfund Sterling oder Euro) verschuldet, nutzt in erster Linie den Finanzzentren des Nordens und sorgt dafür, dass sich die jeweilige Binnenwirtschaft für den Schuldendienst vornehmlich am Export orientieren muss und nicht am nationalen Interesse ausrichten kann. Und nicht selten sind die Banken gerne bereit, weitere Kredite zu vergeben, wenn es mit den Zinszahlungen Probleme gibt, wie Michael Hudson von seiner Arbeit an der Wall Street berichtet6, um dann am Ende bei Zahlungsunfähigkeit doch die Vermögenswerte eines Staates einzukassieren, und künftig daran zu verdienen.7

So gleicht die jetzige Form der Globalisierung eher einem Mastbetrieb und erinnert an das Buch „Animal Farm“, auch wenn sich das Buch eigentlich auf den Realsozialismus der Sowjetunion bezieht. Mit ihrer Machtübernahme versprachen die Schweine, wie die Protagonisten des Neoliberalismus, Wohlstand für alle. Am Ende gilt das neoliberale Versprechen nur für sie selbst und einige andere privilegierte Tiere. Aber auch die fetten Gänse (die sich vielleicht die ganze Zeit einbildeten, ihr Glück würde ewig andauern) landen am Ende auf der Schlachtbank. Das lässt an europäische Politiker*innen heute denken, die Europa mit ihrer Sanktionspolitik auf Druck der USA von den billigen russischen Energiequellen trennen, den Terrorakt gegen ihre Pipelines ohne Protest hinnehmen8, die bevorstehende Deindustrialisierung ihrer Staatsgebiete in Kauf nehmen und sich dann darüber beschweren, dass US-LNG-Anbieter an dieser Notlage zu viel Geld verdienen, und das Land sich über Bidens Anti-Inflation-Act Standortvorteile verschafft, die zur Verlegung europäischer Betriebe in die USA führen werden.9

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1Wikipedia: Bancor (Zugriff 26.1.2023)

2Sagen Hudson und Bibow Makroskop: https://makroskop.eu/36-2022/machtiger-us-dollar-zu-stark-fur-die-welt/

3https://www.philoclopedia.de/sonstiges/kriege/petrodollar/, vorsichtig hypothesierend; der Spiegel bezeichnete es in Bezug auf den Irak als Unfug: https://www.spiegel.de/wirtschaft/bush-vs-iran-die-legende-vom-petro-euro-krieg-a-405160.html

4Zu den Gründen, dass dieses System zurzeit nicht mehr alternativlos ist, später

6Hudsons Aufgabe war es, wie er im Interview berichtet, auszurechnen, wie lange so ein System funktionieren kann.

7Diese Art Schuldenfalle wird nun China zugeschrieben. Viele Untersuchungen bestreiten das, obwohl es wohl auch mit den chinesischen Auslandsunternehmungen viele Probleme in den betroffenen Ländern geben soll.

8Wären die Russen verantwortlich, wäre das aus allen Kanälen zu hören gewesen. Es gibt nur eine plausible Erklärung, nämlich, dass die Sprengung zumindest unter der zustimmenden Mitwisserschaft der USA geschah. Das bestätigte jetzt auch der Geschäftsführer der Nordstream AG Matthias Warnig im Zeit-Interview. Redaktion RT: Nord-Stream-Geschäftsführer deutet an: „NATO-Land“ für Sabotage an Gaspipelines verantwortlich, 26.1.2023 (Zugriff 27.1.2023)

9Die traurige Zukunft Europas: https://www.leftbrainwave.com/2022/11/the-coming-european-economic-apocalypse.html

2 Gedanken zu „Der Dollar als Leitwährung

  • „Wieso können sich die Eliten der USA dadurch überproportional Reichtümer aus aller Welt aneignen, ohne dass die Verkäufer ihre Lieferungen einstellen?“

    Das ist für mich der entscheidende Satz.

    Könnte man widerlegen, dass es den US-Eliten gelingt, weltweit Ressourcen aufzusaugen, ohne dafür etwas zu geben, wäre die These vom Superimperialismus falsch. Ohne Ausbeutung kein Imperialismus. Ein starkes Indiz dafür, dass dies den Herrschenden in den USA bis heute tatsächlich gelingt, ist das schon seit Jahrzehnten bestehende Leistungsbilanzdefizit. Die USA importieren viel mehr Waren als sie exportieren und können dadurch auch breiten Schichten einen höheren Lebensstandard bieten, als dies aufgrund der eigenen Produktion möglich wäre.

    Die Fähigkeit der USA, dieses Leistungsbilanzdefizit jahrzehntelang aufrechtzuerhalten ist einzigartig, und darin drückt sich die hegemoniale Stellung der USA aus. Nach wie vor können die USA ohne Ende Geld drucken und sich massiv weltweit verschulden, ohne dass der Dollar zusammenbricht. Im Vergleich dazu verblassen alle anderen Ausbeutungsverhältnisse, auch vergangene. Das ist der Elefant im Raum.

    Die Wahrnehmung dieses zentralen Kerns vermisse ich auch bei vielen Linken. Man kann es auch einfacher ausdrücken: Der Hauptwiderspruch in der heutigen Welt ist der zwischen US-Imperialismus und dem Rest. Alles andere bewegt sich in diesem Spannungsfeld. Und das wird auch solange (und auch nur solange) bleiben, wie die USA dieses Ausbeutungsverhältnis zum Rest der Welt aufrecht erhalten können. Das ist kein Antiamerikanismus, sondern ein real bestehendes Verhältnis.

    Wie genau diese hegemoniale Vormachtstellung funktioniert und perpetuiert wird, ist sicher nicht in wenigen Worten zu sagen, sondern kompliziert. Ein Gesamtkunstwerk, das aus vielen Komponenten besteht, die historisch gewachsen sind. Die Attraktivität der US-Finanzmärkte, der Petrodollar, die renommierten Spitzenuniversitäten, Hollywood, die weltweiten Militärbasen, die Thinktanks (MICIMATT, der Military-Industrial-Counter-Intelligence-Media-Academia-Think-Tank-Komplex), die gigantischen Propagandaapparate, die CIA und das NED, weltweite politische Landschaftspflege auch durch massive Bestechung, die NSA, SWIFT, WWF, Weltbank, Einfluss in der UN, etc. pp.

    Finanzkapitalismus ist damit einfach ein struktureller Aspekt dieses hegemonialen Projekts. Es ist der (vielfach erfolgreiche) Versuch, aus allen produktiven Bereichen, möglichst weltweit, Renten zu extrahieren, und zwar letztlich mit außerökonomischer Macht, bis hin zu militärischer Gewalt (war das nicht schon immer ein Kennzeichen von Imperialismus, im Unterschied zum einfachen Kapitalismus?).

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